Nr. 7 Internationale Sammler-Zeitung. Seite 103 Das gleichmäßig hohe Niveau schließt aber natür lich nicht eine gelegentliche Erhebung aus, nur daß diese nicht unvermittelt dasteht, sondern organisch auf steigt und harmonisch verläuft. Solcher natürlichen Steigerungen sind manche da: der Kopf eines römischen Knaben von Paul Höcker, der, wenn auch nicht Feuerbachs gedämpfte Farben hat, sondern in tiefem Satt leuchtet, doch von Feuerbachscher Empfindung be seelt ist. Da ist Exters »Braut«, eine Leinwand, auf der die Farben ganz Duft geworden sind, wo gelbes Kerzenlicht und das Blau der Dämmerstunde die Form in Rauch auflösen und miteinander ein Spiel beginnen, dessen Reize der Maler ebenso empfunden wie festge halten hat. Da ist ein kleiner Stuck, ein trunken um gesunkenes Faunweibchen, ein echter Stuck, aber aus einer seiner gleichmütigen, schwachen Stunden. Ein kleiner Sperl von 1825 ist da, eine Genreszene, die von der Lichtführung im Raum, von der Durchsichtigkeit des Schattens der Kunst gerettet wird. Ein Trübner, das Bild eines Bauernmädchens, leuchtend, lebendig, keck hingeworfen, treffsicher festgehalten, blühend im Fleisch. Fritz August v. Kau Ibach mit einer Zeichnung der Düse, hier ganz innerlich, ganz beschränkt auf den Ausdruck der Seele, die Sichtbarmachung des Geistes. Und daneben ein Pastcllporträt der Gräfin M o 11 k e von Lenbach, das nicht nur die bekannte Lenbachsche Konzentration aufweist, sondern auch farbig exzelliert durch die Art, wie zu dem gelben Haar das blaue Kleid gestimmt ist. Da hängt ein kleiner Gebirgssee des alten Rottmann, in kleines Format eine große An schauung und Wirkung gepreßt, eine Alpenvedute mit im Hintergrund glühenden Gipfeln, groß gesehen und organisch aufgebaut, voll Naturempfinden. Daneben ein alter Eduard Hildebrandt, so gut erhalten, wie nur diese liebevoll angelegten und gemalten Bilder es sind. Von Leibi ein Bild des Malers Faustner aus dem Jahre 1865, Stück für Stück durchmodelliert, Stirn und Wange von einem Formenleben erfüllt, das nur Leibis Augen sahen, und doch in der Wirkung nicht zerstückelt, sondern einen großen und einheitlichen Eindruck ver mittelnd, den Menschen mit festem Griff zusammen reißend und unerhört lebendig hinstellend. Da gibt es eine Reihe von Tinobildern, die niederländische Tradi tionen fortsetzen; Landschaften, die nur die deutsche Kunst hervorbringt, über denen Ludwig Richters Stern strahlt. Eine Ueberraschung wird diese Sammlung bringen: man wird den Maler Alfons Spring für weitere Kreise entdecken. Er malte Bauernszenen, Bauernporträts, ländliche Idylle, häusliche Stilleben. Er ist vertiefter als Vautier, er ist natürlicher als Defregger, Leibi ist sein Ziel. Seine Charakteristik ist vorzüglich, seine Porträts sind des Lebens voll, erfassen die Eigentümlichkeit der Menschen mit sicherem Blick. Er liebt das Detail und wird niemals kleinlich. Er kann auch das Große geben und wird niemals leer. Er hat auf dunklem Grunde eine alte betende Bäuerin gemalt: Das Bild ist von Leibischer Kraft in Auffassung und Durchbildung. Mit Spannung und innerer Teilnahme wird man am Versteigerungstage verfolgen, wie sich das Publikum zu diesen Nachlässen stellen wird. Die Neuerwerbungen der Berliner kgl. Museen. Nach den »Amtlichen Berichten aus den Königlichen Kunstsammlungen« in Berlin hat die Gemäldegalerie eine alte Kopie nach einem verlorenen Werke Matthias Grünewalds erworben, und zwar nach der kleinen Kreuzigung, die Wilhelm V., der »Fromme«, der eifrige Be schützer der Jesuiten, seiner Kunstkammer in der Münchener Residenz einverleibte. H. A. Schmid, der neueste und gründlichste Biograph Grünewalds, nimmt an, daß das Wcrk- chen bei den Residenzbränden von 1674 oder 1729 zugrunde ging. Außer einem bei Satidrart erwähnten Stich von Sadeler d. Ae. ist keine Kopie auf uns gekommen, die den Anspruch erheben dürfte, direkt von dem Original des großen Aschaffeu- burgers abzustammen. Das ist nun der Fall mit der auf Kupfer gemalten Kopie derselben Kreuzigung (hoch 20'5 Zentimeter, breit 15 Zentimeter), die das Kaiser Friedrich-Museum aus dem rheinischen Kunsthandel vor kurzem erworben hat. Ihr Autor entstammt derselben flämischen Kunstsphäre wie Sadeler, dem Kreis der Brueghel, Franken, Schubruck, auch ist sie wohl um dieselbe Zeit entstanden wie der Stich, zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Das Bildchen enthält noch viei mehr Grüncwaldsche Art und Formen, als der Sadelersche Umrißstich. Für das Kupferstichkabinett wurden einige Glasklischees erworben, damit die ersten Proben einer Tech nik, die freilich nicht rein graphischer Art ist. Es sind Pro dukte abendlicher Nebenbeschäftigung der Schule von Bar bizon, ursprünglich spielerisch entstanden und kaum in der Absicht gearbeitet, käufliche Ware herzustellen. Die Barbi- zoner nannten ihrerzeit diese Blätter Cliches-Glaces. Es fin den sich auch die Ausdrücke heliographies sur verre, helio- typies, autographies photographiques, photocalques, procedes sur verre. Seit einigen Jahren eifrig gesammelt und hoch be zahlt, werden sie neuerdings in den Katalogen Cliches-Verres bezeichnet, so von Loys D e 11 e i 1, der um die gesteigerte Schätzung dieser vergessenen Kunst große Verdienste hat. Das seltsame Verfahren wurde Anfang der 1850er Jahre in Arras erfunden von zwei Liebhaberphotographen, dem Zeichenlehrer Grandguilleaume und dem Oelfabrikanten Cuvelier. Durch den Photographen von Arras, Dutilleux, erfuhr Corot von der Einfindung, der mit ihr die ersten künstlerischen Versuche 1853 anstellte. Seltsamerweise erhielt Barthelemy Pont für ein ähnliches Verfahren, das er unab hängig von den Herren von Arras erfunden hatte, 1854 ein Patent. Nach Corot hat Delacroix ebenfalls durch Dutil leux 1854 vom Glasklischee Kenntnis bekommen, aber nur einen Versuch damit gemacht. (Delacroix gebraucht den Aus druck eau-forte photographique.) Die Technik wird folgendermaßen beschrieben: Eine Glasscheibe, am besten Spiegelglas, wird mittelst eines Ballens (Tampon) mit einer vollständig deckenden Schicht Druckerschwärze überzogen. Diese gleichmäßig schwarze Decke wird dann durch ein feines Sieb mit Bleiweißpulver eingestäubt, wiederum volständig deckend. Die so vorbereitete Glasscheibe wird, die schwarz-weiße Schicht nach oben, auf ein Stück schwarzen Tuches gelegt, das, des Verschiebens wegen, etwas größei als die Scheibe sein muß. Es wird mit einer stumpfen Nadel derart gezeichnet, daß die aufgedrückte Nadelspitze an den übergangenen Stellen die Farbschicht ent fernt. Die Arbeit ist also durchaus entsprechend der des Radierers auf dem Aetzgrund. Nach Vollendung erscheint beim Glasklischee die Zeichnung schwarz (das durchscheinende Tuch an den bioßgeiegten Stellen) auf weißem Grund. Ein