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Internationale fjj a m m 1 e r - Z e i t u n g.
thilde, die selbst trefflich zu malen verstand und den alten
Meister porträtierte. In diesen wandlungivollen Epochen,
die nicht allein die Regimes Frankreichs, sondern das
Leben des Landes bis in den innersten Kern trafen,
war Isabey er selbst geblieben; er sah in seinem Neben-
menschen, zumal wenn dieser sich abkonterfeien ließ,
immer das Beste. Die Frauen sind graziös und schön,
scheinbar gewichtlos, und ein leichter Wind, der ihre
Schleier und flatternden Bänder bläht, erhöht den Ein
druck des Aetherischen. Die Männer blicken alle ernsthaft
und bedeutend, ein wenig nach unbegrenzten Fernen
träumend. Sic sind Heerführer oder sonst Boten höherer
Schicksale. Aber bei den Männer- und bei den Frauen
porträts wird das doch nicht Manier. Man fühlt es, daß
der Meister wirklich so liebenswürdig empfindet. Ob
Republik oder Kaisertum, er sieht etwas Bedeutungsvolles
in der Stunde, in der er einem Großen oder Mindergroßen
der Erde gegenübersitzt. Eine von ihm selbst erzählte
Anekdote beweist dies in der Tat.
Er war in Wien in der kaiserlichen Burg und sollte
ein Bild vom Erzherzog K a r 1, dem Besieger Napoleons,
verfertigen. Lange kennte er nicht seinen Ausdruck er
fassen, den eines Generals, dem Uebermenschliches über
dem Uebermenschen gelungen war. Da schritt unter den
Fenstern, von einem freundlichen Berater hingesendet,
ein Regiment mit klingender Musik vorbei. Die Schulter
Karls reckte sich, seine Gesichtszüge wurden härter, sein
Blick durchdringender. Jetzt ist er wirklich der große
Feldherr von Aspern, und jetzt zeichnet Isabey mit reinen,
untadeligen Konturen, wie er es und wie es auch
Ingres vom Maler David gelernt hat, das Bildnis des
Erzherzogs Karl.
Bekanntlich durfte Isabey dem Allergrößten seine
Kunst weihen. Von ihm stammen die ersten Porträts Na
poleons, und die Anzahl seiner Napolconbilder umfaßt
alle Visionen, die er vom Konsul und vom Kaiser emp
fängt. Er sieht ihn in seinen jungen Jahren, da dieser die
Cäsarenpose noch nicht angenommen hat, nichts weiter
als der Korse »aux cheveux plat« ist, ein glattrasierter
Soldat mit gerader ; Nase,, ein Schauspieler etwa.
Isabey, der in der Intimität des großen Mannes leben
muß, weil dieser keine Zeit für Porträtstudien gewährt,
macht in seiner Anschauung und natürlich auch in
seinen Bildern die Wandlung mit, aber er war von allen
künstlerischen Höflingen noch der aufrichtigste. Er ver
schwieg nicht die emporgehobenen, ein wenig vorge
neigten Schultern, und setzte seinen Realismus gegenüber
dem Tyrannen durch, dem übrigens alle Porträts, auch
die von David, von Groß und Prudhon, als zu mensch
lich mißfielen. Und zum Schlüsse zeigt auch Isabey den
Kaiser als römischen Imperator mit einem Cameen-
gesicht, das nicht alle Zeugen der Mitwelt kannten und
das die Nachwelt kennen sollte. Isabey, der Josefine von
Beauharnais und die Madame Recatnier, diese übrigens
in überirdischer Lieblichkeit gemalt hatte, stand in seiner
höchsten Blüte zur Zeit der zweiten Kaiserin Frankreichs.
Er ist der Hofmaler 600 Franken für jede der Miniaturen,
die als Geschenke und Belohnungen unausgesetzt be- i
nötigt werden. Von ihm stammt das Medaillon, das der
Erzherzogin Marie Luise nach Wien gesendet wird, da
mit sie die Züge ihres späteren Gemahls kenne, und das
sie immer auf dem Halse trug; von ihm die reizendsten
Bilder der Kaiserin und des Königs von Rom, die Folge
der entzückenden Wiener Mädchenköpfe, erzherzogliche
Schwestern, und des Kaisers Franz I. und der Kaiserin
Maria Ludovika; von ihm auch das allerletzte Bild Na
poleons - 18i5 nach der Abdankung von Fontainebleau
— worauf der Kaiser scheu und gehetzt dreinsieht.
In Oesterreich war Isabey dreimal. 1811 begleitete
er Marie Luise, als sie nach Prag fuhr, indes Napoleon
im russischen Winter bei Moskau sein Glück ließ. Das
Jahr darauf kommt er wieder nach Wien, nach Laxen
burg und Baden, um die begonnenen Porträts der Habs
burger Familie zu beenden. Schließlich ist er, der so viele
schon hatte stürzen gesehen, auch bei den Festen des
Wiener Kongresses, auf dem die Vernichtung Napoleons
besiegelt wird. Er war mit seinem Kaiser zusammenge
brochen, er materiell, in seinen Beziehungen und Freund
schaften. Da nimmt ihn Talleyrand, der Chef der fran
zösischen Delegation, nach Wien mit. Isabey wohnt in
der Lcopoldstadt, die elegante Welt zieht an seinem
Hause vorbei und liebt es, bei ihm einen Augenblick zu
verweilen. Auf einer Sepiazeichnung kann man die
Ferdinandsbrücke sehen und das Cafe Jüngling, über dem
er sein Atelier hat, an der Ecke der Donaustraße und der
1 Jägerzeile. Er porträtiert wieder alle die Großen, die
hier über die Neuordnung der Welt beraten, ist wieder
Meister aller Vergnügungen, eines Festes besonders, das
beim Grafen Fries (im jetzigen Palais Pallavicini) auf
dem Josefsplatze die Fremden zum Bewundern anregt.
Von dem Riesenwerke Isabeys (das ebenso lebendig
wie sein regsames Leben zuletzt eine prächtig ausge
stattete Biographie von Madame Basily-Callinski, Paris,
verzeichnet), ist einiges auch in Wien geblieben. In der
Albertina eine Bleistiftskizze, das vornehme Profil von
Isabeys erster Frau. Erzherzog Rainer besitzt die beiden
Aquarelle, Napoleon und Marie Luise im schwerfälligen
Zeremonienkleide der Trauung, das Geschenk, das
nach der Hochzeit den kaiserlichen Eltern geschickt
wurde. In der Burg ist ein Porträt des blondgelockten
Königs von Rom, und noch ein zweites, das in den Fest
tagen des Kongresses entstanden war. Da trägt der
Knabe eine Art Pandurenkostüm und spielt im Garten von
Schönbrunn. Professor Adam Pollitzer hat eine beson
ders eindrucksvolle Skizze, die wahrscheinlich als Studie
für ein größeres Bild hätte dienen sollen; Napoleon — in
nächtlicher Stunde, er selbst im Schlafrock — betrachtet
beim Lichterschein sein friedlich schlafendes Kind. Und
endlich sind die duftigen sechzehn Porträts, die Isabey
in der Burg selbst gemalt hat, noch dort, und sollen im
Schlafzimmer des Kaisers hängen. Ein Porträt der Prin
zessin Barc-tion ist im Palais Auersperg. Das Bild des
Wiener Kongresses, mit den Gestalten Metternichs links
und Talleyrands rechts auf dem Vorderplane ist
leider nicht in Wien, sondern in der Sammlung des Königs
von England.
Isabey war gewiß der unpolitischeste Mensch aller
Zeiten und leistete jedem Regime gern Gefolgschaft, wo
fern es nur Feste möglich machte und eine neue Genera
tion von schönen Frauen zum Porträtieren erstehen ließ.
Aber doch bringt er das Kunststück fertig, daß Politik
und Kunst sich in seiner Lebens- und Arbeitsgeschichte
vereinigen. Die Geschichte all dessen, was er geschaffen
hat, ist die Geschichte seines Landes. Was damals
glänzte, hat in seinen W'crkcn gcstaltliche Unsterblichkeit
gefunden. Und schließlich weiß man beim Betrachten
seiner Bilder, Miniaturen, Aquarellen, Zeichnungen nicht,
ob diese Welt der Eleganz, der vornehmen Manieren,
des Lebensgenusses und des Herrschern dem Künstler
oder ob er dieser Welt den Charme mitteilt, der alle
auch im wichtigsten Milieu mögliche Alltäglichkeit fern
zuhalten scheint.
Das eingangs erwähnte Werk Isabeys, das wir hier
reproduzieren (Fig. 1) ist im Besitze des Antiquariates .1. J.
P 1 a s e h k a.