Seite 324 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 21 Welt liegt in dem Abenteuer mit dem Handelsschiff, das die Meere befahren soll. Zugleich aber auch rührende Un kenntnis des praktischen Lebens, wie sie nur einer haben kann, der als Prinz geboren ist und die primitiven Hand griffe des Daseins mit eigenen Fingern niemals erprobt hat. Dann auch das erste Auslaufen der »St. Margarethe«. Ohne Proben, ohne Studienfahrten, ohne Bemühen um Routine, Erfahrung und Geschicklichkeit der Praxis geht es gleich auf eine Reise, die den verhärtetsten Seeleuten als die gefährlichste gilt. Der zweite Schritt wird getan, noch ehe der erste versucht ist. Dennoch liegt in all dem ein Zug ins Erhabene. Eine Verzweiflung liegt darin, die sich hoch und stolz über jegliche Trivialität hinausbäumt. Der Trotz eines Grandseigneurs und eines Helden. In den späten Söhnen uralter Königsgeschlechter regt sich manchmal wohl der große Ahnherrnwille, der einst das Haus zu Macht und Glanz mit starker Faust ernporgehoben. Heldeninstinkte erwachen, die von den Vorvätern her im Blut geschlummert haben. Ein Trieb rührt sich mit elementarer Sehnsucht, als gälte es, was längst schon erobert ist, noch einmal zu erobern. Schäumt solcher Triebe Leidenschaft in einem Thronerben empor, dann entsteht der Weltgeschichte ein großer Regent, und sie benennt das Zeitalter, in dem er gelebt hat, mit seinem Namen. Einem Johann Orth aber mußte dieser Sturm des fürstlichen Blutes zum Verhängnis werden. Doch auch er wird fortleben als eine der merkwürdigsten, viel deutigsten und rührendsten Gestalten, die unsere Epoche gesehen, als ein Mensch, der inbrünstig guten Wollens war und das tragisch naive Los der Ikarus erlitten hat. * Auf die Sammlungen Johann Orths haben wir schon in der Nummer 14 vom 15. Juli d. J. hingewiesen (Der Nachlaß Johann Orths): genauen Aufschluß gibt der Katalog, den die mit der Versteigerung betraute Firma Gebrüder Heilbron in Berlin herausgegeben hat. Der stattliche Band umfaßt 2]5 Text seiten, denen sich nicht weniger als 126 Tafeln mit Reproduk tionen der wichtigsten Stücke anschließen. Mit erlesenem Geschmack ausgestatteten Interieurs folgen da reizende Schränke der Barock- und Renaissance, die mit modernen Prunkarbeiten abwechseln. Ein Prachtstück zum Beispiel ist der Salontisch aus Porphyr im Stile Ludwigs XV. mit ovaler, gebogter Tischplatte, zylindrischem, profiliertem Fuß, auf achteckigem Sockel, mit gebogten Seiten. Der Rand der Tischplatte ist in Bronze gefaßt, die Bronzefassung des Fuß schaftes besteht aus zwei sitzenden, die Tuba blasenden Engeln, die zu beiden Seiten des Schaftes mit dem Rücken an dem selben lehnen, und deren Unterleib in Blattornamente übergeht Blattkränze verbinden auch die beiden Engel miteinander. An der Stirn- und Rückseite des Fußschaftes befinden sich Bronze schilder mit Porzellaneinlagen, auf welchen in Goldmaierei, auf türkisblauem Grund die Sevresmarke prangt. Auf der Tisch platte sieht man neun Porzelfenplatten von verschiedener Form, eine große in der Mitte, acht am Rande, von reliefierter. Bronze bändern umrahmt. Die Platten mit farbiger Unterglasur-Malerei: Darstellung von Allegorien, griechischen Gottheiten und den Jahreszeiten. Im ovalen Mittelfelde eine Gruppe junger Frauen an einem Bassin mit Schwänen. Unter den Gemälden stoßen wir auf Arbeiten von Lukas C r a n a c h dem Aelteren (Maria mit dem Kinde und Johannes), Albert C u y p (Kinderbildnis), Peter R o o s, genannt Rosa di Tivoli (Weidende Herde), Jan F y t (Jagdstilleben), Jan. Veenix (Jagdbeute), Jan van der Meer der Jüngere (Weidende Herde), Saftleven (Die Flucht nach Aegypten). Andreas Achenbach (Abendlandschaft) und Franz Skar- b i n a (Weihnachtsmarkt in Berlin). Ein »Dudelsackpfeifer-.: w r eist auf David T e n i e r s den Jüngeren, in einer Venus mit Bacchantin glaubt man ein Werkstattbild Tizians zu er kennen. Eine genaue Wiederholung dieses Bildes befindet sich i:n Palazzo Durazzo Palavicini zu Genua, eine andere, etwas veränderte, in der alten Pinakothek zu München. Viele Bilder konnten leider nicht bestimmt werden. Das unvollendete Knie stück mit der Darstellung Kaiser Leopolds II., das unsere Abbildung (Eig. 1) zeigt, rührt von Friedrich Heinrich Füger her und hatte nur einen Vorbesitzer, den Vater des Erzherzogs, der, wie ein auf der Rückseite des Bildes augehefteter Zettel besagt, das Porträt im Atelier des Künstlers gekauft hat. Eine kleine Sehenswürdigkeit fiir sich bildet die Samm lung der Augsburger und Nürnberger Becher aus Edelmetall, darunter sehr erlesene Stücke aus Silber mit goldgetriebener Arbeit. Nicht minder wertvoll sind die Arbeiten der Nürnberger Schmiedekunst. Man sieht hier eigenartig geformte Tinten fässer und herrliche Türschlösser. Aus Schloß Toskana und Villa Toskana stammt das herrliche Porzellan, das gewiß heiß umstritten werden wird. Erwähnenswert ist eine Sevres- tasse (Eig. 2) mit detn farbigen Brustbild der Kaiserin. Maria Luise, den Initialen M. L. und zwei Kronen. Auf der Untertasse prangt der napoleonische Adler. Die Marke der Petersburger Manufaktur trägt Fig. 3. Die Gruppe besteht aus zwei jungen Gelehrten, von denen der eine dicht über einen Giobus geneigt ist, der auf einem säulenartig geschweiften Postament ruht, während der andere sitzend sinnt. Seine Linke ist in der Hüfte, die Rechte auf einen Säulen- stumpf gestützt. Die Vorliebe des Erzherzogs fiir Wachsbossie- rungen drückt sich in einer ganz stattlichen Zahl dieser heute sehr beliebten Kunstobjekte aus. Neben italienischen Arbeiten aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert finden wir da sehr schöne Wachsreliefs deutscher Provenienz aus dem 18. und dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Keinem Geringeren als Aless. Abbon- d i o wird die Apostelbüste mit dem langen Bart zugeschrieben, die wir in Fig. 4 vorführen. Diese Aufzählung wäre aber sehr unvollkommen, wenn wir nicht die antiken Teller und Vasen, die zierlichen Dosen und Uhren, die wundervollen Rüstungen, die eigenartigen Waffen, Jagdgeräte und Geweihe erwähnen würden, die die Sammlung enthält. Um nur ein interessantes Stück hervorzuheben, sei atu die Vogelflinte (Fig. 5) verwiesen, die aus der Zeit um 1700 stammt und deutsches Fabrikat ist. Es ist eine sogenannte Tschinke mit Schlagschloß und Kolben. Der Kolben ist mit zahlreichen Tierdarstellungen, Ranken und Kartuschenwerk in Bein und Perlmutter eingelegt; auf der eisernen Schloßplatte ist ein ruhender Hirsch mit Hirschkuh eingraviert, der Lauf tragt früher vergoldete Gravierung. Ein neuer altniederländischer Maler? Man schreibt uns aus Brüssel: In den »Nachrichten der belgischen königlichen Museen« veröffentlicht der bekannte Kunstschriftsteller A. J. Wauters eine Abhandlung über Die r ick Bouts den Jüngeren, die er mit sieben Gravüren belegt. Es handelt sich in diesem Artikel um nichts Weniger als um die Einführung eines neuen Namens in die Hämische Schule, und zwar will Wauters einen Mann entdeckt haben, der an die Seite der van Eyck, des Roger van der Weyden, der Zeitgenossen Dierick Bouts des Aelteren, gestellt werden müsse. Es ist nicht das erstemal, daß die Existenz dieses neuen Malers gemeldet wird, denn schon Antwerpener und Löwener Kunsthistoriker haben Zweifel daiüber bestehen lassen, ob alle Bilder, die dem älteren Bouts zugeschrieben werden, auch wirklich von ihm herrühren. Nur