Seite 370 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 24 Hugo Thimig als Sammler. Hugo T h i m i g, der gegenwärtig die provisorische Leitung des Wiener Hofburgtheaters inne hat und aller Wahrscheinlich keit nach im neuen Jahre sein definitiver Direktor sein wird, pflegt irn Nebenberufe mit größtem Eifer die Bibliophilie. Seine Sammellust erwuchs, wie er in dem eben bei Moritz P e r 1 e s in Wien erschienenen »Deutschen Bibliophilen-Kalender für das Jahr 1913 erzählt, aus seinem Interesse am Theater, dessen Ge schichte in Wort und Bild er sich zu vergegenwärtigen bestrebt war. Doch lassen wir dem Künstler selbst das Wort. Hugo T h i m i g berichtet: »Naturgemäß kristallisierten sich in 38jähriger Domizilsic-herheit meine Sammlungen um den Kern »Wien«, aber in ihrer Gesamtheit geben sie heute doch ein deutliches Bild des Entstehens und Wirkens des ganzen deutschen Theaters, mit der einzigen Beschränkung, daß sie die moderne Oper von dem Zeitpunkte an nur in besonders wichtigen Er scheinungen einbeziehen, an dem sie sich selbständig macht, ihre eigenen Häuser baut und ihr eigenes Personal vom Schau spiel absondert. Geduldig lasse ich das mitleidige Lächeln der Laien über die Schränke meiner 18.000 Bände und Faszikeln | und meiner 10.000 Bildnisse gleiten, ergeben ins Schicksal und schuldbewußt senke ich das Auge vor dem Gelehrtenblicke, der den Empiriker streift; denn ich habe doch die Zuversicht, daß der »beschreibende Katalog meiner Sammlungen zur Geschichte des deutschen Theaters und seiner Literatur«, wenn ich seine Fertig stellung erlebe, ein Buch sein wird, nach dem sie alle greifen müssen, wenn sie theaterhistorisch sich befleißen: die Forscher, Literaten, Händler, und Liebhaber. Und dann, war es nützlich, das verrückte Sammeln des Komikers. Vorgeschmäcker solcher Nützlichkeit genoß ich schon. O. ja. Kommt da eines Tages der Exzellenzherr Wie ß er als Vor stand der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst zu mir und bittet mich, ihm einige schöne und seltene Blätter für eine Sondernummer ihrer Publikationen anläßlich der Wiener Theaterausstellung zu geben, ich bereite ihm in chronologischer Folge ein volles Bildermaterial zu einer damals noch mangeln den Spezialgcschichte der Wiener Theater vor und lege ihm nahe, eine solche herauszugeben, sei des Schweißes der Edlen von der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst würdiger als eine gelegentliche »Nummer«. Er stutzt, schlägt die Hände über den Kopf zusammen — aber das monumentale Werk »Die Theater Wiens« entstand. Vom Bild zum Buch! Ein origineller Bilderantiquar war unser alter Karpentier in Wien. Seine Preisbestimmungen zeugten von naivester Unkenntnis der Werte. Nur auf illuminierte Kupfer hatte er es scharf; Silhouetten verachtete er. Und gerade ein Konvolut Silhouetten kaufte ich ihm eines Tages ab, Stück für Stück zehn Kreuzer; denn es waren Porträts der alten Leopoldstädter Bühne. »Ja, wenn ich das gewußt hätte, daß Sie das mögen. Da hab' ich vorige Woche ein ganzes Kistel voll, es waren auch Bilder dabei, nach Berlin verkauft.« — »An wen?!« — »Ach, an einen Händler.« Der Name war nicht her auszudrücken. Ostern stand vor der Tür. Theaterferien! Auf nach Berlin, auf die Suche nach dem Kistel des Karpentier. Beim ersten Antiquar, den ich aufsuche, stößt mein Fuß erst beim traurigen Verlassen des Geschäftslokales im schummrigen Vor zimmer an dieses Kistchen, kenntlich durch Karpentiers Krähen füße auf der Adresse. Nach diplomatischen Verhandlungen er schließt es mir der Händler: ich finde neben vielen anderen wichtigen Bildnissen aus früher Wiener Theaterzeit, einen Kupferstich, den Kasperle La Roche in einer Rolle darstellend. Neben dem Lösche n k o h 1 sehen Schattenriß das einzige Porträt des berühmten Komikertypus, das ich je gesehen habe, j Aber die Preise hatten sich in der Kiste merklich verändert. »Darf ich ihnen auch solche Sachen bringen?« frug midi gelegentlich eines »Geschäftsbesuches« bei rnir mein »fliegender« Händler v. L.: Fine handschriftliche Bearbeitung von Hebbels »Maria Magdalena«, wie sich herausstellte, ganz und gar von Hebbel selbst besorgt, mit Einschreibungen von des Dichters Hand, gänzlich unbekannt und nun Hofrat Werner für die neue Auflage seiner kritischen Hebbel-Ausgabe von mir übergeben. »O ja. mein lieber Herr, solche Sachen dürfen Sie mir schon bringen!« Nun, und die Leiden? Vor ungefähr dreißig Jahren habe ich ein gutes Exemplar der Erstausgabe der »Räuber« für 50 Gulden — kaufen können. Und ich tat es nicht. Ich hielt diesen Verzicht für Charakterstärke. Die Haare, die ich mir seither des wegen ausgerauft habe, hätten, gesammelt an den Perücken macher verkauft, schon mehr getragen. Doch ich sehe, spricht der Sammler von Leiden, muß er zumeist von Dummheiten sprechen, und absichtlich will ich das nicht tun. Und wenn ich noch mehr von alten Büchern schwatze, wird schließlich die Post keine Sendungen an mich befördern als unter der Adresse, die unlängst eine Korrespondenzkarte eines rnir bekannten Theaterhistorikers trug, der Material für eine Arbeit suchte; »Antiquariat Hugo Thimig, Wien.« Und ich habe sie pünktlich 7ugestellt erhalten. Und das sollte eigentlich einem Schau spieler von einigem Renommee nicht begegnen.« Gläser der Empire- und Biedermeierzeit. Zwei Wiener Gläserkollcktionen sind es, die am 16. und 17. d. M. im Dorotheum unter den Hammer kommen. Die Sammlungen, mit System zusammengetragen, enthalten ausschließlich Gläser aus der Empire- und der Biedermeierzeit. Es sind sowohl sämtliche in den böhmischen Glashütten gepflogenen Techniken als auch die wichtigsten Formen (Pokale, Trinkgläser, Karaffen und Flakons) vertreten. Die in der Regel in einem farbigen Medaillon eingeschnittenen Darstellungen — eine speziell von den Graveuren Haida und Stein schönau bis zu künstlerischer Vollkommenheit ge übte Technik — umfassen solche der Jagd, Ansichten von Städten und Badeorten, Symbole auf die Häuslich keit und auf die den Widmungsgläsern zugrunde liegen den Wünsche. Eigenartig ist den vorgenannten Gruppen das Her ausschleifen von einem bis sieben konkaven Kugelseg- menteri aus der Rückwandung des Glases. Dem Be schauer wird so die Möglichkeit geboten, die einge- schnittene Darstellung ebenso oft in stark verkleinertem Maßstabe zu betrachten. Für das Kunstgewerbe des Biedermeiers ist also auch hier die Freude an dem Zier lichen und das Streben nach einem hohen Maß der Ver kleinerung bezeichnend. Die Farben Rot, Blau und Gelb sind sowohl im Ueberfang als auch im sogenannten gestrichenen Ver fahren vorherrschend, letztere Farbe vom hellsten Ton bis zur Farbe des dunklen Bernsteins. Violette und grüne Gläser sind seltener. Bei den zu Anfang des XIX. Jahrhunderts neu er fundenen opaken Glassorten, den sogenannten Stein-