Internationale ^ammler^tifunj Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 4. Jahrgang. Wien, 15. Dezember 1912. Nr. 24. Eine Miniatur Kaiser Leopold I. Vom Regierungsrat Rudolf R. Unter Hinweis auf die interessanten Ausführungen des Herrn Angelo Eisner von Eisenhof über ein Madonnenbild mit dem unverkennbaren Antlitz der Kaiserin M a r i a '1' h e r e s i a und ihres erstgeborenen Sohnes, des nachmaligen Kaisers Josef II. in Nr. 13 der »Internationalen Sammler- Zeitung«, sei cs mir gestattet, eines anderen sinnverwandten Bildes zu gedenken, das Kaiser Leopold I. (1658 bis 1705) als heiligen Leopold vorführt. Die feine Pergamentminia- tur von trefflichster Erhaltung und Farbenfrische in der Größe der hier gegebenen Re produktion (Fig. 1), befindet sich in meiner Sammlung, bei einem »Altertümler« in der Weihburggas.se zu Wien er worben noch zu günstiger Zeit, also ist es lange her. Wir sehen den Kaiser, völlig porträt getreu, mit mächtiger Allonge perücke, Herzogshut, Herme linkragen .und den typischen Beigaben des Heiligen, der Fahne mit den fünf Adlern und der Kirche auf dem Arm. Bekanntlich besitzen wir zeitgenössische Darstellungen des Heiligen nur auf Reiter siegeln, auf welchen derselbe in voller Rüstung dahersprengt. Glasgemäldc aus dem 13. Jahr hundert zeigen ihn jugendlich, in herzoglicher Tracht, erst seit dem 15. Jahrhundert etwa mit wallendem Vollbart und den erwähnten Attributen.* Besonders populär wurde * Vgl. des näheren Dr. Richard v. Kraliks treffliches Werk »Der hl. Leopold«. ** Zumeist mit der Signatur oder dem Wappen des je weiligen Propstes versehen, zeigen die Pfennige das Bild v. Höfken (Perchtoldsdorf bei Wien). letztere Darstellung nicht nur durch zahllose Bilder und graphische Wiedergaben, sondern auch durch die einst so beliebten Leopolds-Pfennige, welche nach der Heilig sprechung Leopolds (1508) auf kamen und in Form von Bet-, dann Spende- und endlich Ge legenheits-Pfennigen bis in die Zen des Propstes Jakob Rüt te n s t o c k (1829 bis 1842) fortlebten. Nebenbei bemerkt, dürfte kein anderes nicht münzberechtigtes Stift der Welt auf eine derartige ununter brochene Reihe numismati scher Denkmale hinzuweisen vermögen.** Ganz in der charakteristi schen Art dieser Darstellungen des Heiligen und Landes- patrones ,von Niederösterreich auf Bildern und Münzen be gegnet uns hier also Kaiser Leopold I. Veranlassung hiezu mag vielleicht die Erlösung von der Türkennot gegeben haben, so daß die Glorifizie rung dem kaiserlichen Befreier und Beschützer als einem »Patron Oesterreichs« gälte. Oder es handelte sich etwa um die Stiftung einer Kirche, eines Klosters, in welchem Falle dem Künstler ein Sanctus Leo- poldus redivivus vorgeschwebt haben mochte. Lcdiglichen, wenig sympathischen Byzan tinismus vermag ich in dem Bilde kaum zu vermuten, ebenso keine zwecklose Laune des Künstlers; hiefür erscheint die reizende Miniatur viel zu fleißig und mühevoll gemalt. des Heiligen, oftmals auch jenes seiner Gemahlin Agnes. Ein umfangreiches Verzeichnis bietet Josef N ent vichs »Numismatische Topographie von Niederösterreich«, Wien 1898.