Internationale
^ammler^eifung
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
4. Jahrgang. Wien, 1. September 1912. Nr. 17.
Chippendale.
Von Dr. Heinrich Pudor (Leipzig).
Die Wichtigkeit der Materialfrage kann kaum auf
eine schlagendere Weise erleuchtet werden, als durch
den einen Umstand, daß in England die ganze Renais -
sance des Möbels mit der heimischen Eiche steht und fällt,
und daß das gleiche bezüglich des englischen Rokoko
mit dem Mahagoni der Fall ist. Für die Kultur der eng -
lischen Renaissance mit ihren hohen Tlallen und schweren
'1 iiren paßte die Eiche, für die Kultur des englischen
Rokoko und das Geschmacksraffinement des dritten
Viertels des 18. Jahrhunderts paßte das aristokratische
Mahagoni und später Seidenholz (satinwood), welches
von Ostindien nach England importiert und schnell Mode
wurde.
Neben dem gesteigerten Raffinement des Ge -
schmackes als einer unausbleiblichen Folge der gestei -
gerten Wohlfahrt des Landes war der Einfluß von zwei
Ländern auf England zur Erstehung des Chippendale-
Geschmackes maßgebend: Diese Länder waren China
und Frankreic h.*)
Die Kenntnis Chinas vermittelte England, nament -
lich Sir William Chambers, der Architekt, welcher
zugleich auf Chippendale den größten Einfluß ausübte.
Chambers hatte in früheren Jahren eine Reise durch
China gemacht und brachte den »Chinesischen Stil« heim
nach England, der um so schneller sich ausbieitete, als
Sir William als ein Orakel in Geschmacksfragen galt.
Wir müssen daher wohl oder übel erst dieses Mannes
*) Literatur: Vorbilder der Kunst- und Möbeltischler im
gotischen, chinesischen und Rokokostil von Thomas Chippen -
dale, Berlin, Ernst Wasmuth. Deutsche Ausgabe von The
Gentleman and Cabinef-Makers Direktor heilig a large Collec -
tion of the most elegant and useful designs of Household fur-
niture in the most fashionable taste calculatcd to improove and
refine the present taste, and suited to the tancy and circurn-
stances of Persons in all degrees of life by Thomas Chippen -
dale. London. Third Edition 1762. (Auf deutsch: »Handbuch für
Möbeltischler mit einer großen Sammlung der elegantesten und
nützlichsten Muster von Hausmöbeln im vornehmsten Ge -
schmack, berechnet dazu, den gegenwärtigen Geschmack zu
verbessern und zu verfeinern, und angepaßt der Laune lind den
Umständen von Personen in allen Lebenslagen.«) — The Chip -
pendale Period in English Furniture by K. Warren Clauston.
London 1897. — Furniture and decoration in England during
the XV1I1. Century London 1891 by John Adam Heaton. Vor -
bilder für Kunsttischlerei im Stile des XVIII. Jahrhunderts.
Neue Folge. Berlin. Ch. Claesen & Cie. — Englische Möbel aus
der Sammlung des k. k. Oesterreichischen Museums für Kunst
und Industrie in Wien von Josef Wlha. Wien 1901.
mit ein paar Worten gedenken. Chambers war im Jahre
1726 als Abkömmling einer alten schottischen Familie
in Schweden geboren. 1728 kehrte sein Vater nach Eng -
land zurück. Chambers machte bereits als junger Mann
eine Reise nach Canton, wo er die Sitten, Gewohnheiten
und Einrichtungen der Chinesen studierte. Im Jahre 1757
gab er darüber einen großen Folioband heraus: »Designs
of Chinese building.«* ) Wohlverstanden, die erste Auf -
lage von Chippendales Buch erschien drei Jahre früher,
aber schon C 1 o u s t o n macht darauf aufmerksam, daß
es leicht möglich ist, daß Chippendale die Zeichnungen,
welche Chambers von seiner Reise, die also weit früher
fiel, heirngebracht hatte, vorher gesehen hat.
Weiter beschreibt nun Sir William ein chinesisches
Zimmer. Die Wände sind etwa drei bis vier Fuß hoch
mit Matten versehen, darüber mit weißem, gelbem oder
goldenem Papier beklebt. Ati Stelle von Gemälden
hängen lange Stücke von Seide oder Papier, in Rahmen
gezogen, an den Wänden, so bemalt, daß sie Marmor oder
Bambus imitieren, darauf sind Sprichwörter oder morali -
sche Sentenzen geschrieben. Die Möbel bestehen aus
Stühlen, Sesseln und Tischen, aus Ebenholz, Rosenholz
oder in Lackarbeit, oder auch bloß aus Bambus, der
billig und hübsch ist. Die Sitze der Sessel sind oft aus
Porzellan oder Marmor, welche Materialien für das
heiße Klima vortrefflich passen. In den Ecken stehen
Etageren, vier bis fünf Fuß hoch mit Fruchttellern oder
Korallenzweigen in Porzellanvasen oder Glasballons mit
Goldfischen. Auf kleinen Tischen finden sich ganz kleine
Landschaften mit Felsen und Blumen und kleinen
Tümpeln dargcstcllt. Von den Decken hängen vier
Ampeln an seidenen Schnüren herab.
So beschrieb Chambers, was er gesehen, und Eng-
land machte es nach, und Deutschland machte es Eng -
land nach. Die weitere Entwicklung von Chambers,
seine Reise nach Italien, sein Buch über Architektur be -
rührt uns hier nicht. Erwähnen müssen wir jedoch, daß
die Kronprinzessin von Wales ihn zu ihrem Architekten
für den Park ihres Palastes in Kew erwählte, und hier
war es, wo Chambers auf seine chinesische Liebhaberei
zurückging urrd neben den römischen Tempeln türkische
*) Erwähnt sei, daß bereits im Jahre 1743 J. Spence ein
Buch herausgegeben hatte: » particular account of the Em-
peror of Chinas garden ncar Peking, in a lettre frorn F. attired«
(eine Beschreibung des Gartens des Kaisers von China).
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Mosche und chinesische Türme errichtete. Berühmt
und h ...ich angestannt ist seine Pagode.
Suiir interessant ist es nun zu sehen, daß an dem
»werten, beispiellosen Erfolge des Chippendal-
:.cLuii Möbelsriles, welcher, obwohl mit keinem klassi -
schen Stil im entferntesten zu vergleichen und den fran -
zösischen Stilen nicht ebenbürtig, und zudem in sich
selbst der Originalität entbehrend, trotzdem sozusagen
die Welt im Siegeszug eroberte und seit zehn Jahren aufs
neue in Mode gekommen ist, der geistige Ahnherr, Sir
William Chambers, insoweit unschuldig ist, als er von
dem chinesischen Geschmack, obwohl er ihn studierte
und kopierte, nicht viel hielt. Sir William hielt selbst den
chinesischen Geschmack für viel tiefer stehend, als den
antiken, und schrieb: »Die chinesischen Gebäude sind
Spielzeuge, und wie Spielzeuge manchmal wegen ihrer
Drolligkeit und Possierlichkeit, auch wohl wegen der
Güte ihrer Arbeit, in die Kuriositätenkabinette zugelassen
werden, so mag den chinesischen Gebäuden ein Platz
unter den W'erken vornehmerer Art immerhin gegönnt
werden. Im allgemeinen freilich paßt der chinesische Ge -
schmack nicht für Europa. Aber in großen Palästen und
Gärten mag man ja wohl ein paar kleine Zimmer in
chinesischem Geschmack einrichten.« Deshalb fügt Sir
William Zeichnungen chinesischer Möbel bei, die ihm
»außerordentlich schön und vernunftgemäß« vorge-
kommen sind und von denen er glaubt, daß sie den Tisch -
lern seiner Zeit nützlich sind.
Nun, um so schneller ward »China« die Losung, und
dem Hofe folgte das Volk. Der chinesische Stil wurde
Mode. Sommerhäuser wurden im chinesischen Archi -
tekturstil und die Zimmer im chinesischen Innenstil ein -
gerichtet. Chippendale, Johnson, Clark, Sheraton sorgten
dafür, daß das englische Haus ein europäisches China
im kleinen wurde. Chambers wurde Mitglied der Aka -
demie, Ritter (Knight) und gab im Jahre 1772 noch eine
Dissertation über die chinesische Gartenkunst heraus.
Im Jahre 1775 erbaute er Somerset House und darauf
später eine ganze Anzahl Paläste für den Adel. Er starb
im Jahre 1796 und liegt in der Westminsterabtci neben
den Größten der Nation begraben. Er hat als der geistige
Inaugurator des Chippcndalestiles zu gelten, mag dieser
letztere nun ein Segen oder ein Fluch sein.
Gur litt*) urteilt über Chambers: »Von dem Sinn
für das Volkstümliche angeregt, verstand es Chambers,
ungleich tiefer in das Wesen der chinesischen Kunst ein -
zudringen, als es etwa die französischen Rokokomeister
taten. Ihm war es ernst um die Hingabe an die fremde
Denkart, er suchte nach den Grundsätzen, nach ihrem
innersten Wesen.«
Chambers also beschenkte England mit China. Aber
der Chippendalestil ist eine Mischung des chinesischen
und des französischen Rokokostiles. Dazu etwas Gotik
und ein ganz klein wenig nationales England. Was den
Einfluß des französischen Rokoko betrifft, so wolle man
bedenken, daß ja in Frankreich selbst der chinesische
Stil Eingang gefunden hatte, so daß man mit Geymüller
von einer chinesischen Affen- und Palmbaummode als
Sonderart des französischen Rokokostiles sprechen
kann. In der Tat wurde damals in England Frankreich
ebensosehr als China Mode. Wer mitsprechen wollte,
mußte »abroad« gewesen sein darunter aber verstand
man damals nächst Italien vorzugsweise Frankreich.
Folgerichtig übertrug sich auch der französische
Innendekorationsstil nach England und obwohl es nicht
an warnenden Stimmen fehlte, nahmen die englischen
Möbel schnell vom Stil Louis XIV. und Louis XV. die
*) »Geschichte des Barockstiles in England«, S. 402.
Vorbilder. Isaac Ware schrieb zwar: »Wie unglücklich,
daß wir heute in unserer Innendekoration jene bizarren
Formen, ineinander und zusammengehend, sehen müssen,
welche an die Stelle griechischer und römischer Ele -
ganz treten, selbst in der vornehmsten Dekoration. Man
nennt sie französisch. Mag man sie immerhin rühmen.
Der gotische und chinesische Stil stehen weder über
noch unter ihnen in Armut der Phantasie.« Isaac Ware
nämlich gehörte zu jenen Architekten, welche noch da -
mals in England klassischen Tendenzen huldigten (Queen
Anne Stil). Aber mehr und mehr wurde Louis Quatorze,
Louis Quinze und Chippendale Mode.
Hiezu kam die Gotik, die in England bis zum heutigen
Tage eigentlich immer modern geblieben ist. Jeder Stil
hat sich in England etwas von der Gotik genommen.
Chippendale geht darin soweit, daß er einige Möbel aus -
drücklich im gotischen Stil entwirft. Welcher Art dieser
gotische Stil war, darauf kommen wir noch zurück.
Einstweilen wollen wir, bevor wir an die Betrachtung
der einzelnen Chippendaleschen Möbelformen gehen, den
Mann, der diesen Stil kreierte, ins Auge fassen.
Themas Chippendale, »Uphclsterer«. stammte aus
einer alten Tischlerfamilie. Sein Vater hatte sich durch
seine geschnitzten Bilderrahmen und Spiegel einen
Namen gemacht. Die Daten der Geburt und des Todes
Chippendales sind merkwürdigerweise verloren ge -
gangen. Er war geboren in der Provinz Worcestershire.
Seine Werkstatt und Wohnung befanden sich in der
Straße St. Martins Laue, damals eine Kunstgegend. Hier
hatte der berühmteste englische Anekdoten- und Sitten -
bildmaler H o g a r t h in Thornhilles Atelier studiert und
hier entstand die Kunstakademie.
Die erste Auflage seines Werkes erschien, wie er -
wähnt, im Jahre 1754, die zweite 1759, die dritte
1762. Das Buch kostete dabei nicht weniger als 3)4 Gui -
neen, das ist 73 Mk. 50 Pf. Das Format war Folio, die
Anzahl der Platten betrug 160. Die erste Auflage war
dem Prinzen William Henry gewidmet. Die Sub -
skribenten setzten sich aus Personen des Adels wie der
Zunft zusammen.-
Ein bedeutendes Maß von Selbstgefühl scheint dein
großen Meister Thomas innegewohnt zu haben. Denn
an der Stelle, wo er von Louis Quatorze Ornament
spricht, und den Stühlen, die er in diesem Stil entwarf,
sagt er von den letzteren: »Sie sind die besten, die ich
je gesehen habe (vielleicht auch je gemacht worden
sind).« Nun, sicherlich, unsere heutigen Herren Tischler -
meister wären einer derartigen Emphase von Selbstlob
ganz und gar unfähig. Wer wollte wohl daran zweifeln?
Und an einer anderen Stelle wendet sich Chippen -
dale an diejenigen Kollegen, die ihm seine besten Ideen
wegschnappen (auch so etwas kommt in unserer honetten
Zeit nicht mehr vor), mit den Worten: »Einige der Pro -
fession sind klug genug gewesen, meine Zeichnungen,
namentlich diejenigen im gotischen und chinesischen Stil
nachzumachen, um sie von einem xbeliebigen Mechani -
ker ausführen zu lassen. Ich trage kein Bedenken, dies
auf Rechnung von Bosheit, Unwissenheit und Unfähigkeit
zu setzen. Und ich bin meinerseits sicher und kann alle
vornehmen Herren davon überzeugen, daß jede Zeich -
nung des Buches verbessert werden kann, sowohl was
Schönheit, als was Reichtum der Ausführung anbetrifft,
von Ihrem ehrerbietigsten Diener Thomas Chippen -
dale.«
Man sieht: nichts von Schlauheit und Geschäfts -
klugheit wohnte diesem geschickten Tischler inne. Er
hatte es nicht auf den Geldbeutel der Leute abgesehen.
Er war ein Idealist, wie heute noch alle Tischler von Ruf
Idealisten sind. Wer wollte es leugnen?
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Aber genug davon. Chippendale ging in seiner be -
rechnenden Schlauheit so weit, daß er zu Anfang des
Buches, das im Grunde nichts als ein Musterkatalog der
Firma Chippendale war, sich auf den akademischen
Kothurn stellt und die klassischen Säulenordnungen be -
schreibt und erklärt. Damit man es nur wisse, Chippen -
dale war nicht nur ein Tischler, sondern Architekt, oder
war als Tischler so groß, weil er die Architektur ver -
stand. Aber wahrhaftig, in seiner ganzen Möbelsamm -
lung findet man von der hohen Architektur nichts, nichts,
nichts. Und von Tafel IX seines Werkes an hat er für
immer und ewig die Architektur verlassen, und nirgends
spürt man einen hiauch davon. Mundus vult decipi. So
dachte ein großer Tischler damals. Und er »fing« damit
jene vornehmen Leute, welche dem Klassizismus an -
hingen und deren künstlerisches Glaubensbekenntnis mit
der Säulenordnung anfing und endigte.
Doch wir wollen nunmehr auf die Art, wie Chippen -
dale den chinesischen, gotischen und Rokokostil in sich
aufnahm, eingehen. Gemeinsam ist allen diesen drei
Stilen die Vorliebe für durchbrochene Arbeit, die Auf -
lösung der plastischen Massen in dekorative Linien. Sie
alle drei lösen die Fläche auf und sie lösen die Masse auf.
An die Stelle tritt die dekorative Linie, das Stabwerk
und Rahmenwerk! Dieses allen drei Stilen gemeinsame
Prinzip entlieh ihnen Chippendale und machte daraus
einen Stil.
Auch hiebei zeigte sich seine Klugheit. Mode war
China, Louis XV. und die Gotik. Mode wurde Chippen -
dale, das heißt, die Mischung der vorgenannten drei Stil -
arten. Englisches spürt man dabei so gut wie nichts. Es
müßte denn sein, daß das Moment der Verbindung dieser
drei Stile und das ihnen Gemeinsame etwas spezifisch
Englisches war, also eine gewisse unsolide Dürftigkeit
der Form, eine schlecht anstehende, ungraziöse und un-
französische Eleganz.
Wenn Chippendale der Gotik die Formen entlieh,
wandte er sich nicht etwa an die Frühgotik, sondern an
die Spätgotik. Der Flamboyant- und Fischblasenstil war
es, der ihm für seine Zwecke nützlich erschien. Wie ge -
sagt, allein der durchbrochenen Arbeit wegen bevorzugte
er die Gotik. Denn man war der schweren Monumentali -
tät satt und wollte chinesisch-spielendc Leichtigkeit. Und
dies war es eben auch, was ihn beim chinesischen Stil
anzog. Man sehe sich nur die chinesischen Möbel in dem
erwähnten Werke von Sir Chambers an. Man findet da
vorzugsweise jene iri durchbrochener Arbeit aus Bam -
busrohr gefertigten, wie »Gartenmöbel« uns anmutenden
Stühle, Tische und Bänke. Und mit ganz geringen Ab -
weichungen findet man dieselben wieder in Chippendales
Musterkatalog. Er ist sogar ehrlich genug, darunter zu
setzen: »Chinesischer Stuhl« oder »Chinesischer Tisch«.
Und nicht immer versteht er die im Material begründete
Leichtigkeit des chinesischen Möbels recht. Tadellos ent -
worfen ist zwar sein chinesischer Tisch, im Besitz E. H.
Talbots (siehe Clouston, S. 51), und der bei Clouston,
S. 49, abgebildete Tisch. Aber oft, namentlich bei den
Stühlen, ist der Aufbau noch zu kompakt und nicht
graziös genug.
Was nahm nun Chippendale vom französischen Ro -
koko? In der Hauptsache das Ornament. Für die gotisch -
chinesischen Formen bedurfte er eines modern-europäi -
schen Ornamentes, das sich für die durchbrochene Arbeit
eignete, und er fand dieses im C cfT J 7 , ?, und J>~ und
im Muschel- und Ohrmuschelmotiv des französischen
Rokoko. Und hier beginnt nun die Mischung. Er baut
chinesische Stühle in durchbrochener Arbeit und bringt
an den Ecken Rokaillemotive an. Er scheut sich nicht,
gotische Spitzbogenformen mit Ohrmuschelformen zu
vermischen und letztere an erstere anzusetzen. Wahr -
haftig, ein C o m p o s i t e s t i 1 des Möbels, wie es ihn
in der ganzen Geschichte des Möbels nur einmal gegeben
hat! Und nur in einem in künstlerischen Dingen oft so
dilettantisch empfindenden Lande, wie in England, war
dies möglich. In jedem anderen Lande wäre er ausgelacht
worden — wobei man allerdings nicht vergessen wolle,
daß auch wir später sehr viel von Chippendale herüber -
genommen haben, wie ein flüchtiger Blick auf die Salon -
möbel um die Wende des neuen Jahrhunderts lehrt. Und
wer weiß, was noch kommt! Für ungraziöse Eleganz
sind stets Parvenüs vorhanden!
Man hatte Chippendale mit dem englischen Maler
Reynolds zusammen gestellt. Besser aber paßte er
zu G a i n s b o r o u gh, dessen Porträts mit der Innen -
einrichtung Chippendales aufs beste harmonierten. Ein
Bild, wie »Der blaue Knabe« (im Grosvenor House),
scheint für die Innendekoration ä la Chippendale gemalt
zu sein. Wie Watteau und Boucher das französische
Rokoko in der Malerei repräsentieren, so Gainsborough
das englische.
Wo war nun das England der Elisabeth-Zeit hin,
das kaum die Stühle dem Namen nach kannte, das Solidi -
tät, Größe für etwas Selbstverständliches hielt? Welche
Veränderung mußte in Kultur und Sitte mit diesem Volke
vor sich gegangen sein, daß es sich jetzt an chinesischen
Bambusmöbeln begeistern konnte? Die Erklärung gibt
zum Teil folgendes: Das Elisabeth-Zeitalter war ein
Zeitalter des Mannes und brachte männliche Kraft zur
Auslösung. Das Zeitalter Chippendales war weiblich und
weichlich. Der Chippendalestil ist feminin, aber nicht in
dem höheren Sinne des französischen Rokoko. Zugleich
aber ist er ausgesprochen bürgerlich. Darin liegt eine
wesentliche Ursache für die große Verbreitung, die er
gefunden hat. Chippendales Zeit war die
erste bürgerliche Epoche Englands. Sein
Wirken und Schaffen fiel mitten in dasjenige des kriti -
schen Philosophen H u m e, des moralisierenden Malers
des bürgerlichen Lebens H o g a r t h, des Herausgebers
moralisierender Zeitschriften Samuel Johnson, des
Familienromanschriftstellers Oliver G o 1 d s m i t h, wie
der bekannten Lady Montagu W o r 11 e y, die lange im
Orient gelebt hatte und dann in England die bedeutend -
sten Schriftsteller um sich versammelte. Und da Chip -
pendale den französischen Rokokostil seiner besonderen
Vorliebe würdigte, müssen wir in diesem Zusammen -
hang auch an die engen Beziehungen der englischen und
französischen Aufklärungsphilosophie erinnern.
Wir erwähnten schon am Eingang dieses Artikels,
daß das Chippendalemöbel mit dem Material, aus dem
es gemacht ist, steht und fällt. Und dies ist vielleicht
noch die beste Seite dieser Möbel. Sie tun dem Materiale
keinen Zwang an, ihr Stil scheint dem Materiale in -
härent zu sein. Dieses Materiale ist, wie gesagt, Maha-
g o n i. Die Geschichte der Einführung dieses Holzes nach
Europa muß hier kurz berührt werden. In früherer Zeit
wurde in England ausschließlich Eiche und Nußbaum
verwandt, Mahagoni wurde allgemein erst angewendet
seit 1720. Das Verdienst der Entdeckung allein fällt Sir
Walter Raleigh zu. Ein Kapitän aus Westindien aber
sandte einige Stücke davon seinem Bruder, einem
Dr. Gibbon, welcher sie als ein medizinisches
Substrat für Chinarinde gebrauchte. Da er nun
einmal mehr hatte, als er brauchte, wollte er
damit bauen lassen. Die Zimmerleute weigerten
sich aber und hielten das Holz für ihre Zwecke
für zu hart. Der Doktor wollte alsdann 'wenigstens eine
Lichtlade daraus gemacht haben und bestand auch dar -
auf. Als diese fertig war, wurde, sie so angestaunt, daß
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rnan ein Sehreibbureau aus demselben Holz anfertigen
ließ und »ganz London kam, um es zu sehen«.’') In der
bekannten Zeitschrift »The Art Journal« gab G. T. Ro -
binson der Ansicht Ausdruck, daß jene Lichtlade aus
Mahagoniholz die ganze englische Möbelindustrie revo -
lutioniert hatte. Und er hat so recht, daß man sagen kann,
die Einführung jener ersten Mahagoni -
hölzer revolutionierte die europäische
Möbelindustrie, die aber allerdings zugleich nun
ein orientalisches Gepräge erhielt. Mahagoni ist einer -
seits hart, zähe und dauerhaft und widerstandsfähig
gegen Temperaturwechsel, andererseits leicht und von
delikatem und elegantem Aeußern. Jene leichte, durch -
brochene Möbelarbeit, wie sie Chippendale durch eine
Mischung des chinesischen und gotischen Stiles er -
strebte, war im Grunde gedacht für Bambus. Bambus
aber konnte natürlich für Europa nicht in Betracht kom -
men. Auch steht es an Eleganz der äußeren Erscheinung
dem Mahagoni weit nach. Nächst dem Bambus aber bot
für die konstruktiven Bedingungen jenes Stiles das
Mahagoniholz die günstigsten Voraussetzungen. Und
Chippendale verstand vortrefflich, es zu behandeln und
gab sich Mühe, die schönsten Stämme auszusuchen, denn
wohlverstanden, die Wälder dieses Holzes, die damals
noch zur Verfügung standen, sind heute verschwunden.
Die Behandlung des Mahagonis nun seitens Chip
pendales ist eine einfache. Hin und wieder vergoldete er,
oder wandte Messingornamente an, oder lackierte, aber
im allgemeinen ließ er das Holz wie es war und be -
handelte es als Tischler und zweifellos in vorzüglicher
Werkarbeit.
In England werden Chippendales Verdienste häufig
überschätzt. Daß er den Reichtum des englischen Zim -
mers an Möbeln erst schuf, kann nicht geleugnet werden.
Denn vor ihm sah man in einem englischen Zimmer
nicht Möbel, abgesehen etwa von einem Armstuhl für
die Herrin des Hauses. Er aber führte vor allem eine
außerordentlich große Varietät von Stühlen ein — Vor -
aussetzung war hiebei gewesen, daß man in England von
dem System der großen Hallen und Säle zu dem Ge -
schmack der kleineren Zimmer und Alkoven überge -
gangen war — dann allerhand Schränke (Kommoden -
schrank, Kleiderschrank, Bücherschrank, Kabinett -
schrank, Toilettenschrank), dann den leichten Chinatisch
im Gegensatz zu dem früheren schweren »Sideboard«,
verschiedene Formen des Sofas, effektvolle Leuchter -
tische, Bureaus, Teetopfständer, Paravents, Toiletten -
tische, Rasiertische u. s. w; alle diese Möbelformen
kreierte er zwar nicht, aber führte sie nach England ein
und gewann sie für England.
Manchem sind seine Möbel zu schwer. Seine Nach -
folger, vor allem Sheraton, Johnson Hepple-
white gingen nämlich noch weiter als er, was Leich -
tigkeit betrifft. Aber tatsächlich wirken die vierkantigen
Füße mancher seiner in chinesischem Stil ausgeführten
Möbel etwas plump. Achnliches gilt selbst von vielen
seiner französischen Möbel, denen die echte Eleganz
und Grazie abgeht.
Aber, wie gesagt, rein als Tischlerarbeiten sind seine
Möbel sehr rühmenswert. Die Kunst des Furnierens hat
kaum einer so verstanden wie er. Die durchbrochene
Füllarbeit seiner Möbel besteht durchgängig aus mehr -
fachen Furnieren. Er wußte es schon, daß ein Fur -
nier das andere schützt. Je dünneres Holz er brauchte,
desto mehrfach furnierte er es, um seine Festigkeit zu
erhöhen.
*) Siehe Clouston a. o. W., S. 43.
Wir wollen nunmehr kurz auf die einzelnen Möbel -
formen Chippendales eingehen. Am häufigsten, wie ge -
sagt, sind Entwürfe von ihm für Stühle. Dieselben sind
entweder gotisch oder Louis XV. oder im Muschelstil.
Charakteristisch ist die Nachahmung von Bandmotiven
in der durchbrochenen Arbeit der Rückenlehne und die
dem Konstruktiven entsprechend starke Betonung der
Linie, in welcher die Lehne und der Sitz sich berühren,
wo naturgemäß die größte Belastung stattfindet. Die
Füße sind meistens im Louis Quinze oder Louis Qua-
torzestil gehalten, häufig unten mit Würfelansätzen ver -
sehen, die zum Stil wie die Faust zum Auge passen. Und
wir müssen es aussprechen, streng ästhetisch genom -
men sind die meisten seiner Stühle Geschmacklosig -
keiten, ebenso wie sie, stilkritisch beurteilt, nicht ernst
zu nehmen sind.
Etwas besser sind die dann folgenden Lehnstühle im
französischen Geschmack (»French Chairs«), einige nur
mit einer Armlehne. Wie er die Polsterung machte,
können wir heute leider nicht mehr sagen. Erwähnt sei
aber noch, daß Chippendale für den Sitz des Stuhles
häufig Marokkoleder verwandte.
Die »gotischen Lehnstühle« haben von der Gotik
nicht viel mehr als den Namen. In der durchbrochenen
Arbeit erinnern sie an China. Die Verbindungsstege
zeigen aber charakteristischerweise Rokokomotive. Die
dann folgenden chinesischen Stühle sind im Untergestell
plump. Die Sofas lehnen sich eng an den französischen
Geschmack an. Dasselbe gilt von den Betten. Aber frei -
lich wird der Rokokostil von ihm in etwas wilderWeise
verwandt. Er vermengt die Rokokomotive an einem und
demselben Möbel mit chinesischen und gotischen Mo -
tiven.
Was nun folgt, ist besser. Unter den Teetischen fin -
den sich viele graziöse und elegante Formen (vergleiche
besonders den bei Clouston, S. 51, abgebildeten). Auch
für seine Eßtische passen die beliebten schweren, vier -
kantigen Beine — eine Reminiszenz des Queen Anne
Stiles besser als für seine leichten Stühle.
Die dann folgenden Kommoden sind das Beste, was
Chippendale im französischen Stil entworfen hat, wenn
auch einige, wie z. B. Tafel 68 (bei W'asmuth) weniger
originell als wüst sind. Wir möchten überhaupt noch -
mals betonen, daß unserer Ansicht nach Chippendale ge -
rade die glänzendsten Seiten des französischen Rokoko
— die Auflösung des. Gewichtes durch die Auflösung der
Fläche und Masse in dekorative Linien und Kleinformen
— nicht nachgefühlt hat. Ihn scheint mehr das Chinesisch-
Bizarre und im allgemeinen Spielend-Leichte des Ro -
kokomöbels angezogen zu haben. Der Schritt von den
schweren Elisabeth und Queen Anne zum graziösen
Louis Quinze war ja auch zu groß.
Die Schreibtische und Bureaus bis zur Tafel 80 (ich
zitiere nach der Wasmuthschen Ausgabe) sind wieder
maßvoller und ansprechender. Die dann folgenden
Schreibtische könnten der Form nach von heute sein.
Unter den Bibliotheken finden sich einige recht
glücklich entworfene, wie Tafel 92 und 101. Bei den
Damentischen zeigt sich der mehrfach erwähnte Mangel
an echter Grazie.
Unter den Kabinetten sind diejenigen im chinesischen
Geschmack recht interessante Arbeiten. Offenbar paßt
diese durchbrochene Arbeit auch für hohe, vertikal sich
präsentierende Möbel besser als z. B. für den Stuhl. Er -
wähnt sei, daß die Manier, die Glasfenster am Möbel
durch in Mustern eingesetzte Leisten und Stege zu er -
setzen, wie sie heute wieder modern ist, von Chippen -
dale herrührt. Aber wir meinen nicht, daß diese Manier
eine sonderlich segensreiche ist. Denn die rein flächen-
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hafte Wirkung des Glasfensters wird auf diese Weise
zuschanden gemacht. Recht hübsch sind auch die Ka -
binettschränke (China Gases) auf Tafel 132 bis 137 in
strengerem chinesischen Geschmack, wie kleine aus
Bambus gebaute chinesische Tempel anmutend. Auch
unter den dann folgenden Etageren befindet sich man -
ches Reizende. Denn natürlich ist hier die durchbrochene
Arbeit ebensosehr am Platze, als sie es am Stuhl nicht
ist. Denn diese Etagere hängt an der Wand; das Rahmen -
werk ist mithin nicht konstruktiv. Beim Stuhl dagegen
ist beinahe alles konstruktiv.
Weiter folgen Torcheres (Leuchterständer) im fran -
zösischen Stil, Postamente, Vasenständer, Aquarien,
Laternen, Kronleuchter, Paravents, Teekisten, Büsten -
konsolen, Spiegel, Konsoltische, Girandolen, Kamm -
bauten, Bilderrahmen — alles dies im Kokaillestil.
Die Verherrlichung Mozarts.
Von Robert Eder (Mödling).
Auf Wunsch der verehrliehen Redaktion stelle ich
das in meinem Besitze befindliche Bild (Figur 1) zur
Verfügung. Unterhalb des Titels steht: »Erfunden und
gezeichnet von Jos. Führich. In Stahl gestochen von
Die Konzeption des Bildes ist dem religiösen Geiste
Führichs angemessen. Ein Engel mit der brennenden
Fackel und ein Genius des Ruhmes, den Lorbeerkranz
über das Haupt des Tondichters haltend, stehen an beiden
E. Schüler. Den Verehrern des unsterblichen Meisters
gewidmet vom Herausgeber. Druck d. K. V. in Carls-
ruhe.«
Das Blatt ist sehr selten und erschien auch nicht
anläßlich der letzten Gedenkfeier Mozarts in der Fülle
der in den diversen Zeitschriften reproduzierten
Bildnisse.
Seiten des Verherrlichten, der die Inspiration zu seinen
religiösen Musikwerken durch den neben ihm stehenden
Engel von der oberhalb im Dome musizierenden heiligen
Cacilia empfängt und in Noten bringt. Diese aber spielt
die Orgel, ihr Attribut, die nach Herders Dichtung, ein
Engel durch einen irdischen Künster habe anfertigen
lassen, damit sie durch die Töne derselben stets an die
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Musik c r Engel erinnert werde, wie dies obenan aut
dem Bilde zwei singende Engel zum Ausdruck bringen.
Rechts und links ziehen Engel den Vorhang zu und
verbergen auf der einen Seite den Schalknarren, auf der
anderen das Weib mit dem Liebespfeil. Im gleichen alle -
gorischen Sinne ist wohl auch das zu unterst abgebildete
üppige Weib mit dem Fischlcibe, das Tambourin
schlagend und die profane Musik darstellend, sowie
gegenüber der mit Ketten gefesselte Teufel, aufzufassen.
An den beiden Seiten der Umrahmung der Haupt -
darstellung finden sich Szenen aus Opern des Meisters:
Figaro und Susanne, Belmon und Constanze, König
Sarastro, die Königin der Nacht, Tamino und Pamina,
Papageno und Papagena und schließlich Don Juan.
Der untere Teil der Umrahmung ist mit musizierenden
Putten ausgefüllt.
Links von der heiligen Cäcilia bewegt sich im Dome
ein Trauerzug, sein letztes Werk, das Requiem versinn -
bildlichend.; rechts außerhalb des Domes musiziert ein
Familienkreis, bestehend aus dem Vater, den Söhnen
und der Tochter, und so das Fortbestehen der edlen
Geisteswerke Mozarts andeutend.
Unwillkürlich drängt es uns, das geschilderte Bild
mit Tilgners Mozart-Denkmal in Wien in Vergleich
zu ziehen. Professor Tilgner hat, wie mir dessen
Freund Professor S c h a r f f mitteilte, vor Ausführung des
Denkmals nach Bildern, die Mozart-Darstellungen
bringen, gefahndet, um das Gesicht Mozarts möglichst
porträtgetreu schaffen zu können. Der Künstler dürfte
wohl auch das vorliegende Blatt gekannt haben, und es
scheint, daß er bei dem Entwürfe zu seinem schönen
Werke, wenn auch unbewußt, einigermaßen von dem
Führichschen Bilde beeinflußt wurde. So sehen wir an
den beiden Seiten des Sockels, der das Standbild trägt,
Schwärme von Putten, dann vorne im Relief Szenen
aus Don Juan und rückwärts im Relief ebenfalls eine
Familienszene, den kleinen Mozart am Klavier, den Vater
geigend und seine Schwester singend. Vorne am Sockel
befindet sich unter anderen Emblemen auch ein Pfeil
angebracht. Bei Führich hält das Weib einen Pfeil.
Immerhin ist es von Interesse, zu sehen, wie ver -
schieden Führich und Tilgner die gestellte Aufgabe auf -
faßten, der eine im streng religiösen, der andere mehr im
weltlichen Sinne,
Chinesisches Kunstgewerbe.
Münsterbergs monumentales Werk über
chinesische Kunstgeschichte hat seinen Abschluß in einem
zweiten Bande erhalten, der kürzlich bei Paul N e f f
(Max Schreiber) in Eßlingen a. N. erschienen ist.*)
Fesselte der erste: Band durch seine geistreichen Be -
trachtungen über das Wesen der chinesischen Malerei,
über die Naturliebe der Chinesen und ihre Stinmmngs-
malerei, so wird man in diesem ein anziehendes Bild von
der Entwicklung des Kunstgewerbes bei den Chinesen
finden, das der Verfasser in jahrzehntelangem Studium
gründlich kennen gelernt hat. Ehe er auf die einzelnen
Formen des Kunstgewerbes eingeht, gibt Münsterberg in
einem »Allgemeines« überschriebenen Artikel eine
treffliche Charakteristik des Kunstgewerbcs, aus der wir
die markantesten Stellen hier folgen lassen: »Es ist,«
sagt er, »ein Gewohnheitsgesetz, in Ostasien,
daß für jeden Gegenstand Material und Stil wie zur
Zeit seiner ersten Einführung bei behalten bleibt;
natürlich gibt es auch Ausnahmen. Die erste Form wird
durch den Zufail der fremden Einflüsse und der ent -
standenen Bedürfnisse geschaffen, aber sobald sie fest -
steht, vererbt sich die Form und bleibt maßgebend für
Jahrtausende. Keine Laune der Mode kann eine ein -
greifende Aenderung hervorrufen. Material, Form und
Ornament wurden für jede Gruppe zu einem Kanon ge -
staltet, an dem wie an einem heiligen Vermächtnis der
Ahnen ebenso festgehalten wird, wie an der Vererbung
der Ahnen selbst.
Derartige Gewohnheiten sind, in begrenztem Um -
fange und oft lokal verschieden, auch in Europa nicht un -
bekannt. So trinken wir das Bier aus Zinn- und Stein-
krügen des Mittelalters, aber die Modegetränke des
18. Jahrhunderts, Tee, Schokolade und Kaffee aus dem
gerade damals erfundenen Porzellan, während in den
Ländern, in denen die Porzellanfabrikation erst später
*) Ghinesische Kunstgeschichte von Oskar Münster-
b e r g. Zweiter Band. Eßlingen. A. N. Paul Neff. (Max Schrei -
ber) 1912.
allgemeine Anwendung fand, wie in Rußland, Spanien
u. s. w. das Glas üblich wurde und blieb. Aber dies gilt
nicht als geheiligte Regel für Europa, sondern ist eine
freie Gewohnheit, die in einem Falle sich im Volke er -
hält, im anderen abgelöst wird; so trinkt man Bier nicht
nur aus Steingut und Zinn, sondern in moderner Zeit
auch aus Gläsern, die in Amerika und Frankreich, wo
das Bier eine neue Mode ist, fast ausschließlich gebraucht
werden. Dagegen würde den Chinesen eine Teetasse aus
Glas oder Eisen statt dem altgewohnten Steingut oder
Porzellan undenkbar sein.
Dieses alte Gesetz der Tradition ist so unabänder -
lich, daß umgekehrt aus dem angewendeten Material
der einzelnen Gebrauchsgegenstände häufig auf die Zeit
ihrer ersten Entstehung oder Einführung im
chinesischen Lande geschlossen werden kann. Zum Bei -
spiel Amulette, kaiserliche Siegel und kaiserliche
Zepter sind meist aus Stein, vorwiegend aus Jade, ge -
fertigt und ihre Anwendung weist dadurch in jene frühen
Zeiten hin, in denen der Stein das begehrteste Material
war. Auch die tönernen Gefäße für die Getränke der Ge -
selligkeit lassen ihre erste Anwendung in sehr alten
Zeiten erkennen. Wiederum die Opfergefäße, aus denen
später Räucherbecken und Vasen gestaltet wurden, die
runden Spiegel und gewisse buddhistische Kultgegen -
stände blieben stets aus Bronze gegossen, da sie in der
Bronzezeit in Aufnahme gekommen waren. Entstanden
durch die Entwicklung der Zeit neue Probleme und neue
Sitten, so wurden zu ihrer Befriedigung die inzwischen
neu entstandenen Techniken dienstbar gemacht.
Es entspricht dem uralten Kultus des Ahncnglaubeüs,
der Auffassung des Kaisers als den »Himmclssohn«, der
Wertschätzung der Werke des Konfuzius als kanonische
Bücher, der unveränderten Beibehaltung der alten
Bilderschrift — kurz, der ganzen Kultur Chinas, daß die
einzelnen Symbole dieser Kultur konserviert wurden wie
die Kultur selbst. So entstand in Ostasien nicht die Frage,
ob praktisch und billig, sondern ob durch die Tradition
geheiligt und den Vorschriften der Ahnen entsprechend.
Nr. 17
Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
Seite 263
Nicht nur der Gegenstand selbst, sondern auch das
Material, die Form und das Dekor erhielten symbolische
Bedeutung.
ebenso gilt wie für alle Gebiete des Kunstgewerbes.
Während die Architektur, anders als in Europa, gar
keinen Einfluß auf den Stil ausübte, hat die Malerei stets
Fig. 2. Räuchergefäß, 12. Jahrhundert.
Diese Auffassung schließt nicht etwa eine Stil -
änderung im Laufe der Zeiten aus; aber der Stil be -
rührt nicht die Auswahl des Materials oder der Grund-
Fig. 3. Deckelvasc, Mingzeit.
formen im Dekor und im Aufbau, sondern ausschließlich
die technische Durchführung. Es läßt sich an der groß -
zügigen Erfassung der Gesamtform oder an der
schärferen Ausarbeitung der Verzierungen oder an der
delikaten, aber kleinlichen Durchführung der Einzelheiten
eine Entwicklungsreihe feststellen, die für die Malerei
das grundlegende Schema für die Auffassung bei allen
Arbeiten des Kunstgewerbes in Asien gebildet und bildet
es heute noch. Die alten Werke wurden in immer neuer
Fig. 4. Porzellanplatte,
Uebersetzung der jeweiligen Zeitsprachc nachgeformt.
Es waren zeitgemäße, individuelle Wiederholungen, keine
rein mechanischen Nachbildungen.
Daneben scheinen zu allen Zeiten bis zur Neuzeit alte
Stücke auch direkt kopiert worden zu sein. Bei Bronzen
sind vielleicht auch Nachgiisse gefertigt, in denen das Ori -
ginal in der Gußform eingedrückt wurde. Besonders zu
gewissen Zeiten des Antiquitätensammelns — ganz wie
bei uns — sind direkte Nachahmungen der alten ge -
schätzten Originalarbeiten ausgeführt worden. Auch bei
diesen Stücken dürfen wir nicht von Fälschungen
sprechen, denn zum Beispiel in den japanischen Annalen
lesen wir wiederholt, daß Handwerkern ein Ehrentitel
verliehen wurde, weil sie eine chinesische Töpferei so
Seite 264
Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 17
vorzüglich nachgeformt hatten, daß man die Kopie nicht
vom Original unterscheiden konnte. Derartige .kunst -
volle Nachahmungen waren vielleicht, schwieriger und
zeitraubender herzustellen als die Originale selbst; sic
wurden daher als kostbare Seltenheiten diesen gleich -
wertig geschätzt. Wesentlich ist, daß solche Nachahmun -
gen nicht fabriksmäßig und nicht in geringwertigem
Material oder in schlechter Technik ausgeführt wurden;
die Arbeiten waren zwar keine Originale für den, der
eine Sammlung nach dem Alter der üegenstände anlegte,
aber für den Kunsthistoriker kann eine gute, dem Original
gleichwertige Einzelkopie denselben Wert wie das Ori -
ginal bedeuten.«
Vom Allgemeinen zum Besonderen übergehend, ver -
breitet sich Münsterberg dann in seiner anmutigen, frei
hinfließenden Schreibweise über die einzelnen Gattungen
des Kunstgewerbes, wobei er das reiche Material durch
eine Fülle ausgezeichneter Reproduktionen unterstützt.
Es sind nicht weniger als 23 farbige Kunstbeilagen und
675 Abbildungen im Text vorhanden.
Fig. 5. Schachfiguren.
Wir müssen uns aus Raumrücksichten leider ver -
sagen, des näheren auf die einzelnen Abschnitte des
Werkes, das wir Chinasammlern nicht genug empfehlen
können, einzugehen, hier sollen nur noch vier Abbildun -
gen kurz besprechen werden, die uns der Verlag Paul
Neff in entgegenkommender Weise zur Verfügung ge -
stellt hat.
Unsere Abbildung (Eig. 2) zeigt eine Bronze im
buddhistischen Stil. Es ist ein Räuchergefäß, das Schun-
sing auf dem Pferde mit Staatskappe und Glückszepter
in den Händen darstellt. Das interessante Stück, das aus
dem 12. Jahrhundert stammt, befindet sich in japani -
schem Privatbesitz.
Der Mingzeit gehört die mit stilisierten Figuren ge -
zierte Deckelvase aus blauweißem Porzellan an, die
Fig. 3 wiedergibt. Das Stück, heute im Besitze Pierpont
Morgans, befand sich in dem berühmten Porzellan -
haus, das Schah Ab bas der Große (1587—1629) er -
richtet hat, in dem nach S a r r e (Denkmäler persischer
Baukunst) noch heute auf dem Fußboden etwa 500 chine -
sische Porzellangefäße stehen, die sämtlich meist auf der
Außenseite den roten Stempel von Schah Abbas tragen.
Im Besitze des amerikanischen Milliardärs ist auch
die große Porzellanplatte (Fig. 4). Der Chinese der
Mandschuzeit wollte nicht durch den Rhythmus der
Linienführung, sondern durch die Fülle und Pracht der
Farben oder durch den erzählenden Inhalt des Darge -
stellten wirken. Deshalb wurden auf den zeitgenössi -
schen Blauweiß-Porzellanen ganze Bilderbücher der
Geschichte auf das zerbrechliche Material übertragen.
Auf unserer Figur trägt ein Mensch mit grüner Maske
auf dem Rücken die Legende von der Abdankung der
Kaiserin Leyung aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, in den
Wolken sicht man Konfuzius, im Hause den Kaiser am
Tische; der Rand ist mit Blumen und ausgesparten Vogel-
mcdaillons geziert.
Interessant ist die Feststellung des Verfassers, daß
die bisher bekannten chinesischen Elfenbeinarbei -
ten den letzten Jahrhunderten angehören. Lackarbeiten
und Holzgeräte aller Art sind häufig mit Elfenbeinein -
lagen, gefärbt oder in Naturfarbe, geziert und desgleichen
ist die Verwendung geschnitzter Schmuckstücke beibe-
halten. In europäischen Sammlungen sind viele Ternpel-
modelle, die in raffinierter Technik aus geschnitztem
Elfenbein zusammengesetzt sind. Zur Zeit, als die Minia -
turgärten und -Bäumchen aus Stein in Mode kamen, sind
auch derartige Architekturen in Elfenbein hergestellt
worden und zierten den Kaiserpalast in Peking. Wahr -
scheinlich sind die erhaltenen Stücke nur Exportarbeiten
für den europäischen Markt. Die Engländer eroberten im
Kriege ein Schiff, das derartige Elfenbeinpaläste als Ge -
schenk des Kaisers von China an Josefine, die Gemahlin
des Konsuls Bonaparte, brachte. Als 1802 die angebotene
Auslieferung an Napoleon abgelehnt wurde, kamen sie in
das Londoner Museum. Künstlerisch sind die Schnitze -
reien ziemlich wertlos, es sind mühselige Geduldsarbeiten
einer raffinierten Technik, die einen gewissen ethno -
graphischen Wert besitzen. Es ist wohl anzunehmen, daß
die großen Elfenbeinlandschaften mit Bergen, Tempeln
und Palästen, die im Kaiserpalast aufgestellt waren, in
Komposition und Ausarbeitung eine künstlerische Voll -
endung dieses bizarren Rokokostiles aufgewiesen haben.
Kanton war und ist der Haupthafen für die Ein -
fuhr des südasiatischen Elfenbeines und andererseits der
Hauptfabrikationsplatz für die Schnitzereien. Dort be -
steht seit Jahrhunderten ein umfangreiches Export -
geschäft für den westlichen Markt. Ein besonderer Ar -
tikel sind die »chinesischen Schachfiguren«. Seit
über 100 Jahren finden sie sich in Europa weit verbreitet
und gelten als typische chinesische Arbeiten. Chinesisch
ist aber daran nur die meist sehr mangelhafte Hand -
werkerschnitzerei nach den alten Grabfiguren der Ming -
zeit. Verhältnismäßig seltene Stücke weisen, wie bei un -
serer Abbildung (Fig. 5) bei dem weißen König die miß -
verstandene europäische Tracht aus dem Anfang des
19. Jahrhunderts auf Die Königinnen und die roten
Figuren sind in chinesischem Stil. (Die hier vorgeführten
Figuren stammen aus der Sammlung Bodenheimer
in Amsterdam.)
Schach, bemerkt Dr. Münsterberg, wird in China
nur mit einfachen Steinen gespielt, auf denen die Bezeich -
nungen geschrieben stehen. Als ich kürzlich einem
Chinesen derartige Figuren zeigte, bestritt er ganz ent -
schieden, daß sie chinesisch seien und erklärte sie als
europäische Arbeiten im Stile der Chinoiserie. So un -
chinesisch erscheint dem Chinesen diese Exportarbeit,
die als echt chinesisch in Museen und Sammlungen
Europas zu finden ist.
Nr. 17
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 265
: ' ' i
Der Handschriftenkatalog der Wiener Hofbibliothek.
Ueber die handschriftlichen Neuerwerbungen der Wiener
Hofbibliothek berichtet Dr. Franz Schöchner in der »Wiener
Abendpost«:
Von den im Jahre 1864 begonnenen »Tabulae codicurn
manu scriptorum«, dem gedruckten Handschriftenkataloge der
Hofbibliothek, ist nun der elfte Band erschienen, die letzten
handschriftlichen Neuerwerbungen enthaltend. Dieses Mal ist,
wie es in ähnlichen französischen und englischen Katalogen
üblich geworden, die Indexform gewählt, wodurch, dem Stoffe
entsprechend, eine leichtere Uebersicht erzielt werden konnte.
Aus dein Katalog ergibt sich, daß es den Bemühungen des
Direktors der Hofbibliothek, Dr. Ritter v. Karabacek, ge -
lungen ist, dem Institut neue wertvolle Schätze zuzuführen,
wofür ihm der Dank aller Gebildeten gesichert ist.
Aus dieser Sammlung sind vorerst die Prachtwerke zu
erwähnen: »Quinque alphabeta ex variis figuris contexta in
usum artificium«, die Faksimilia der Handschriften berühmter
königlicher Häupter des 15. und 16. Jahrhunderts, die »Ima -
gines Sanetorum utriusque sexus, qui ad ill. Dornum Austria-
cam et Habsburgicam iure sanguinis vcl matrimonii pertinent«,
die wertvolle Handschrift der Berichte des Ferdinand C o r te z
aus Mexiko an Kaiser Karl V., ein Geschenk Sr. Majestät
des Kaisers an Allerhöchstseinen Bruder Maximilian
Kaiser von Mexiko, die später von einem Getreuen wieder
nach Wien gebracht wurde, ein Album mit Handzeichnungen,
datiert aus dem Jahre 1643, von dem Miniaturenkünstler
Ander! Urbanicz, Hofzwerg Kaiser Ferdinand III. Für
Wien und Oesterreich sind von Wert die Sammlung von
Grabschriften auf dem Friedhofe zu Neulerchenfeld (15971,
Urbarbücher von Salzburg, St. Pölten und Troppau, die
Briefe und Aktenstücke aus der Lacroix-Sammlung zur Ge -
schichte des Jahres 1848 in drei Abteilungen, enthaltend Oester -
reich, Lombatdei und Venedig, Ungarn und Siebenbürgen.
Von berühmten Männern finden wir die Briefe des Grafen L.
Khevenhiiller an Kaiser Karl VI. aus den Jahren 1735
und 1736 sowie eine ausführliche Beschreibung der Reise des
Grafen Rüdiger von Starhemberg durch Deutschland,
Frankreich und die Schweiz. Den größten Teil der Sammlung
nehmen dramatische Werke ein von österreichischen und
Wiener Autoren, die einen Einblick in das Theaterrepertoire
eines ganzen Jahrhunderts gewähren, eine fast lückenlose
Sammlung von Volksstücken, die zutn größten Teil unge -
druckt sind, daher eine Fundgrube für österreichische
Volksdichtung bilden. Darunter befindet sich auch der gesamte
literarische Nachlaß des Freiherrn Eligius von M ii n c h-
Sellinghausen (Halm).
Ein sehr interessantes Manuskript ist das Tagebuch des
Schauspielers Karl Heinrich B u t e n o p, das in zwei Bänden
dessen Kreuz- und Querfahrten in Deutschland von seinem
24. bis 86. Lebensjahre (13. Mai 1776 bis 21. April 1838) er -
zählt und von dem Schauspielerleben der damaligen Zeit ein
deutliches Bild gibt. Butenop, später Schwiegervater des be
rühmten Anschütz, erreichte ein Alter von 91 Jahren und
starb am 22. Februar 1843. Noch ausführlicher ist das Tage -
buch Josef Karl Rosenbaums. Dieser, ursprünglich fürstlich
Estcrhäzyscher Oekonomiebearnter, schrieb seine Erinne -
rungen von den Jahren 1797 bis 1829; sie enthalten eine Fülle
von Notizen über Theaterstücke und Personen, die damals im
geistigen Leben Wiens eine Rolle gespielt, und dienen jedem,
der über das Theater-, Konzert- und Musikwesen jenes Zeit -
raumes schreibt, als wichtige Quelle.
Ein Kalender mit Tagebuchbemerkungen »für meinen
Schreibkasten« ist von der Hofschauspielerin Sophie Müller
und zeigt ein echtes Künstlergemüt. Einen anderen Reiz bieten
Stammbücher, deren die Neuerwerbungen auch mehrere um -
fassen. Da finden wir zum Beispiel ein Stammbuch des Violin -
virtuosen und späteren Orchesterdirektors am Theater an der
Wien Franz Josef Clement, der schon mit acht Jahren Kon -
zerte in Deutschland, Holland und London gab. In dieses
Buch schrieb Beethoven: »Wandte fort den Weg, den Du
bisher so schön, so herrlich betreten. Natur und Kunst wett -
eifern, Dich zu einem der größten Künstler zu machen, folge
Beiden und Du wirst nicht fürchten, das große — größte Ziel
nicht zu erreichen, das einem Künstler hinieden möglich ist.
Sey glücklich, lieber Junge, und komme bald, daß ich Dein
liebes, herrliches Spiel wieder höre.« Ein anderes Stamm- und
Gesellenbuch mit vielen schönen Sprüchen trägt die Jahres -
zahl 1579 lind ward in Frankfurt gefunden.
Ein ganz eigentümlicher Literaturzweig war vor zwei
Jahrhunderten entstanden, die geschriebene Zeitung, hervor-
gcruten durch das in der Bevölkerung Wiens erwachte Be -
dürfnis, sich über die politischen und Tagesereignisse zu in
formieren. Diese geschriebenen Blätter gingen von Hand zu
Hand, unterlagen keiner Konzession, keinem Privilegium,
keiner Zensur. Trotzdem die Regierung sie mit aller Strenge
verfolgte, konnten sie nicht ganz Unterdrückt werden, son -
dern erhielten sich über ein Jahrhundert lang. Es wäre kaum
möglich, sich von einer solchen Zeitung einen Begriff zu
machen, wenn sich nicht ein solches Exemplar bis auf unsere
Tage erhalten hätte, als wahrscheinlich einziges Zeugnis dieser
journalistischen Spezies. Die Hofbibliothek erwarb nun drei
komplette Jahrgänge einer geschriebenen Zeitung, umfassen i
den Zeitraum vom 1. März 1791 bis 19. Dezember 1793, die
Regierungszeit Kaiser Leopold II. und das erste Regierungs -
jahr Kaiser Franz’. Dieses Journal führte den Titel: »Der
heimliche Botschafter.« *) Jede der zweimal wöchentlich,
Dienstag und Freitag, erscheinenden Nummern umfaßte vier
Seiten in Kleinquart, das Abonnement betrug monatlich zwei
Gulden. Diese Blätter wurden in Briefen durch die Post be -
fördert oder lagen in den Kaffeehäusern auf, als Herausgeber
nannte sich Franz Staudinger, dessen »Kontor« sich anfangs
am Spittelberg Nr. 50 befand, später ins Wintergäßchen (bei
der kleinen Laudskron Nr. 654) verlegt wurde. Es dürfte in
tausend Exemplaren verbreitet gewesen sein. Das Blatt, das
manche interessante Beiträge zur Lokalchronik Wiens enthält
und viele unbekannte Details bringt, blieb nicht auf Wien be -
schränkt, es wurde auch ins Ausland verschickt und besonders
in Deutschland abgedruckt, wo man sich aus diesen Notizen
ein Urteil über Wien bildete, das freilich oft genug recht un -
günstig ausfiel.
*) Der Verfasser müßte wissen, daß die Hofbibliothek
nicht erst jetzt dieses geschriebene Journal erworben hat. Der
Herausgeber dieses Blattes konnte bereits vor einigen Jahren
(siehe »Neues Wiener Journal« vom 25. Dezember 1906) Aus -
züge aus dem Exemplar der Hofbibliothek veröffentlichen.
Uebrigens ist auch ein Exemplar des »Heimlichen Botschafter«
aus dem Nachlasse des Wiener Dechanten und Schriftstellers
Dr. Albert Wiesinger in den Besitz der Wiener Stadt-
bibtiothek übergegangen. Der Vorbesitzer des Wiesingerschen
Exemplares dürfte Adolf Bäuerle gewesen sein.
Anm. des Herausgebers.
Seite 266
Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 17
Ex epistulis.
Von Josef Mayer (Hohenaschau).
Infolge des ständig wachsenden Wohlstandes macht
sich bei uns in Deutschland der Wunsch und das Be -
streben geltend, bei allem, was das äußere Leben schön
und angenehm macht, in höherem Maße als bisher die
Kunst sich dienstbar zu machen. Vieles gewinnt ja durch
sie erst Leben und Farbe und Sinn. Bei der unbestreit -
bar hohen Bedeutung des schriftlichen Verkehres, der
mit der Vermehrung und Vervollkommnung unserer Ver -
kehrsmittel eine ungeahnte Höhe erreicht hat und weiter -
hin noch mächtig im Steigen begriffen ist, nimmt es des -
halb einigermaßen wunder, daß von den tausenderlei
Deformen in unseren Einrichtungen durch das moderne
Kunstgewerbe das Briefpapier bisher ausgeschlossen
blieb.
Schon ein flüchtiger Blick in die alten Handschriften
unserer Museen zeigt uns, wie gedankenarm und phan -
tasielos unsere sonst so anspruchsvoll und formenfreudig
sich gebärdende Zeit gerade auf diesem Gebiete ist. So -
wohl Material wie Ausstattung der Handschriften iiber-
tieffcn weit alles, was unser heutiger Briefschmuck auf -
weist. Ich erinnere nur an das oft wochenlange Arbeit
beanspruchende Zieren der in den mittelalterlichen Hand -
schriften enthaltenen Initialen mit prächtigen Malereien
in Farben und Gold. Dazu kam dann noch der Aufdruck
eines Siegels gleichsam zur Bekräftigung und Fürecht -
erklärung des schriftlich Niedergelegten. Die Anwen -
dung des Siegels in gewöhnlichen Privatbriefen ist
heutigen Tages wegen der allgemeinen Nichtbeachtung
ungekrönter Siegel fast ganz in Wegfall gekommen. Ein
Ersatz hiefür war bis in die letzte Zeit nicht gefunden.
So ist es leicht erklärlich, weshalb die erst kürzlich
erfolgte Einführung eines neuen Briefschmuckes, der an
Stelle eines Wappens oder aber auch in Verbindung mit
einem solchen als bleibendes Abzeichen der Briefe einer
bestimmten Person gedacht ist, des »E x e p i s t u 1 i s«,
in verhältnismäßig kurzer Zeit schon vielen Anklang ge -
funden hat. Die Sitte des »Ex epistulis« ist eine Ueber-
tragung der »Ex libris« in den Briefverkehr.
Das »Ex epistulis« soll einen dreifachen Zweck er -
füllen. In erster Linie soll das »Ex epistulis« behilflich
sein, den Namen des Briefschreibers zij enträtseln — eine
oft recht schätzenswerte Hilfe, wenn man an die fast
allgemein zur Mode gewordene Unsitte denkt, so un -
leserlich wie möglich zu unterschreiben.
Das moderne »Ex epistulis« soll zweitens dazu
dienen, diese Bezeichnung des Namens statt durch nüch -
terne Buchstaben allein in künstlerischer Aufmachung,
in Verbindung mit einer hübschen Zeichnung u. s. w. dar -
zustellen. Wer schon ein »Ex libris« besitzt, kann dessen
Verkleinerung nach Abänderung der Worte »Ex libris«
vielfach als »Ex epistulis« benützen. Dies gilt besonders
von »Ex libris« heraldischer, symbolischer oder allegori -
scher Art (analog den redenden Wappen). Daneben dürf -
ten auch ornamentale »Ex epistulis« sowie solche mit
landschaftlichen Darstellungen Liebhaber finden. Auf
diese Weise kann ein äußerst fruchtbarer und sinniger
Austausch erfolgen von Millionen zählenden Kunst -
werken en miniature, da die »Ex epistulis« in allen
Kulturstaaten Eingang gefunden haben.
Der Hauptwert aber der »Ex epistulis« besteht darin,
daß durch den in der Zeichnung enthaltenen Hinweis auf
den Beruf, den Namen, auf Charaktereigenschaften und
Liebhabereien des Briefschreibers der Brief nicht allein
künstlerisch wertvoller, sondern auch individueller, per -
sönlicher, redender wird. Wie interessant verspricht es
zu werden, den Beziehungen nachzuspüren, die zwischen
dem »Ex epistulis« und seinem Inhaber bestehen, nament -
lich wenn es sich um das »Ex epistulis« eines Freundes,
eines lieben Bekannten oder einer hervorragenden Per -
sönlichkeit, zum Beispiel eines Dichters, eines Künstlers,
eines ausgezeichneten Staatsmannes, eines verdienten
Heerführers u. s. w. handelt! Man wird da um so eher
charakteristische Züge finden, als in den weitaus meisten
Fällen der Briefschreiber selbst dem Künstler seine
Wünsche hinsichtlich der Ausführung seines »Ex epistu -
lis« vorgeschrieben oder ein ihm nahe stehender, zeich -
nerisch begabter Freund ihn auf dem kleinen Kunstblatt
charakterisiert hat.
Die wenigsten von den Gebildeten besitzen eine der -
artige Bücherei, daß sich ihretwegen die Anschaffung
eines »Ex libris« lohnen würde. Die Verwendung des »Ex
epistulis« aber kann unschwer eine allgemeine werden,
zumal nach Herstellung des Klischees die Druck- und je -
weiligen Nachschaffungskosten verhältnismäßig gering
sind und das Briefpapier nicht allzusehr verteuern. Jeder
Gebildete sollte sich daher eines mit seinem »Ex epistu -
lis« versehenen Briefpapieres bedienen. Wer schon ein
Wappen besitzt, möge dasselbe in unaufdringlicher Weise
darin anbringen lassen, was jedenfalls in dieser Form
unserer modernen Zeit geschmackvoll Rechnung tragen
würde.
Soviel dürfte sicher sein: macht die schon beginnende
Vorliebe für diesen modernen Briefschmuck weiter Fort -
schritte, so dürften die »Ex epistulis« aus den 'ange -
gebenen Gründen bald zur Anlage großer »Ex cpistulis«-
Sammlungen führen, ebenso und in viel ausgedehnterem
Maße als es mit den »Ex libris« der Fall war und ist. Zu
diesem Zwecke haben schon jetzt, ähnlich den Brief -
marken- und Ansichtspostkartenalben — die »Ex epistu -
lis« können übrigens auch auf den Postkartenverkehr
sinngemäße Anwendung finden - auch »Ex epistulis«-
Alben Eingang gefunden.
Auch der Beliebtheit und allgemeinen Einführung der
Siegel marken würde, cs nur förderlich sein, wenn
ihre Bezeichnung »Reklam-Siegelmarken« in »Ex epistu-
lis-Marken« abgeändert würde, da unter diesem Namen
nicht allein die Geschäftswelt, sondern auch die Allge -
meinheit solche Marken verwenden könnte, entweder
an Stelle eines Aufdruckes zum Aufkleben am linken
oberen Rand des Briefpapieres oder als Siegelmarken.
Unzweifelhaft würde dadurch das Interesse für diesen
sehr modernen und beachtenswerten Sammelsport und
der Sammelwert dieser Marken selbst noch wesentlich
gesteigert werden können.
Nr. 17
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 267
Chronik.
Autographen.
(Interessante Autographen.) Bei S o t h e b y
in London kamen kürzlich einige interessante Autographen
zur Versteigerung, die hohe Preise erzielten. Den Gipfel bildete
ein Brief Oliver Cromwells, den er im Jänner 1645 ge -
schrieben hat. Er fürchtete damals einen Einfall und mahnt in
diesem charakteristischen Briefe: »Beschleunigen Sie Ihre
Pferde, ein paar Stunden können alles verderben.« Dieser
Brief wurde mit 7600 Mark bezahlt. Eine Urkunde, die die
Unterschrift der Maria von Schottland trägt, brachte
4100 Mark, eine Mitteilung der Königin Elisabeth an Sir
Nicholas Th rockmorton, »geschrieben mit meiner eigenen
kritzligen Hand diesen 23. Tag des Juli«, wurde mit 4300 Mark
bezahlt. Der erste Brief Byrons nach dem Tode Shelleys
brachte 5100 Mark, und zwei Handschriften von Gedichten
von B u r n s erreichten 3040 und 3800 Mark.
Bibliophilie.
(DieBibliothekdesStiftesHerzogenburg.)
Anläßlich des 800jährigen Jubiläums des Stiftes Herzoge n-
burg in Niederösterreich veröffentlicht Prof. Dr. V. O. Lud -
wig in der »Wr. Ztg.« vom 18. August (Nr. 188) einen Aufsatz
über die Stiftsbibliothek, dem wir entnehmen, daß die Biblio -
thek gegenwärtig 60.000 Bände, 214 Wiegendrucke und 204
Handschriften enthält. Dem rührigen und sachkundigen Eifer
des verdienstvollen Stiftsbibliothekars Chorherrn Hartmann
Pröglhofer ist es mit einigen unter seiner Leitung ar -
beitenden Chorherren gelungen, die Bibliothek den modernen
Anforderungen entsprechend einzurichten und durch Anlage
eines genauen Zettelkataloges die praktische Benützbarkeit zu
fördern. Unter dem Propst Frigdian Sch molk erfuhr die
Bibliothek im Jahre 1904 durch die hochherzige Schenkung der
reichen Graf Ealkenhayn sehen Schloßbibliothek zu
Walpersdorf eine wertvolle und mächtige Bereicherung, womit
sich ein gewaltiges neues Arbeitsfeld der Fürsorge des Biblio -
thekars erschloß, der den neuen Zuwachs in glücklicher, sach -
gemäßer Weise mit dem alten Bestände zu vereinigen und
durch Anlage eines Zettel- und eines Fachkataloges samt einem
Buchkatalog (Standortregister) nutzbar zu machen verstand.
Ebenso publizierte Pröglhofer in den »Mitteilungen des öster -
reichischen Bibliothekswesens« die schönen Wiegendrucke,
welchen binnen kurzem die Veröffentlichung des Handschrifter-
kataloges folgen soll. *
(Tirols P f a r r a r c li i v e.) Aus Innsbruck wird
uns geschrieben: Ueber Anregung des Tiroler Landesarchivars
Dr. Karl Böhm hat der jüngst verstorbene Fürstbischof von
Brixen Dr. Josef Alten weise 1 kurz vor seinem Tode in
einem Erlaß an den Diözesanklerus von Deutschtirol die Rege -
lung des Pfarrarchivarwesens in die Wege geleitet. Dieser
Schritt ist für den Forscher von außerordentlicher Bedeutung,
denn die reichen Bestände der Pfarrarchive, die besonders in
Tirol eine Unsumme von wertvollstem historischen und kultur -
geschichtlichen Materiale bergen, waren bisher für wissen -
schaftliche Arbeiten so gut wie unzugänglich. Dazu ließ die
Verwaltung und Verwahrung der manchmal außerordentlich
kostbaren Schätze nur zu häufig alles zu wünschen übrig, und
es lag die Gefahr nahe, daß die Bestände vieler Archive rml
der Zeit vollständig zugrunde gehen.. Eine von Dr. Karl Böhm
im Aufträge des verstorbenen Fürstbischofes verfaßte »An -
leitung zur Ordnung der Pfarrarchive der Diözese Brixen«, die
auf den modernen wissenschaftlichen und praktischen Grund -
sätzen der Archivkunde aufgebaut ist, und auch dem Laien ge -
nügende Winke und Handhaben bietet, ist jetzt an alle Pfarr -
ämter Deutschtirols abgeschickt worden und so werden wohl
bald die wünschenswerten Vorkehrungen zur dauernden
Sicherung und entsprechenden Verwahrung der Archivalien
getroffen werden. Bisher war es von den österreichischen Kron-
ländern nur in Oberösterreicti teilweise möglich, die
Pfarrarchive zu wissenschaftlichen Arbeiten zu benützen, nach -
dem dort die wichtigsten Materialien seit 1902 in einem ge -
meinsamen Diözesanarchiv vereinigt sind. In den übrigen. Län -
dern konnte man nur unter großen Schwierigkeiten Einblick
in die Pfarrarchive erlangen. Tirol, das als reichste Fundgrube
dieser Art seit jeher von vielen Forschern aufgesucht war,
hatte übrigens schon bisher das voraus, daß die Bestände der
deutschtirolischen Pfarrarchive, soweit das Mittelalter in Be -
tracht kommt, bis ins einzelne, soweit sie die Neuzeit um -
fassen, in summarischer Weise von Oswald Redlich und
E. v. O 11 e n t h a 1, jene der Gerichtsbezirke Kufstein und Kitz-
biihel von Ferdinand Kogler in den »Archivberichten aus
Tirol« verzeichnet sind. Aber diese Registrierung ist nur un -
vollständig und lückenhaft. Durch die nun eingeleitete Ordnung
aller Pfarrarchive wird mancher wertvolle Schatz bloßgclegt
werden.
Bilder.
(Neue Werke von Tizian und Rubens.) Der
schwedische Graf Trolle-Boude, der kürzlich den Herren -
sitz Säftaholm erworben hat, hat einen Teil der bekannten
dortigen Galerie an den Kopenhagener Antiquar Marcus
verkauft. Dieser will nun in zwei Bildern unzweifelhaft Werke
von Rubens und Tizian erkannt haben. Das dem Tizian
zugeschriebene Porträt stellt einen älteren unbekannten Mann
dar im schwarzen Hut und Mantel vor einer Herbstland -
schaft. Das Rubens-Porträt ist im Katalog aufgeführt als
Bildnis des Philippe le Roy, spanischen Tresoriers in den Nie -
derlanden um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Darge -
stellte trägt die spanische Halskrause, dunklen Mantel und
auf der Brust eine Goldkette. Die schwedischen Blätter sinJ
über den Verkauf sehr ungehalten Und verlangen die Rück -
erwerbung der Werke; der dänische Staat ist aber bereits in
Ankaufsverhandlungen eingetreten.
(F i n Gemälde Cranachs) ist, wie aus Pirna
gemeldet wird, in der Sakristei der Anstaltskirche auf dem
Sonnenstein gefunden worden. Es handelt sich um ein die
Kreuzigung Christi darstellendes Bild, das lange unbeachtet
geblieben war, bis dann Sachverständige das Meisterwerk
Cranachs in ihm entdeckten. Jetzt befindet sich das Bild, das
seinerzeit bei der Uebersiedlung der Geisteskranken aus dem
Schlosse Hartenfels zu Torgau nach dem Sonnenstein ge -
kommen war, in der Dresdener Gemäldegalerie, die dafür mit
anderen Bildern eine Entschädigung gewährte.
Handschriften.
(Ein Fragment der koptischen Bibelüber -
setzung.) Das British Museum publizierte jüngst eine
Papyrus-Handschrift mit den sahidischen Acta Apostolorum,
welcher eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Pro -
fessor Karl Wessely macht nun hiezu der Wiener Aka -
demie der Wissenschaften die Mitteilung, daß er bei der
Uebernahme des koptischen Bestandes der Sammlung
Papyrus Erzherzog Rainer einen Erdklumpen von
doppelter Faustgroße vorfand, der sich aber von anderen
durch sein Gewicht unterschied. Die Reinigung und Aufblätte -
rung der Handschrift erheischte nicht geringe Mühe und Ge -
duld, schließlich gelang es ihm, durch alle Hindernisse zum
Texte vorzudringen und sämtliche 77 Blätter, die hier nun
Vorlagen, zu entziffern. Es zeigte sich, daß auf diese Weise
eine Handschrift der sahidischen Acta Apostolorum dem
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Internationale S am mler-Zeitung.
Nr. 17
Untergänge entrissen wurde. Sie ist ebenfalls wie die des
British Museum am Anfänge des 4. Jahrhunderts n. Chr. ge-
S c;- • cn. Professor Wessely hat den interessanten Text ent -
ziffert, kritisch erläutert und mit einer Einleitung über die
paläographische, orthographische und grammatikalische Eigen -
art versehen. Demnach besitzt auch Wien ein Fragment jener
seltenen koptischen Uebersetzung des Neuen Testamentes.
Numismatik.
(Die Sammlung Karl Andorf er.) Wie wir er -
fahren, gelangt die numismatische Sammlung des kürzlich ver -
storbenen Wiener Sammlers Karl Andorfer am 7. Oktober
im Berliner Kunstauktionshause Gebr. Heilbron zur Ver -
steigerung. Andorfer, der bekanntlich mit Epstein das Werk
»Musica in nurnrnis« verfaßte, besaß eine besonders reichhaltige
Sammlung von Musikermedaillen. Eine weitere Spezialität
bildete seine Sammlung von Münzen und Medaillen Kaiser
J o s e f II.
(Die Medaille auf die Wiener Frühjahrs -
ausstellung.) Die Erinnerung an die »Allgemeine Früh -
jahrsausstellung«, die im Mai d. J. in Wien stattfand, wird
durch eine reizende Medaille festgehalten, die von der Meister-
Fig. 6. Freiherr von Bienerth.
hand Ludwig H u j e r s herrührt. Der Avers zeigt das nach der
Natur modellierte und vorzüglich gelungene Porträt des Statt -
halters in Niederösterreich, Dr. Richard Freiherrn von
Bienerth, der das Protektorat der Veranstaltung über -
nommen hatte, mit einer bezüglichen Umschrift (s. Fig. 6), der
Revers trägt die Inschrift »Allgemeine Frühjahrsausstellung«
Wien 1912. Veranstaltet Vom Wiener Gewerbe I Und Handels
Verein I Für Den III. Bezirk I In Wien I Ehre Dem Ehre I
Gebührt.
(Erinnerungsmedaille an KönigEduard VII.)
Im März d. J. wurde im Park des Hotels Metropole in Cannes-
Eden, in dessen Räumen der 1910 verstorbene König
Eduard VII. schon als Prinz von. Wales wiederholt weilte,
eine vom Bildhauer Toni Szirmai vollendete Erinnerungs -
tafel mit dem Porträt des verstorbenen Königs enthüllt. Zur
Erinnerung daran hat der Künstler eine Medaille modelliert,
die den an der Feier beteiligten Persönlichkeiten zum An -
denken überreicht wurde. Die Medaille trägt auf der Vorder -
seite das unten von einem Lorbeerzweige abgeschlossene
Brustbild des Königs v. 1. im konkaven Felde und im oberen
Halbrunde die Umschrift: EDWARD VS VII — 1841 — 1910.
Vor dem Porträt aber in vertiefter Schrift den Namen des
Künstlers: SZIRMAI. Auf der ebenen Rückseite befindet sich
innerhalb eines aus Palmen-, Lorbeerzweigen, Kleeblättern un.1
Disteln gebildeten Kranzes die Inschrift: INAUGURATION
DE LA PLAQUE I COMMEMORATIVE | DE S. M
EDOUARD VII I PARC DE L’HOTEL METROPOLE |
CANNES-EDEN j PRESIDEE ! PAR S. A. I. MGR. LE GRAND
DUC MICHEL DE RUSSIE ! 24 MARS — 1912. Darunter
eine Tafel mit eingravierter Widmungsinschrift: A | M
HOMMAGE DE L'AUTEUR. Die Medaille hat einen Durch -
messer von 60 Millimeter.
(M ii n z e n f u n d.) Von einem interessanten Münzen-
iunde berichtet der »Erfurter Allgemeine Anzeiger«. Auf dem
Gelände des Schlachtfeldes bei Roßbach wurden zwei inter -
essante Münzen gefunden. Die eine, in der Größe eines Talers,
zeigt das Bildnis des Marschalls Moritz von Sachsen
mit der lateinischen Inschrift: Mauritius Dux Saxoniae et Cur-
landiae. Auf der Rückseite befindet sich eine Abbildung seines
Qrabmales im Dome zu Straßburg, wo er beigesetzt wurde.
Die zweite Münze, aus Silber, in der Größe eines Mark -
stückes, zeigt das Bild der Königin Elisabeth von Eng -
land aus dem Jahre 1601. Das Interessante an der Münze
ist, daß die Inschrift lautet: Elisabeth regina Angliae et Fran-
ciae. — Auf den Titel »König von Frankreich« verzichteter
bekanntlich die Könige von England lange Zeit nicht, trotz -
dem sie ihre Besitzungen in Frankreich längst verloren hatten.
(Bulgarische Jubiläumsmedaillen und
-M ütize n.) Aus Anlaß des 25jährigen Regierungsjubiläums
des Königs Ferdinand von Bulgarien hat die bulga -
rische Regierung eine Erinnerungsmedaille prägen lassen und
gleichzeitig seine ersten Goldmünzen ausgegeben. Mit der
Ausführung der Erinnerungsmedaille und der Münzmodelle
wie auch mit der künstlerischen Arbeit an den Urstempeln und
Urstanzen für die Münzenprägung wurde Professor Rudolf
Marschall in Wien betraut. Die Jubiiäumsdemaille ist
eine Monumentalmedaille von 90 Millimeter im Durchmesser.
Sie wurde in 20>.000 Stücken, teils vergoldet, teils patiniert, aus -
geprägt. Die Aversseite trägt das vom Künstler nach der
Natur modellierte Porträt des Königs, das schart im Profil
nach links genommen ist. Das Profil ist in seinen Details un-
gemein lebensgetreu gelungen. Die hohe, kluge Stirn, das
scharfe, große Auge, die energisch vorspringende Nase und
der Spitzbart geben den Ausdruck von der Kraft und der
Energie, von dem Zielbewußtsein und der Weitklugheit dieses
mächtigsten unter den Balkanfürsten voll wieder. Die Me -
daille zeigt den König in reichem Uniformrock mit dem Gol -
denen Vlies und dem Stern des Cyrill-und-Methud-Ordens.
Ueber die rechte Rundung der Medaille läuft die Inschrift
»Ferdinand I. Zar der Bulgaren«. Die Reversseite trägt das
bulgarische Staatswappen. Um das Staatswappen ist die In -
schrift geprägt: »Erinnerung an die fünfundzwanzigjährige
glorreiche Herrscherzeit 1887—1912.« Die Goldmünzen, die im
Werte von je hundert und je zwanzig Lewa ausgegeben wur -
den, zeigen das Datum der Unabhängigkeitserklärung: 22. Sep -
tember 1908. Es wurden 5000 Münzen zu je 100 und 75.000 zu
je 20 Lewa ausgeprägt, im ganzen also 2 Millionen Lewa.
Die Ausprägung wurde zum Teil vom Wiener, zum anderen
vom Kremnitzer Münzamt besorgt.
(Erinnerungszeichen an die Wiener F 1 u g-
w o c h e.) Der k. k. Oesterreichische Aero-Klub hat nach Be -
endigung der Wiener Flugveranstaltungen im Juni d. J. eine
Erinnerungsmedaille prägen lassen, die von dem Medailleur
üurschner entworfen und in Bronze ausgeführt worden ist.
In der letzten Ausschußsitzung beschloß der Klub, solche Me -
daillen allen jenen zu überreichen, die den aviatischen Ver -
anstaltungen reges Interesse und Förderung angedeihen ließen,
und zwar den Mitgliedern des Arbeitsausschusses, dem Preß-
komitee, den Spendern, den mitwirkenden Aviatikern, schließ -
lich den Mitgliedern der Federation aeronautique internatio -
nale, die bei den Sitzungen in Wien anwesend waren. Die
Ausgabe der Medaille ist am 26. August erfolgt.
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Internationale Sammler-Zeitung.
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Verschiedenes.
(Haeckels P f 1 a n z e n s a tn m 1 u n g e n.) Aus Wei -
mar wird uns berichtet: Ernst Ha e c k e 1 hat seine umfang -
reichen Pxianzensammlunigen dem hiesigen großartigen Her -
barium Haußkuecht zum Geschenk gemacht. Er bemerkt in
seinem Geleitschreiben: »Es gereicht mir zur ganz besonderen
Freude zu wissen, daß diese Kollektion, die mit den schön -
sten Naturfreuden und teuersten Erinnerungen meiner Jugend
verknüpft ist, in der Stadt Goethes eine bleibende Heimstätte
gefunden hat.«
(Steinfliesen aus dem Goethehaus zu
verkaufen.) Aus Weimar wird folgendes amüsante
Geschiehtchen berichtet: Vor Jahren hatte der Maurermeister
U. im Goethehaus Reparaturen ausgeführt und dabei auch
den Fußbodenbelag, der aus Steiwfliesen bestand, erneuert,
ln einer gewissen Ahnung, daß auch alte Steine einmal
Wert bekommen können, vererbte er die Platten seinem Söhne,
und dieser sucht jetzt einen Käufer für die Steinfliesen, »auf
denen einst Goethes Fuß wandelte«. Der Kaufpreis soll »nur«
10.000 Mark sein. Der industriöse Geschäftsmann sucht einen
Amerikaner, der vielleicht seinem dichtenden Sohne das Zim -
mer in der Fünften Avenue damit pflastern wird.
(Menükarten.) In Paris stehen die Meniikarten
gegenwärtig unter dem Zeichen des Aeroplans. Aus Karton
geschnitten sieht man die verschiedenen Modelle der modernen
Luftfahrzeuge in allen Farben vertreten, und oft scheinen sie
über in Aquarell gemalten Wolken zu schweben. Es gibt auch
noch eine Serie anderer Neuheiten, die Erwähnung verdienen.
Da sind kleine Papageien aus wirklichen Federn, d : e auf dem
Rande eines Glases sitzen und in ihrem Schnabel die Menii-
karten halten. Originell sind kleine Tanzbären in den ver -
schiedensten Stellungen, die vor jedem Platze ihre Kunst -
stücke zu produzieren scheinen. Nicht minder apart sind weiße
Mäuse, die den Anschein erwecken, als hätten sie sich eben
durch die Menükarten durchgebissen. Reizend sind auch kleine
Schirme mit eleganten Frauensilhouetten, welche die Menii-
karte präsentieren. Sehr hübsch wirken zierliche Tellerchen,
welche das Delfter Porzellan imitieren, und in einfacherer
Ausführung sieht man die Meniikarten in Briefform mit dem
Namen des Gastes auf dem Kuvert, als wäre der Brief eben
von der Post gekommen.
(Schmetterlingsfälscher.) Dieser Tage hat ein
Prozeß in London interessante Enthüllungen über Schmet -
terlingsfälschungen gebracht. Einem englischen Schmetter -
lingssammler waren von einem Händler eine Reihe selten
schöner Präparate zum Kaufe angeboten worden, und trotz -
dem er gewöhnlich nicht mit unbekannten Leuten zu unter -
handeln pflegte, ging er doch angesichts des billigen Preises
und der außerordentlichen Schönheit der angebotenen Exem -
plare auf den Kauf ein. Aber wer malt sein Erstaunen, als
er einige Tage darauf seine Neuerwerbungen einem Londoner
Zoologen vorlegte und dieser sie, nachdem er sie durch die
Lupe geprüft, als außerordentlich geschickte Fälschun -
gen bezeichnete! Der Professor, der in dem Prozeß als Sach -
verständiger geladen war, war auch in der Lage, das Ver -
fahren der Fälscher genau anzugeben. Sie gehen in der Weise
vor, daß sie einen der gewöhnlichen Schmetterlinge präpa -
rieren, seine Flügel dann mit einer dünnen Gummischicht über -
ziehen, und diese hierauf in bestimmter Weise mit Farbstaub
bestreuen, und zwar wird der Farbstaub je nach der Farben -
zusammenstellung des Originales, • das man nachahmen will,
angeordnet. Die Fälscher haben sich aber nicht allein damit
begnügt, seltene Schmetterlingsarten nachzuahmen, sondern
sie haben auch völlig neue Exemplare »erschaffen«, die man -
chem Gelehrten, der von ihnen betrogen worden ist, viel Kopf -
zerbrechen verursacht haben mögen.
(Funde aus der B r o n z e z e i t.) Auf einer Feld -
mark in Uchtenhagen (Kreis Osterburg) fand man ein
Gefäß mit wertvollen Bronzen, Arm- und Fußringen und
mehreren Spangen. Die gefundenen Gegenstände wiegen etw’a
sechs Pfund und gehören in die älteste Bronzezeit; sie
sind nach sachverständiger Schätzung etw r a 4000 Jahre alt.
Der Fund wurde vom Altmärkischen Museum in Stendal
erworben.
Museen.
(Aus dem Berliner Kupferstichkabinett.)
Eine Reihe von Werken der hervorragendsten modernen
Graphiker sind als Geschenke in die Sammlungen des Ber -
liner Kupferstiehkabinettes eingereiht werden. Von Max
Liebermanir ist darunter seine älteste lithographische Ar -
beit aus dem Jahre 1890: »Männer im Seebade.« Der Stifter
des Liebermann-Blattes, Dr. A. J a f f c in Berlin, schenkte
auch Sie vogts neues radiertes Selbstbildnis und mehrere
Radierungen und Steindrucke von Lovis Corinth. Unter den
dreißig Münchener Bilderbogen, die gleichfalls dem Kabinett
geschenkt wurden, sind Künstler w r ie Mor:tz v. Schwind,
Franz Pocci, Wilhelm Busch und Karl Braun mit Holz -
schnitten vertreten. Angekauft wurden eine Reihe von Früh -
drucken des 16. Jahrhunderts, davon einer mit Holzschnitten
von. Urs Graf.
(D i e Sa m mlungQan s.) Durch einen kaiserlichen Er -
laß hat jetzt das Antiquarium der Berliner Museen die
Genehmigung zur Annahme einer ganz eigenartigen Schen -
kung erhalten. Stifter dieses Geschenkes, das sich in der Ge -
schichte der Berliner Sammlungen nur mit dem Kabinett
James Simon vergleichen läßt, ist Friedrich Ludwig Gans zu
Frankfurt a. M. Er hat seine 645 Nummern umfassende Samm -
lung von Gegenständen antiker Kleinkunst im Werte
von mehr als 1V2 Millionen Mark als geschlossene Sammlung
dem Museum geschenkt. Der Charakter der Sammlung wird
durch die reiche Sammlung kostbarer Schmucksachen
und Gläser bestimmt. Die Sehmucksammlung besteht fast
völlig aus Gold. Sie umfaßt einen Zeitraum vom zweiten Jahr -
tausend v. Chr., der rnykenischen Epoche, bis tief in die
Völkerwanderungszeit und das Mittelalter. Außer der uner -
reichbaren Sammlung der Kaiserlichen Eremitage in Peters -
burg — diese Sammlung geht auf die berühmten antiken Gold -
funde in Südrußland und in der Krim zurück -— ward ihr kaum
eine andere Sammlung an Reichhaltigkeit und Schönheit gleich-
kornmen. Die Gläser stammen, vorwiegend aus Syrien und ver -
treten alle Stufen der Entwicklung der dortigen Glasfabrika -
tion von den ältesten bekannten Arten durch die hellenisti -
sche und römische bis tief hinein in die islamitische Zeit, alles
in Stücken von ausgesuchter Schönheit und seltener Erhaltung.
Vom Kunstmarkt.
(Die Napoleon- Auktion auf Elba.) Am 2. Sep -
tember findet auf Elba die Versteigerung der Villa San
Marti no und des anschließenden Besitzes statt. »Die schon
von Napoleon bewohnte'Villa«, heißt es in der Anzeige, »be -
stellt aus zwölf Zimmern, wie zur Zeit seiner Verbannung, und
enthält noch alle die von ihm gebrauchten Möbel und Gegen -
stände.« Man wird hinter diese Ausführungen vom Standpunkte
des Historikers aus ein dickes Fragezeichen machen müssen,
das aber vielleicht zugleich tröstend wirkt auf alle die, die
in der Versteigerung des Elbaer Heims von Napoleon eine
Art Sakrileg wittern, ln den zehn Monaten seines Aufenthaltes
auf Elba hat der entthronte Kaiser nicht w-'eniger als vier
Wohnungen innegehabt, darunter freilich auch die jetzt schon
zum zweitenmal versteigerte Villa San Martino, sein neues
Saint-Cloud. Zu seinem Tuilerienschloß »ernannte« Napoleon
das Haus des Gouverneurs, die zwischen den Forts Falcone
und Stella gelegene Palazzetta dei Mulini (den Mühlenpalast),
die er gründlich umbauen ließ. Hier wurde seine Bibliothek
aufgestellt: griechische und römische Klassiker, Voltaire und
Rousseau, den er selbst in seinen novellistischen Schilde -
rungen nachgeahmt hat, ein paar Jahrgänge des »Moniteur«,
die seine Großtaten in einer persönlich gefärbten Schilderung
Wiedergaben, insgesamt an die tausend Bände. Einen zweiten
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Internationale Sammler-Zeitung.
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Wehns; -. -etu er. sich in Porto. Longone ein. Zu seinem
Somme :. bestimmte er . das herrlich gelegene San Martine,
das nfalls gründlich umgebaiit wurde. Während de;
!’• .niesten Jahreszeit aber flüchtete er mit seinem Hofe nach
d o n n a, einer Einsiedelei, die am Abhange des Monte
Capanna gelegen war. Hier war es, wo er den geheimnis -
vollen Besuch Marie Walewskas empfing, die mit seinem
illegitimen Sohne Alexander W a 1 e w s k i, dem späteren
Minister des dritten Napoleon, erschienen war. Auf Elba hat
der Korse wirklich noch wie ein Kaiser regiert, von einer un -
ermüdlichen Schaffenskraft beseelt und um die kleinsten
Kleinigkeiten seiner »Armee«, seiner »Märine« und seines
Hofstaates bekümmert. Er hielt an seinem neuen Hofe streng
auf Etikette, und die vier Millionen, die er aus Frankreich
mitgenommen hatte, verstatteten ihm eine ganz anständige
I.uxusenttaltung. Uns interessiert hier indes nur das weitere
Schicksal des Landhauses San Martino, das nach Napoleons
Anordnungen ausgestattet wurde. Der Kaiser vererbte es zu -
erst auf seinen Sohn, den König von Rom. Nach dessen
Tode kam es in den Besitz Marie Luisens, die der Kaiser
vergebens auf Elba erwartet hatte. 1851 erwarb es Fürst D e-
midow, der Gemahl Mathilde Bonapartes, der Schwiegersohn
des Königs »Lustik«. Fürst Demidow hat das Andenken Na -
poleons in Ehren gehalten und ihm ein eigenes Museum er -
richtet, aber als er starb, ließ sein Neffe Paul Demidow alle
Reliquien versteigern. Diese Auktion fand am 15. März 1882 in
Florenz statt. Die Kokarde, die der Kaiser bei seiner Ankunft
in Elba getragen hatte, brachte es auf 290 Franken, ein
Nezessaire der Fürstin Elisa auf 330 Franken, eine Tasse Na -
poleons gar nur auf — 10 Franken. San Martino selbst ging
damals in den Besitz eines reichen Elbaners, des Herrn del
B u o n o, über, der von neuem zu sammeln anfing, aber wohl
nicht mehr allzu viel echte Napoleonika gefunden hat. Insbe -
sondere hat man, das dort aufgestellte Bett Napoleons mit
großem Mißtrauen zu betrachten. Es steht fest, daß Napoleon
niemals darin geschlafen hat. Interessanter ist schon das
Fremdenbuch von San Martino, in dem sich als Eintragung
der Königin Alexandra von England die italienischen
Worte finden: »Le sciagure e le allegrezze non vengona mai
sole.« (Die Leiden und die Freuden kommen niemals allein.)
(Gemälde aus mitteldeutschem Museums -
besitz.) Oelgemälde moderner Meister aus mitteldeutschen;
Museumsbesitz kommen am 24. d. M. in der Galerie H e 1 b i n g
(München) zur Versteigerung. Ein 203 Nummern umfassende:
Bestand von ungemein großer Mannigfaltigkeit, Man trifft eine
Menge alter Bekannter, die in früheren Jahren in verschiedenen
deutschen Kunstvereins- und anderen Ausstellungen zu sehen
waren. Dieser Umstand verleiht der Sammlung einen gewissen
Reiz. Es sind fast durchwegs Bilder, die Qualitäten besitzen,
und darum fiir den Museunisbesitz erworben wurden. Fast
durchgängig tüchtige künstlerische Leistungen, interessante,
gefällige Vorwürfe; bis auf einen verschwindend kleinen
Bruchteil glückliche, in moderne Innenräume passende
Formate. So hat denn der Uebergang dieser Gemälde aus
dem Museumsbesitz in den Privatbesitz sehr gute Chancen.
Vertreten sind in der Sammlung fast alle Kunstzentren
Deutschlands, besonders stark Karlsruhe und Weimar. Unter
den Karlsruhern seien hier nur hervorgehoben Herrn. Baisch
(3 Arbeiten aus dem Nachlasse), Karl Böhme, V. Weishaupt,
Hans v. Volkmann, Friedr. Fallmorgen. In der Reihe der
Weimaraner ist besonders der Baron von Gleichen - Ru ß-
w urm, der als vorzüglicher Landschafter bekannte Enkel
Schillers, gut vertreten. Daneben Düsseldorf, München, Berlin,
Stuttgart: Klaus Mayer, Heinrich Deiters, Heinrich Hermans,
Prof. Kalckreuth, Otto Piltz, L. A. Kunz, Anders Andersen-
l.undby, Carlos Grethe, Christian Rohlfs, Rieh. Riemer-
schmidt, Paul Schultze-Naumburg, Alfr. v. Schrötter, Eugen
Jettei und viele andere. Auch die Sezession hat hier Re -
präsentanten, zum Beispiel ist von Charles T o o b y ein
prächtiges Tierstück mit überaus fein abgestimmter land -
schaftlicher Staffage vorhanden. Zu diesem stattlichen Schatz
gut deutscher Kunst tritt eine kleine, aber bemerkenswerte
Gruppe von Werken ausländischer Meister. Am inter -
essantesten sind hier die Engländer: William Paton Burtor.,
E. Sherward Calvert, Grosvenor Thomas, James Paterson,
James G. Laing, Alfr. Withers sind zu nennen. Dazu einige
Italiener, wie Ciardi und Corrodi und Künstler anderer Na -
tionalität. wie Viktor üilsone, Stanislaus Daczinski und Manuel
Villegas. Wenn auch die großen führenden Namen der neueren
Kunst nicht vertreten sind, so sind doch charakteristische
Arbeiten von hochgeschätzten, vielgenannten Künstlern in so
stattlicher Zahl vorhanden, daß die Auktion das Interesse aller
Freunde moderner Malerei vollauf verdient. Der. Katalog mit
12 Lichtdrucktafeln ist durch Hugo Helbing, München, zu
beziehen.
(Auktion der Kunstsammlung Lippmanns.)
VVie uns aus Berlin gemeldet wird, wird im Herbst die be -
rühmte Privatsammlung Geheirnrat F. Lippmanns, des ver -
storbenen Direktors des Königlichen Kupferstichkabinettes bei
Lepke versteigert werden. Diese Auktion wird zweifellos in -
ternationale Bedeutung haben, denn unter den Kennern sinJ
die Bilder-, Skulpturen- und Kunstgewerbeschätze des ver -
storbenen Berliner Museumsdirektors, dessen Namen selbst
internationalen Klang hat, längst geschätzt. Die Sammlung,
die jetzt der Witwe gehört, enthält wenige Stücke, die kunst -
wissenschaftlich nicht schon gewertet wären. Unter den Bil -
dern, deren. Hauptstücke wiederholt publiziert worden sind,
befinden sich eine frühe Kreuzigung von Quinten Mas sys,
ferner das berühmte kleine Triptychon von Isen hart, der
Auszug der Hagar von Kornelius Engelbrechtsen, das
Hauptwerk des Meisters, außerdem Porträts von Barthei
Beham, Michael W o h 1 g e m u t h, Lorenzo Costa und
Hauptwerke von Hieronymus Bosch (»Anbetung«), Hans von
Kulmbach (»Geburt der Maria«), ln der Reihe der Lipp-
mannschen Skulpturen finden wir unter anderem den Heil.
Stephanus von Michael Pacher — das Gegenstück ist im
Besitze des Innsbrucker Museums — die kleine französische
Figur eines Heiligen aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts,
deren Pendant in Louvre steht, eine fränkische Madonna mit
Kind von 1520 aus der Sammlung Sallet. Zu den kostbarsten
Exemplaren zählt wohl ein Relief von Andrea della R obbia,
»Leda mit dem Schwan«, das einst das Badezimmer des
Cosimo de Medici schmückte. Bux- und Elfenbeingruppe
Terrakotten und. Bronzen schließen sich an. Aus der Samm -
lung des Earl A r u n d e 1, des größten englischen Sammlers
des 17. Jahrhunderts, den Rubens und van Dyck verewigt
haben, stammt ein Kehlheimer Steinrelief (Augsburg um 1550),
aus dem Nachlasse Schinkels ein von einem Chorstuhl
des Straßburger Münsters herrührendes Relief »Drachen und
Gänse verschlungen«. Bronzeuhren und Bronzekronen der
Renaissance und hervorragende Möbel vervollständigen dies2
zwar nur 120 Nummern umfassende, aber an erstklassigen
Qualitäten so überaus reiche Sammlung.
(Eine neue Millionen er Werbung Pierpoui
M o r g a n s.) Pierpont M organ hat jetzt für eine Summe
von zwei Millionen Dollars die berühmte Sammlung Georges
Hoentschel in Paris, von der er einen Teil schon vor
drei Jahren erworben hatte, nun ganz angekauft. Im Augen -
blick soll die Sammlung noch in Paris bleiben, bald genug
wird sie aber wohl nach Newyork verschifft werden, wohin
Morgan ja jetzt auch seine in London und in seinem Hause
und im Viktoria- und Albert-Museum auigehäuften Schätze
schafien lassen will. Zu der Hoentschel-Sammlung gehört der
berühmte Schrein des hl. Ludwig, in dem das Herz des kreuz -
fahrenden Königs, des hervorragendsten Begründers der erb -
lichen französischen Monarchie, aufbewahrt wurde. Ob dieser
Schrein, der mit den herrlichsten Emaillen geschmückt ist,
mitverkauft worden ist, scheint allerdings noch nicht festzu-
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stehen. Die anderen Hauptschätze der Hoentschel-Sammlung
bestehen aus Relief-Emaillen, aus Limoger Emaillen, Elfen -
beinschnitzereien, Reliquiarien aus Kristall, Metallarbeiten,
Holz- und Steinskulpturen, einem Triptychon und anderem
mehr. Das meiste stammt aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert.
Als Perle der Sammlung gilt eine Emailarbeit aus der Braiken-
ridge-Kollektion mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testa -
ment, die von Hoentschel vor vier Jahren für 45.000 Dollars
angekauft wurde. Seitdem ist der Wert ganz bedeutend ge -
stiegen. Ein ähnliches, aber nicht so schönes Stück befindet
sich im Louvre.
(Fabrik alter Meister in Osaka.) Man schreibt
uns aus T o k i o: Fälschungen von Papiergeld, Staatspapieren,
Aktien und sonstigen Wertpapieren haben die Stadt Osaka, I
das Manchester Japans, schon seit langen Jahren berühmt ge -
macht, und es vergeht kein Jahr, in dem in Osaka nicht Fäl -
schungen dieser Art ans Licht gebracht werden, ganz abge -
sehen von gefälschten und minderwertigen Waren. Neuerdings
hat nun auch die Polizei noch Fälschungen alter Meister der
japanischen Malerei entdeckt, die fabriksmäßig hergestellt
wurden. Eine Anzahl dieser Fabrikanten sind verhaftet wor
den und die Eigentümer »alter Meister« wagen kaum ihre
Schätze zu zeigen, um nicht etwa lang gehegte Illusionen zu
zerstören. Japan besuchende Kunstliebhaber werden daher gut
tun, in Osaka keine »alten Meister« zu kaufen und auch an
anderen Orten recht vorsichtig zu sein, wenn sie etwa der- i
artige Erwerbungen zu machen gedenken. Nach Zeitungs- !
berichten soll übrigens in Paris die Fabrikation »alter
Meister« und von Antiken im allgemeinen auch ein blühender
Erwerbszweig sein. Vor langen Jahren gab es auch in
Königsberg einen Schlossermeister in der Altstadt, der
ganz vorzügliche uralte Ritterschwerter, Streitäxte, Helme,
Rüstungen etc. herstellte, zuerst aus Liebhaberei, und dann,
als man auf seine Arbeiten aufmerksam wurde, auch auf Be -
stellung. Er selbst aber hat seine »Antiken« nie als solche
verkauft. Wahrscheinlich bildet das eine oder das andere
Stück von ihm noch heute den Stolz von Sammlungen. In der
Nennung des Namens eines alten Meisters liegt schon immer
eine gewisse Suggestionskraft. Der Käufer sucht einen alten
Meister; der Händler zeigt ihm einen, der aus ganz beson -
deren Ursachen billig zu haben ist. Der Käufer ist stolz auf
seine Findigkeit und Sachkenntnis, und — trägt seinen »alten
Meister« beglückt davon. So in Japan, so auch anderswo.
(Kunstverkäufe nach Amerika.) Aus der
Sammlung des königlichen Rates Nemes in Budapest, die
jetzt zum größten Teil in Düsseldorf ausgestellt ist und in
diesem Winter auch in der,Berliner Akademie der Künste ge -
zeigt werden wird, hat jetzt das Metropolitan-Museum in
Newyork ein Werk des spanischen Meisters Ribera er -
worben, den Tod der Lucretia. Der Preis des Gemäldes soll
mehr als 25.000 Dollars betragen. Auch die große Beweinung
Christi, ein Spätwerk des Brescianer Meisters M o r e 11 o aus
der bei Lepke in Berlin versteigerten Hamburger Sammlung
Weber ist jetzt in das Newyorker Museum gelangt, ebenso ein
vlämisches Altarwerk des 15. Jahrhunderts mit Darstellungen
aus dem Leben der heiligen Godelieve und ein Terrakottarelief
der Maria mit dem Kinde von D o n a t e i 1 o.
Ausstellungen.
Berlin. Große Berliner Kunstausstellung. Bis 29. September.
Dresden. Große Kunstausstellung 1912. Bis 31. Oktober.
Frankfurt a. M. Kunstverein. Ausstellung klassischer
französischer Malerei. Bis Ende September.
Hannover. Große Ausstellung der Allgemeinen deut -
schen Kunstgenossenschaft.
Klagenfurt. Ausstellung des Kunstvereines
Köln. Ausstellung des Sonderbundes.
Leipzig. Ausstellung von Originalradierungen des Leip -
ziger Künstlerbundes. Eröffnung 15. September.
München. Jahresausstellung. Glaspalast. Bis Ende Oktober.
Venedig X. Internationale Ausstellung. Bis 31. Oktober.
Auktionen.
September. Aachen. Anton Creutzer. Sammlung des
Amtsgerichtsrates K. Strauven (Düsseldorf). Gemälde
alter und moderner Meister.
September. Berlin. Rudolf Lepke. Wissenschaftliche
Bibliothek des verstorbenen Barons Adalbert Lanna (Prag).
Mitte September. Berlin. Gebrüder H e i 1 b r o n. Mobiliar-
und Kunstauktion, Wohnungseinrichtungen, moderne Gemälde,
Schränke, Büfetts, wertvolle Einzelmöbel.
24. September. München. Galerie H e 1 b i n g. Umfangreiche
Kollektion von Oelgemälden moderner Meister aus mittel -
deutschem Museumsbesitz.
Ende September. Berlin. Gebrüder Heilbron. Anti-
quitätensammlung des Apothekenbesitzers Aug. Biener
(Prag), wertvolle Gemälde, Kupferstiche, antikes Mobiliar,
ferner aus anderem Besitz Gemälde, Möbel etc., Ethno -
graphische Sammlung aus Nordwest-Kamerun.
Ende September. Berlin. Gebrüder Heilbron. Samm -
lung japanischer Farbenholzschnitte und Kupferstiche, Ferner
Gemälde- und Kupferstichsammlung aus dem Besitz des Herrn
Artur v. Du da (Prag). Versteigerung der Gemälde- und
Kupferstichsammlung aus dem Besitz des Kunstmalers S.,
München.
Anfangs Oktober. Berlin. Gebrüder Heilbron. Anti -
quitätensammlungen, hervorragende Porzellane, Ludwigsburg,
Frankenthal. Gemälde alter deutscher Schule aus bekanntem
Privatbesitz. Wertvolle Sammlung alter römischer Gläser,
Terrakotten, Bronzen.
1. und 2. Oktober. München. Galerie H e 1 b i n g. Textil -
sammlung A. Wärndorfer (Wien), vorwiegend alte orien -
talische Stoffe, und Antiquitäten aus dem Nachlaß des Pro -
fessors Ludwig Voltz (München) und aus anderem Privat
besitz.
8. Oktober. München. Galerie H e 1 b i n g. Sammlung Jak.
Fromm (München). Oelgemäide hervorragendster moderner
Meister, fast ausschließlich der Münchener Schule.
14. Oktober und die folgenden Tage. München. Otto
H e 1 b i n g s Nacht. Münzen und Medaillen des Mittelalters
und der Neuzeit.
Mitte Oktober bis Mitte November. Berlin. Gebrüder
Heilbron. Nachlaß des Erzherzogs Johann Salvator
(Johann Orth), aus seinen Schlössern Orth, Sceschloß, Stöckel.
Schloß und Villa Toskana, bestehend aus altem Mobiliar, Oe-
mälden, Porzellanen, Fayencen, Waffen, Rüstungen, Biblio -
thek; ferner aus dem Besitz Schloß Valkenhayn alte Gemälde,
Porzellane, Fayencen, Holzschnitzereien, Plaketten, Wachs-
bossierungen, Zinngeräte und Uhrensammlung.
20. bis 20. Oktober. Berlin. Amsler & R u t h a r d t. Ge -
mälde, Aquarelle, Handzeichnungen und Graphik, meist mo -
derner Künstler, zum Teil aus dem Nachlasse des Professors
Ludwig Pietsch.
23. Oktober. München. Otto H e 1 b i n g s Nacht. Griechi -
sche und römische Münzen,
Seite 272
Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 17
25. bis 29. November. Leipzig. C. G. Boerncr. Große
Kupferstichsammlung aus dem Besitz einer alten Leipziger
Buch: aiidlung: Blätter des 16. bis 19. Jahrhunderts. Ansichten,
Porträts, Lithographien, Sport. Jagd u. s. w.
28. Oktober. München. Galerie H e 1 b i n g. Sammlung Pro -
fessor Otto Seitz t (München). Kunstgewerbe, vorwiegend
der Gotik und Renaissance, alte Möbel, frühe Druckwerke,
Stiche etc.
21. November. Leipzig. C. G. Boerncr. Sammlung von
Handzeichnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts, Miniaturen und
Manuskripte, Zeugdrucke.
22. und 23. November. Leipzig. C. G. Boernc r. Hand -
zeichnungssammlung Alexander Fl i lisch (Berlin): Feuer -
bach, Ludwig Richter, Stcinle, Chodowiecki, die Nazarener,
deutsche Zeichnungen des 19. Jahrhunderts, Oelbilder.
25. bis 30. November. Berlin. Amsler & R u t h a r d t.
Sammlung J. v. Le h m a n n (St. Petersburg), Fromm
(Gnesen). Kupferstiche und Holzschnitte alter Meister.
Ende November. Berlin. Gebrüder H e i 1 b r o n. Schluß -
versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Professor
Reinhold Begas.
Ende November. Berlin. Gebrüder H e i 1 b r o n. Gemälde -
sammlung aus dem Besitz des Bischofs Dr. L a n y i. Gemälde-
und Miniatursammlung aus dem Besitz eines sächsischen Ju -
risten.
Herbst. Amsterdam. R. W. P. de Vries. Sammlung Vin -
cent von Gogh: Radierungen, Lithographien, Handzeichnun -
gen der versch. Länder, lllustr. Bücher des 17. und 18. Jahr'n.
Herbst. Berlin. Rudolf L e p k e. Porzellansammlung
Dr. Witte (Rostock).
Herbst. Köln. Matth. L e in p e r t z. Nachlaß Josef W e t z-
lar, Köln. I. Teil: Antiquitäten, Möbel, Kunstgegenstände.
II. Teil: Gemälde älterer Meister.
Herbst. München. Galerie H e 1 b i n g. Sammlung Adolf
H e ß (Frankfurt a. M.). Antiquitäten, dabei hervorragende
italienische Terrakotten, Buchschnitzereien, Medaillen und
Plaketten, Wachsbossierungen, Porzellane etc.
Mitte Dezember. Berlin. Gebr. H e i 1 b r o n. Originai-
zeichnungeu der Münchener illustrierten Wochenschrift
»Jugend«.
Literatur.
* Kataloge des römisch-germanischen Zentral-Museums.
Nr. 1. Verzeichnis der Abgüsse und wichtigeren Photographien
mit Germanen-Darsteilungen von K. Schumacher. Mit
70 Abbildungen im Text. Dritte, vermehrte Auflage. Mainz
1912. In Kommission bei L. Wilckens. — Die dritte Auflage
hat eine vollkommene Bereicherung durch die Beschreibung
von 12 neuen Abgüssen und mehreren Photographien sowie
durch 20 neue Abbildungen erfahren, welch letztere größten -
teils auf photographischen Aufnahmen von F. Beh n beruhen.
Außerdem ist, dem Wunsche vieler Schulmänner Rechnung
tragend, Schumachers trefflicher Aufsatz »Tacitus Germania
und die erhaltenen Denkmäler«, der 1909 in der »Mainzer Zeit -
schrift« abgedruckt war, in den Katalog aufgenommen worden.
* Einführung in die bildenden Künste. Von Wilhelm
Waetzoldt. ln zwei Teilen. I. Teil: 363 Seiten Text. —
II. Teil: 194 Abbildungen auf 116 Seiten, In zwei eleganten
Leinwandbänden 10 Mk. (Verlag von Ferdinand Hirt &
Sohn in Leipzig.) Waetzoldts neues Buch ist aus den Er -
fahrungen des Kunstunterrichtes entstanden. Es will in erster
Linie die lernende Jugend der Hochschulen, Akademien, Uni -
versitäten und höheren Lehranstalten, weiterhin die gebildete
Laienwelt überhaupt in das Verständnis der bildenden Künste
(einschließlich der angewandten Kunst) einführen. Technik
und Theorie des künstlerischen Schaffens werden gleichmäßig
berücksichtigt und an zahlreichen Abbildungen die Haupt -
werke der großen 'Meister und der wichtigsten künstlerischen
Epochen von der Antike bis zur Gegenwart analysiert. Da
es darauf ankam, mit den Wegen und Zielen der künstlerischen
Arbeit vertraut zu machen, wmrde die Gliederung des Buches
Fig. 7. Pisano, Ackerbaurelief.
nach Künsten der üblichen Einteilung nach Perioden der Kunst -
geschichte vorgezogen. So bildet Waetzoldts Buch eine un -
entbehrliche, nach Methode und Umfang einzigartige Ergänzung
zu den Grundrissen der Kunstgeschichte. Die Vereinigung der
Bilder in einem besonderen Bande ist aus praktischen Grün -
den zu begrüßen. Die Abbildungen sind auf feinstem Kunst -
druckpapier gedruckt und entsprechen den hohen Anforde -
rungen, die man an unsere heutige Illustrationstechnik zu
stellen berechtigt ist. Eine Illustrationsprobe bietet Fig. 7,
die Andrea Pisanos Ackerbaurelief am Campanile des
Domes in Florenz veranschaulicht.
* Karl Woeick e, Beiträge, zur Geschichte des Tro-
paions. Bonner Jahrbücher, Heft 120, 1911, S. 125 bis 235.
Neue Kataloge.
* Georges R a p i 11 y, Paris. Catalogue de livres d’art.
Nr. 120. 1. Aoüt 1912. (Nr. 2265—2720.)
* Gilhofer & Ranschburg, Bücher- und Kunst -
antiquariat, Wien. 1. Anzeiger Nr. 102 des antiquarischen
Bücherlagers. (Nr. 25.872—26.777.)
Briefkasten.
Karl D„ Perchtoldsdorf. Wir haben Ihre Anfrage dem
Inserenten übermittelt, der sich mit Ihnen zweifellos direkt ins
Einvernehmen setzen wird.
Graf G. Der Krug erzielte 860 Mark.
Böhmerwald. Wird brieflich beantwortet.
Ad. v. G. Man zahlte bei der Auktion Calin in Frank -
furt a. M. für einen Denar Friedrich I. 10 bis 12 Mark, für
einen einseitigen halben Nottaler der Stadt Jülich aus dem
Jahre 1621 12 Mark.