Seite 338 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 22 punkte aufklärend gewirkt haben und noch wirken. Wer ^ ihn aber gekannt hat und sich in persönlichem Umgang an seiner Laune, seinem Temperament erquicken durfte, mag in den Schriften den vollen Reiz seiner Natur ver missen. Lippmann schrieb ungern und schwer, er unter drückte die Originalität seines Geistes am Schreibtische mit dem.Ziele der Korrektheit und der wissenschaftlichen Objektivität vor Augen. Die literarische Produktion war nicht eine ebenso natürliche Aeußerung dieser tatkräftigen und beweglichen Persönlichkeit wie das Sammeln. Lippmann war, wenn nicht unfehlbar im Urteil, so üoeh sicher bis zur Genialität in Geschmacksfragen, so lange er sich in der Kunstwelt des 15. und 16. Jahrhunderts bewegte. Sein Verständnis stammte weniger aus müh samen Studien und Erfahrungen, denn aus angeborener Begabung und warmer Neigung. Dem 17. und 18. Jahr hundert stand er mit kühlerer Empfindung gegenüber, und dem 19. Jahrhundert mit Mißtrauen. Die Wohnräumt spiegelten den also gerichteten Geschmack des Hausherrn wider. Ueberreich mit Kunst gefüllt, wirkten sie har monisch, natürlich und behaglich, mit einer breiten, männ lichen Behaglichkeit. Lippmann kaufte nicht Meisternamen, sondern Kunst werke. Namen, erhielten die Bilder zumeist erst nach der Erwerbung. Ich durfte des öfteren bei der »Bestimmung«, helfen. Heute gehen die alten Bilder wie Wertpapiere um, die ohne Aleisterdeklaration keinen Kurs haben, und das natürliche Verhältnis des Sammlers zum Kunstwerk ist selten und ungewöhnlich geworden. Abergläubische Ehrfurcht vor Namen lenkt das Interesse vom Wesent lichen ab. Wirklich ist nicht einzusehen, weshalb das Bild, das ein mittelmäßiger Autor mit seiner Signatur versehen hat, mehr g'e 11 e n soll als die Arbeit eines tüchtigen Meisters, dessen Name verborgen ist. Das Vorurteil gegen anonyme Dinge ist ein Merkmal halben und unsicheren Verständ nisses. Wer sich den deutschen und niederländischen Bild werken und Holzskulpturen als Liebhaber oder Sammler nähert, muß die Sucht nach Meisternamen zu zügeln wissen. Mit den zwei oder drei bekannten Bildschnitzern kommt man nicht weit. Die seltenen und kostbaren Monumente der deutschen Malerei des 15. Jahrhunderts sind zumeist namenlos. Erst im 16. Jahrhundert trieb weltlicher Künstlerstolz, der Ge danke an Nachruhm viele Maler an, ihre Schöpfungen mit Signaturen zu versehen. Nun hat die Kunstforschung eine ganze Reihe von Persönlichkeiten entdeckt und hat ihnen Notnamen gegeben, da die wirklichen Namen nicht 'zu finden waren. Die gleichsam maskierten Gestalten sind im Zuge der Maler des 15. Jahrhunderts zahlreicher als die mit offenem Visiere, die wir mit ihren rechten Namen ansprechen. Gewiß ist die Persönlichkeit mehr als der Name. Der Persönlichkeit aber fühlen wir uns erst sicher, wenn wir auf ihre zweite Schöpfung stoßen, wenn wir ihre Art wiedererkennen. Dieses Wiedererkennen und Entdecken schöpferischer Individualitäten ist eine Auf gabe, die viele Kunstkenner ganz in Anspruch nimmt. Schließlich aber sagt es nichts gegen den Wert und die Qualität eines Bildes, daß sein Autor nirgendwo wdeder- erkannt worden ist. Ja, w'enn die Sprache des Kunst werkes eines markant persönlichen Tons ermangelt, mag aas als Fehler gelten (immer übrigens nicht, da aus ge wissen Perioden Schöpfungen höchster Qualität für unser Auge unpersönlich erscheinen), aber offenbar sind es oft ganz andere Ursachen, als Mangel an individuellem Aus drucke, die das Wiedererkennen des Autors verhindern oder bis jetzt verhindert haben. Kein Verständiger wird das charaktervolle Doppel bildnis in der Lippmannschen Sammlung mit dem Datum 1490 gering achten, w r eil wir den süddeutschen Meister, der gewiß für seine Zeit, seine Generation auf der Höhe stand, nicht kennen, sow-’eit nicht schon ein Werk seinen Schöpfer kennen lehrt. Und die »Wochenstube«, die offen bar um 1520 gemalt ist und mit der behaglichen Schilde rung eines traulichen bürgerlichen Wohnzimmers erfreut, kann nicht an Wert verlieren, falls der vorgeschlagene Meistername: »Hans von Kulmbach« sich nicht be wahren sollte. Die Anbetung der Könige ist dem »Meister des Heisterbacher Altars« zugeschrieben, der wohl aus der Schule Meister Wilhelms von Köln stammt, aber schon von der Formensprache Stephan Lochners berührt erscheint. Das Bild gehört nicht etwa zum Heisterbacher Altar. Dies ist schon deshalb unmöglich, w r eil die Anbetung der Könige in der Münchener Pina kothek unter den dort erhaltenen Resten dieses Altars nicht fehlt. Der Altar, zu dem die Lippmannsche Tafel einst gehörte, läßt sich w r ohl, wenigstens teilweise, Zu sammenstößen, da stilverwandte Tafeln in denselben Maßen zu Wiesbaden, München und Köln zu finden sind (vcrgl. Aldenhoven, Geschichte der Kölner Malerschule, S 164, wo unser Bild nicht erwähnt ist). Die beiden unter Cranachs Namen katalogisierten Tafeln gehören der früheren oder doch mittleren Zeit des Meisters an, also der guten oder besseren Zeit. Für das Studium der Cranachschen Kunst ist namentlich die Ge fangennahme Christi ein betnerkensw'ertes Dokument, ein mal wegen des Datums (1515), dann wegen der unge wöhnlich konsequent durchgeführten Nächtlichkeit der Szene. Ein niederländisches Vorbild zu solcher Ge staltung hatte Cranach vor Augen, wenn das Triptychon der Dresdener Galerie mit der dunkeln Gefangennahme Christi im Mittelbilde sich schon 1515 in der Schloßkirche von Wittenberg befand, wie angenommen wird. Von den niederländischen Bildern ist wohl keines im 15. Jahrhundert entstanden, sie stammen sämt lich aus jener kritischen, widerspruchsvollen und furcht baren Zeit zwischen 1500 und 1520, höchstens die An betung der Könige von Hieronymus Bosch könnte noch gegen Ende des 15. Jahrhunderts gemalt sein. Dieses Bild wird vielen Kunstfreunden als die Ueberraschung der Sammlung erscheinen. Man hat im allgemeinen so wenig Aussicht, diesen Meister zu finden, der ja selbst in der Londoner National Gallery, im Louvre, in Dresden und in München fehlt, der sich eigentlich nur im Eskurial offenbart. Ein wunderlicher Geist, mehr abergläubisch als fromm, mit scharfem Ton der Altarmalerei des 15. Jahr hunderts widersprechend, sah Bosch die Welt bevölkert mit Bosheiten und Teufeleien, und dichtete selbst Szenen kirchlicher Repräsentation in bewegte Tragikomödien um. Das genrehaft Menschliche und das geistreich erfundene Teuflische glückt ihm besser als das Göttliche (umgekehrt wie bei Fra Angelico). Man braucht die Anbetung der Könige in der Lippmannschen Sammlung nach der Kom positionsweise der Farbe und der Typen nur mit der ent sprechenden Darstellung im Prado, dem oft kopierten Hauptwerk Boschs, zu vergleichen, und w r ird die Richtig keit der Bestimmung erkennen. Den Namen »Dirk Veil er t« wird man nicht ohne Verwunderung in einem Gemäldekatalog finden. Dirk Vellert ist niemand anders als der hochgeschätzte Kupferstecher Dirk van Star, dessen richtigen Namen G. Glück vor einigen Jahren entdeckt hat. Der statt liche Flügelaltar mit der Anbetung der Könige im Mittel felde (Fig. 1), der aus der Wiener Sammlung Stäche in Lippmanns Haus gekommen ist, w-urde als das erste