Seite 90 Nr. 6 Internationale Sammler-Zeitung. Bibliophilie. (Verkauf der Bibliothek Diithey.) Aus Leipzig wird uns geschrieben: Der bekannte Antiquariat Alfred L o r e n t z hat die wertvolle Bibliothek des verstorbenen Berliner Philosophen Prof. Dr. Wilhelm Diithey von dessen Erben käuflich erworben. Damit werden die Gerüchte von einem Uebergang der Bibliothek in amerikanischen Besitz hinfällig. Es ist Aussicht vorhanden, daß die Bibliothek von dem preußischen Kultusministerium angekauft wird. (Die größte serbische Bibliothek ver brannt.) In Ragaz (Schweiz) brannte die größte serbische Bibliothek ab. 15.000 Bände zumeist serbischer Dichter gingen zugrunde. Unter den verbrannten Büchern befand sich auch die Bibel Lasars des Großen. (Aus der Pariser N a t i o n a 1 b i b 1 i o t h e k.) Die Pariser Nationalbibliothek mit ihren drei Millionen Bänden wetteifert mit der Bibliothek des British Museums in London utn den Ruhm, die reichste Biichersammlung der Welt zu sein. Diesen Ruhm mag sie wohl auch verdienen, aber wenn man hinter die Kulissen der berühmten Pariser Bibliothek sieht, so bieten sich doch allerlei merkwürdige Ueber- raschungen. Die ungeheure Zahl der in der Nationalbibliothek aufbewahrten Bücher sinkt nämlich wesentlich herab, wenn man sich den dort altüberlieferten Brauch vergegenwärtigt, Neuauflagen und Neudrucke derselben Werke in unbegrenzter Zahl in die Bücherfächer aufzunehmen und dort aufzube wahren. So ist zum Beispiel der Roman »Die Million« von Jules Cläre tie in nicht weniger als 36 verschiedenen Auflagen vertreten. Es gibt vollkommen unbekannte Schreibers- leute, zum Beispiel einen gewissen Arvisene t, der in den Katalogen mit der stattlichen Zahl von 263 Bänden figuriert. Cicero macht dank der Vielzahl der Ausgaben seiner Werke die hübsche Masse von 4000 Bänden aus, B o i 1 e a u tritt mit 1000 Werken an, und die Ausgaben der Werke Balzacs stellen eine Bibliothek von 1500 Bänden dar. Es gibt entlegene Spezialwerke, die eigentlich kaum jemals verlangt werden, wie zum Beispiel einen Dictionaire de la Gendarmerie; dies Werk hat seinerzeit 12 Ausgaben und 18 Neudrucke erlebt und nimmt daher in der Nationalbibliothek einen erheblichen Raum ein. Die Zahl dieser Fälle ist aber groß, und die Bücher anhäufung ist schließlich so planlos geworden, daß eine Re organisation unvermeidlich geworden ist. Diese Re organisation ist jetzt beschlossene Sache: man will in die Bücherbestände etwas Logik hineinbringen und sie auch durchforsten, um Ueberfliissiges laszuwerden. Die drei Mil lionen mögen sich dann wohl vermindern, aber es bleibt wahr haftig genug übrig, und die Bibliothek wird nur besser. Was den Kataiog der Pariser Nationalbibliothek angeht, so ist sein Abschluß, wenn die Zahl der Mitarbeiter daran nicht verviel fältigt wird, nicht vor dem Jahre 2000 zu erwarten! Bilder. (Rembrandts »Rattentöte r«.) In M a i d e u- head an der Themse soll ein längst verloren geglaubtes Ge mälde von Rembrandt entdeckt worden sein, das unter dem Namen »Der Ratentöter« bekannt war. Es befindet sich jetzt in den Händen eines Herrn A. B o u 11 i n g. Die Londoner Experten, die das Bild prüften, haben es für echt erklärt. Rembrandt soll das Bild um 1630 gemalt haben, als er 24 Jahre alt war. Die im Britischen Museum befindliche Radierung ist eine genaue Kopie des Oelbildes. Der jetzige Besitzer hat ein Angebot von 80.000 Mark abgelehnt. (Die Bildergalerie des Hauses von Alba.) Man schreibt uns aus Madrid: Das hochadclige Geschlecht derer von B e r w i c k und von Alba hat sich seit jeher zum Ruhme angerechnet, ein Beschützer der schönen Künste zu sein. Der gegenwärtige Herzog von Alba hat, dem Beispiel seiner Mutter, der Herzogin Rosario folgend, die durch die Veröffentlichung ihrer Archive die Geschichte um wert volle Hilfsquellen bereicherte, nunmehr auch durch seinen Archivar M. de Bar eia ein Verzeichnis der Bildersamm lung S. E. des Herzogs von Berwick und von Alba veran stalten und herausgeben lassen. Der Reichtum des genannten Hauses an Kunstwerken aller Art ist ungeheuer. Seine Samm lungen von Gemälden, Miniaturen, Teppichen, Waffen, Fächern, Spitzen, Juwelen u. s. w. bilden ein ansehnliches Museum. Der soeben veröffentlichte Katalog umfaßt bloß die Gemälde und ist ein 300 Seiten starker Folioband, der nebst dem beschreibenden Text die Hauptgegenstände der Samm lungen in prachtvollen Lichtdruckbildern wiedergibt. Eingangs prangt das Porträt des ersten Herzogs von Alba, Don Fer nando Alvarez de Toledo, ein hochinteressantes spanisches Gemälde auf Holz, in deutschem Stil. Sodann kommen ver schiedene Bildnisse des großen Herzogs von Alba, des Unter drückers von Flandern, darunter auch die von Rey und von Tizian gemalten; das der Herzogin Maria Theresia Cayetano de Silva, von Goya gemalt; das vorn ersten Herzog von Ber wick, James Stuart, dem Gründer des Hauses von Berwick; das des zweiten Herzogs dieses Stammes, gemalt von Richard; und das von Catalina Colon de Portugal y Ayala, Herzogin von Berwick und von Veragua, ein Kunstwerk ersten Ranges, dem Pinsel Nattiers zu verdanken. Schließlich das Porträt der letzten Herzogin, Rosario Falcö, von Madrazo gemalt. Von den berühmten Goyabildern des Hauses ist wiedergegeben das Porträt der Marquise von Lazan; von den von Vicente Lopez gemalten Bildnissen ist wiedergegeben das Porträt des Grafen von Montijo, der mit einer Kirkpatrik o’Glosburn ver heiratet war und eine Rolle beim Aufstand in Aranjuez spielte. Von Winterhalter gemalt ist eines der schönsten Porträts der Kaiserin Eugenie, einer Montijo, von dieser dem Herzog von Alba, ihrem Schwager, geschenkt. Es sind ferner im Katalog einige Porträts von Mitgliedern der Familie Stuart abgebildet, darunter das des Sohnes des Königs Jakob II., Jakob Eduard, genannt der Sankt Georgsritter. Unter den Gemälden der spanischen Schule sind hervorzuheben ein Christusbild, vom Greco, ein Murillo (Porträt seines Sohnes Gabriel und ein Velasquez (Porträt der Infantin Margarita). Die italienische Schule ist ebenfalls reichlich vertreten. Der Katalog zeigt die Wiedergabe der »Jungfrau von Granada vorn Mönch An- gclico«; des Porträts der Großherzogin von Toscana. Bianca Capello, die im 16. Jahrhundert wegen ihrer Schönheit und ihres abenteuerlichen Lebens berühmt war, gemalt von Vero nese; sodann verschiedener Bilder von Palma il Vecchio, Perugino und Rafael. Die Niederländer sind glänzend ver treten durch Werke von Rembrandt. Rubens, Van Dyck und andere. Ein Selbstporträt von Mengs vertritt die deutsche Schule. Das Verzeichnis müßte viele Tausende Seiten stark sein, wenn es die gesamte endlose Galerie Bild um Bild wiedergeben wollte. Das Buch enthält interessante Angaben über die Herkunft und Geschichte jedes einzelnen Bildes, auch der nicht graphisch wiedergegebenen, sowie biographi sche Daten über die porträtierten Persönlichkeiten. Um einen Begriff von der schier verwirrenden Reichhaltigkeit dieser Bildersammlung zu geben, sei nur darauf hingewiesen, daß sie infolge von Verschwägerungen und Erbschaften die Galerien der Herzoge von Alba, von Berwick. von Liria und von Fernan Nunez, des Herzog-Grafen von Olivarcs. der Grafen von Galve und von Montijo in sich vereinigt, lauter Geschlechter, mit deren Namen die Geschichte Spaniens, ein großer Teil der Weltgeschichte, innig verwachsen ist. (Neue Raffael-Funde.) Reste eines verloren ge glaubten Jugendwerkes Raffaels aufzufinden, ist jetzt dem Berliner Kunstgelehrten Dr. Oskar F i s c h e 1 gelungen. Es handelt sich um Raffaels erstes großes Altarbild, eine Krönung des heiligen Nikolaus von Tolentino. Wie Dr. Fischei in der letzten Sitzung der Berliner Kunsthistorischen Gesellschaft ansführte, erhielt der erst Siebzehnjährige, damals noch in Peruginos Werkstatt tätige Künstler den Auftrag im Dezember 1500, und fast ein Jahr später wurden die Zahlungen an ihn abgeschlossen. Neben Raffael war für das Altarbild, das für die umbrische Stadt Ciitä di Castello bestimmt war, ein sonst nicht bekannter Künstler mit Namen Evangelista di Pian d : Mileto herangezogen. Nach einem Erdbeben im Jahre 1789, das die Kirche zerstörte, wurde das Bild an Papst Pius VI. ver kauft und in einzelne Teile zersägt. Eine Kopie der unteren Hälfte wurde angefertigt, um das Original an seiner ur sprünglichen Stelle zu ersetzen. Diese Kopie befindet sich jetzt im Stadtmuseum zu Cittä di Castello. Bei der französischen l Invasion des Jahres. 1789 wurden die Stücke des Originals