Nr. 12 Seite 179 Internationale Sammler-Zeitung. Dichter und Schauspieler. Einen breiten Raum nehmen da die Glückwünsche zur silbernen Hochzeit (April 1858) des Ehepaares Rettich ein. Herzlich gefaßte Briefe (Frommian, Paul Hey se, Raymond, Klara Schumann-Wiek) und Gedichte (Halm, Amalie Haizinger-Schönfeld »Ach, Julie . . .«). Ein musikalisches Manuskript von Lindpaintner enthält Herweghs »Des Totengräbers Liebeslied« vertont. Die Briefe von Anastasius Grün (17. März 1835), Biedenfeld (7. Juli 1821), G e i b e 1 (1. August 1869), Holtci (22. Jänner 1859), Iffiand (18. März 1809), L aube (15. März 1843), S p o h r (21. Mai 1818) sind in haltlich ebenso bemerkenswert, wie die kritischen An merkungen über den englischen Romancier Bulwer- L y 11 o n, zu denen sich der österreichische Dichter Hammer -P-urgstall veranlaßt sieht (23. Juli 1858). Auch dem Diplomaten Prokesch - Osten be gegnen wir hier und seiner Gemahlin Friederike G o ß- mann. Erstercr würdigt in eingehender Weise das seelenvolle Spiel der R e 11 i c h, seine Gattin kann es Bismarck nicht verzeihen, daß er den Bruderkrieg von 1866 heraufbeschworen. Ein würdiges Seitenstück dieser Abteilung bilden hundertsechzig Autographen aus der Sammlung des Kapellmeisters Adolf Müller junior, die im Jahre 1901 bei der Wiener Firma Gilhofer & Ranschburg versteigert worden war. Da findet sich der rührende Abschiedsbrief, den Robert Blum zwei Stunden vor seiner Justifizierung an seine Gattin gerichtet (9. November 1848). Er läßt das Sturmjahr 1848 Wiederaufleben, an das auch die Auto graphen von Görgey (15. April 1849), Klapka (21. Juni, 1847, 12. Juli 1848), Kuranda (o. D.), Latour (12. Mai 1848) erinnern, wie der Name Messen hauser, der sich mit zwei Gedichten einstellt: »Und du bist mein?«, »Komm«, die den eigenen Reiz seiner Persönlichkeit noch erhöhen. Gedichte enthält diese Abteilung auch von Buri: »Lied von der großen Bretzel«, Carlopago: »Ver wandte Klage«, Gr übel: »Dös mahn ih ober doch«, H erzen skr on: »Der Junggeselle und der Dämon«, öser: »Liebeslieder«, Siegmund Schlesinger: »Leere Tasche, volles Herz«, Seidl: »’s letzte Fen- sterln«. Letzteres als musikalisches Manuskript. In dieser Form der Autographen ist auch Marschner ver treten (»Der verliebte Maikäfer«) neben Mascagni, Massenet, Meyerbeer, Millöcker, P r e y e r, S c h u 1 h o f f und T h a 1 b e r g. Die Fülle des Materials gestattet nur eine gedrängte Zusammenstellung; aber auch diese wird zu erweisen vermögen, daß hier viel Liebe und Verständnis zusam menwirkten, um der Zeit des Aufstrebens auf allen Kul- turgebieten in einer Autographensammlung ein würdiges Denkmal zu setzen. Eine „Gotha“-Sammlung. Die bei Martin Breslauer in Berlin zur Ver steigerung gelangende Sammlung Gothaer Almanache und Hofkalender des Amtsrichters Edward Clement in Magdeburg präsentiert sich als die bedeutendste Ver einigung vollständiger Folgen und einzelner Jahrgänge des berühmten »Qotha« mit allen ihren Verschiedenheiten. Wenn in dem Vorwort zu dem ausgezeichneten Katalog darauf hingewiesen wird, daß keine andere Sammlung dieser Art der Clementschen auch nur annähernd gleichkommt, so ist dies als keine Uebertreibung anzusehen, da weder im Privatbesitzs, noch in den großen Bibliotheken — ja, nicht einmal im Archiv der Verlagsfirma von Justus Perthes in Gotha — sich neben den Suiten eine solche Fülle von Varia tionen eines und desselben Jahrganges an Doppeldrucken, an bibliographischen und ikonographischen Verschiedenheiten findet, wie hier. Die Literatur über den »Gotha« ist ziemlich spärlich. Seine Vorläufer sind die Taschenbücher und Almanache, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufkamen und sich wachsender Beliebtheit erfreuten. 1764 erschien zum ersten mal der »Almanac de Gotha, contenant diverses connois- sance curieuses et utiles. Inprime ä Gotha chez J. C. R e y h e r«, der außer einem Kalendarium und verschiedenen Tabellen eine kurze Genealogie der europäischen Regenten häuser, Stammtafel des sächsischen Hauses, eine chronolo gische Uebersicht der deutschen Kaiser, sowie eine ganze Anzahl Artikel astronomischen, physikalischen und natur- wissenschatlichen Inhalts, über Kunst, Entdeckungen, Handelsartikel, Maße und Gewichte enthielt. Der folgende Jahrgang (1765) erschien in deutscher Sprache unter dem Titel »Gothaischer Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen eingericht (sic!) auf das Jahr 1765«.* * Die Angabe des Jahrganges 1816, daß der Jahrgang 1765 daneben auch französisch erschienen sei, beruht auf einem Irrtume und wurde daher im Jahrgange 1863 Der Inhalt dieses ersten Jahrganges des »Hofkalenders« er weiterte seinen Umfang gegenüber dem »Almanach« von 1764 dadurch, daß die chronologische Tabelle auch auf die Könige von Frankreich und England ausgedehnt und die Genealogie der europäischen Fürstenhäuser nunmehr voll ständig unter Anführung aller lebenden Glieder eines jeden Hauses gebracht wurde. Mit diesem Jahrgang wurde der Hof kalender bereits in die Form gebracht, die er im wesentlichen unverändert gegen 60 Jahre beibehalten konnte. Der Inhalt zerfiel nun in die ständig wiederkehrenden und in alljährlich wechselnde Artikel. Vom Jahrgang 1766 an erschien der Kalender jährlich in einer deutschen und einer französischen Ausgabe. Den wich tigsten Teil der ständigen Artikel bildete die sich immer mehr ausdehnende Genealogie mit den anschließenden syn chronistischen Tabellen der Herrscher und die statistischen Artikel unter den Titeln »Von der Erde« und »Politische Rechenkunst«. Diese enthielten schon in den ersten Jahren An gaben über die Ausdehnung der Erdteile und Länder, Ver zeichnisse der wichtigsten Städte mit ihrer Einwohnerzahl, der Staaten mit Angabe der Heeresstärke und der Etats. Durch den stetig wachsenden Umfang dieser Artikel entwickelte sich der Hofkalender schließlich zu dem diplomatisch-statistischen Jahrbuch, als welches er seit dem ersten Viertel des 19. Jahr hunderts auf der ganzen Erde große Verbreitung gefunden hat und dank der Ausführlichkeit und Zuverlässigkeit seiner Angaben hohes Ansehen genießt. Daneben kehrten in den ersten Jahrzehnten Aufsätze über astronomische Gegenstände wieder, sowie über den menschlichen Körper und seine Teile, über wichtige Erfindungen, Münzen, Maße und Gewichte u. s. w. Während der heutige Benützer des »Gotha« neben der Genealogie besonders die Statistik in ihm sucht, erfreute sich fallen gelassen. Weder Perthes noch irgend ein anderer Sammler besitzt ein Exemplar der angeblichen französischen Ausgabe von 1765.