Internationale 4§ammler-2ßifunu Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 5. Jahrgang. Wien, 1. Juli 1913. Nr. 13. Die Sammlung Artur Maier in Karlsbad. Von August Strobel (Prag). Im Sommer ist Karlsbad ein Weltbad. Aber im Winter, wenn der Schnee rings auf den Höhen seinen Hermelinpelz ausbreitet, wenn die vom Sprudel er wärmte Tepl zwischen zackig-vereisten Rändern dünn talabwärts fließt, wenn die Karlsbader selber aus ihren dritten und vierten Stockwerken wieder in die eleganten Zimmer des ersten hinunterziehen, die sommersüber hohe Zinseszinsen trugen, dann ist Karlsbad doch nur eine Provinzstadt. Eine Provinzstadt mit all ihrem eng kleinlichen Getriebe, mit ihrem vom Kirchturm orien tierten Interesscnkreis, ihrem der Weltstadt abge guckten Gesellschafts- und Vergnügungstreiben. Kaum könnte ein Boden ungeeigneter sein, einen stillen, in sich versenkten und doch weltmännisch urteilenden, welt männisch genießenden Kunstfreund und Sammler her vorzubringen als die böhmische Sprudeistadt. Der Reich tum, die Vorbedingung irgend intensiveren Saminler- tums, ist allerdings in dem gesegneten Heilbad nicht eben selten; und auch die Freude am Kostbaren, am Sel tenen, am gerade Modernen tobt sich in mancher elegan ten Behausung oft mit Geschmack aus. Aber es ist doch etwas ganz anderes: mit eigenem Urteil, mit liebevoll- scharfsichtigem Auge und sorgsam nachschmeckender Kennergourmandise alte Meister sammeln, ein Ver mögen in Gemälden anlegen und dabei keine Nieten, keine nur von Namen gedeckten Atrappen in seinen vier Mauern zu dulden. Solch einen reinen Qualitätssammler würde man in Karlsbad nicht suchen. Ich habe ihn ge funden und ich will hier berichten, was bisher nur weni gen, zudem über Europas Hauptstädte zerstreuten Kunst freunden, Forschern und Sammlern, aus eigener An schauung bekannt ist, obgleich diese herrlichen künst lerischen Schätze mit vielberühmten hauptstädtischen Privatsammlungen den Vergleich aushalten können. Ueber die Sammlung Maier in Karlsbad ist bisher noch nirgends zusammenhängend geschrieben worden; wiewohl selbst so bedeutende Forscher, wie Bode, wenn er über die Holländer schreibt, oder Sack in seiner monumentalen Tiepolo-Monographie Bilder der Sammlung Maier als wichtige Belege zitieren müssen. Dies dürfte indes iri kurzer Zeit anders werden: der Wiener Salon M i e t h k e, der die Karlsbader Kunsthalle gepachtet hat, will demnächst die Sammlung Maier zum erstenmal öffentlich ausstellen: dann werden die Fach leute wahrscheinlich aufs höchste erstaunt sein und die Literatur wird sich ausgiebig mit den Gemälden Maiers beschäftigen. Dieser wissenschaftlichen Arbeit möge die folgende Ueb ersieht zur vorläufigen Grundlage dienen. Artur Maier ist der Typus des Qualitätssamrn- lers. Er hat viele Jahre seines arbeitsreichen Lebens dem Studium und der Liebe des Schönen gewidmet, ehe er Sammler wurde. Nicht ererbte Neigung, nicht vom Vor fahr übernommene Verpflichtung hat ihn zum Bilder besitzer gemacht. Kaum vor zehn Jahren kaufte er das erste Stück seiner auch heute noch nicht allzu umfang reichen Sammlung. Mit scharfsichtiger Sicherheit und gut fundiertem Wissen besah er, was ihm angeboten wurde: weder Namen noch Herkunft imponierten ihm, sondern die wahre innere Schönheit des Kunstwerkes. Und so hat er denn lauter Werke zusammengebracht, die, ohne das Aushängeschild eines berühmten Urhebers, den Betrachter entzücken, dem Besitzer und intimen Kenner viele Stunden edelsten Kunstgenusses vermitteln. Maier ist selbst der genaueste Kenner seiner Bilder; er erzählt von ihren Schönheiten wie von ihren Schwächen wie ein Vater von seinen Kindern, mit genau so viel Liebe und mit ungleich mehr Gerechtigkeit. Er ist immer der erste, der bei einem Kauf die Urheberschaft der großen Namen, auf die manche Bilder im Kunsthandel laufen, anzweifelt, er nimmt Umtaufen — selbst von scheinbar ordnungsgemäß signierten Bildern — auf eigene Faust vor, und zwar in pejorem. Er kauft auch namenlose Bilder, wenn ihre Qualität ihn einmal bestochen hat, und er besitzt freilich auch einwandfreie Meisterwerke, um die ihn staatliche Galerien beneiden dürfen. Seine Ruis- daeis, seine Tiepolos, sein Goya z. B. sind heute schon international berühmt. Um eine Uebersicht mit Maiers Italienern zu be ginnen, so muß zuerst von seinen beiden Tiepolos gesprochen werden. Sie weisen in zwei ganz verschie dene Entwicklungsabschnitte des Meisters: offenbar ist eine weich-goldtonige Madonna rnit dem Jesuknaben voll lieblichen Ausdruckes, lebhafter Bewegung, warmer Köloristik, ein frühes Werk; während die »Madonna mit dem Stieglitz« in ihrem Silberton, ihrer still-sinnendeu Haltung, dem verschleierten, ahnungsdüsteren Blick sich