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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 14
Stellung aber unmöglich, so zeige man bei senkrechter An
ordnung das Schloß als den technisch wichtigsten Teil, wenn
nicht in Augenhöhe, so doch etwa in Tischhöhe, also zirka 80
bis 90 Zentimeter vom Fußboden.
Für die Gestelle ist Holz dem Eisen vorzuziehen, nicht
nur aus Billigkeitsgründen, sondern weil man dem Eisen der
Waffen keinen stofflichen Konkurrenten an die Seite geben
soll. Wo das Eisen das Holz berührt, bleibt ihm stets der
Charakter des Ueberlegenen, Unverletzlichen, während es im
anderen Fall durch eine weiche Umhüllung des Trägers ängst
lich geschützt werden muß. Die Waffe aber soll, auch im be
scheidenen Raume des Sammlers, nicht als Symbol der Ver
gänglichkeit, sondern als Zeichen des Sieges im Kampfe
wirken.«
Der nächste Abschnitt bringt eine übersichtliche Zu
sammenstellung der öffentlichen Sammlungen in Deutschland,
denen sich die außerdeutschen, sowie Privatsarnrnlungen und
kleinere Rüstkammern anreihen.
Wer durch dieses vorzügliche Handbuch angeregt, sich in
der Waffenkunde weiter ausbilden will, der wird dem Ver
fasser gewiß auch für die Hinweise auf die einschlägige Lite
ratur sehr dankbar sein, die den von der Verlagsbuchhandlung
Schmidt & Co., prächtig ausgestatteten und mit 88 Illustrationen
versehenen Band abschließen.
Neuerwerbungen der Berliner königlichen Museen.
Unter den Neuerwerbungen der Berliner königlichen
Museen, die das soeben zur Ausgabe gelangte Juli-Heft
der »Amtlichen Berichte aus den Königlichen Kunst
sammlungen« verzeichnet, ist bemerkenswert ein
»Heiliger Hieronymus«, der als Geschenk der Herren
Colnagyi, Obach & Co. ins Kaiser Friedrich-Museum
gelangte.
Das Bild ist von der Hand des »Meisters des heiligen
Aegidius«, von dem nur wenig Werke auf uns gekommen
sind, und von dessen Malweisc wir erst seit etwa
20 Jahren überhaupt eine, wenn auch nur schwache Vor
stellung haben. Im Jahre 1892 fanden sich auf der Aus
stellung altniederländischer Bilder im Burlington Fine-
Arts Club zwei Tafeln zusammen, die ursprünglich die
Flügel eines Altars gebildet hatten. Das eine Bild zeigt,
wie eine Hirschkuh sich in den Schutz des .Einsiedlers
Aegidius rettet, das andere stellt den heiligen Aegidius
dar, wie er die Messe liest in Gegenwart eines knienden
Kaisers. Ein Engel mit einem Spruchband schwebt herab
und offenbart dem Heiligen eine Sünde des Kaisers. Diese
Legende wird auf Karl Märtel oder auf Karl den Großen
bezogen. Andere, demselben Künstler angehörende Stücke
hat dann v. Tschudi erkannt, vor allem zwei Bilder in der
Sammlung von Kaufmann in Berlin: die »Flucht nach
Aegypten« und die »Darbringung Christi im Tempel«.
Auch ein Porträtpaar in Chantilly wurden als Werk des
Meisters identifiziert, und gleichfalls von dem Künstler
des Aegidius-Altars rühren zwei Tafeln her, die auf der
Auktion de Beurnonville zu Paris verkauft wurden. Dar
gestellt ist ein heiliger Bischof, der vor einer Kathedrale
eine Ansammlung von Kranken segnet, und auf dem
zweiten Bild, wie derselbe Bischof einen König tauft.
Gemeint ist wahrscheinlich der Bischof Remigius, der den
König Chlodwig tauft. Zu diesen Werken tritt außer einer
sich noch im Pariser Kunsthandel befindlichen Madonna
in Halbfigur jetzt der heilige Hieronymus im Kaiser
Friedrich-Museum. Wert und Reiz dieses Bildes liegen
eher in Einzelheiten und Nebendingen als in der Haupt
figur. Das Schönste ist die botanisch scharf charakteri
sierte Vegetation, die im Vordergrund am Boden liegen
den Bücher sowie die Hintcrgrundlandschaft.
Der Meister des Bildes scheint in Frankreich tätig
gewesen zu sein, denn auf der Tafel mit der Messe des
heiligen Aegidius ist der Altar von St. Denis, den Karl
der Kahle gestiftet hat, sowie das Kreuz, das von Suger
hinzugefügt wurde, mit größtem Verständnis für früh
mittelalterliche Stilreformen dargestellt. Nach den Ab
bildungen ist eine stilkritische Beurteilung und Datierung
der nicht mehr vorhandenen Heiligtümer möglich. Die
Begegnung des heiligen Aegidius mit Karl Märtel (oder
Karl dem Großen) ist eine spezifisch französische Episode
der Legende, und der Aegidius-Altar hat sicher, wenn
auch nicht gerade in St. Denis, so doch auf französischem
Boden gestanden. Auch die Tafeln, die den Bischof
Remigius darstellen, sind höchstwahrscheinlich für eine
französische Kirche gemalt worden. In allen seinen
Werken ist der Meister besonders stark in den Einzel
heiten, während seine Perspektive große Mängel auf
weist, so sind zum Beispiel die Bodenflächen der Kirchen
erstaunlich unrichtig konstruiert. Die Figuren haben
eigenartig breite Köpfe, die öfters in Verkürzung ver
zerrt und zerdrückt erscheinen. Die Hände sind krallig,
von derber Form, aber großer Sorgfalt in der Bewegung.
Durch Eintragung von Schattenlinien und Lichtlinien er
scheinen die Gesichter öfters unsymmetrisch und auf
gelöst, doch ist ihnen ein malerischer Reiz sowie
Lebendigkeit und Illusion nicht abzusprechen.
Für das Kunstgewerbe-Museum konnte eine Scheibe
des Ulmer Glasmalers Hans Wild erworben werden.
Eine lange Reihe monumentaler Werke dieses Meisters
ist bekannt. Erstaunlich ist die Arbeitskraft dieses
Künstlers, der in einem Zeitraum von zwei Jahrzehnten
für wenigstens zwölf Städte Kirchenfenster geschaffen
hat, unter denen sich die besten und umfangreichsten
Denkmäler der spätgotischen Monumentalmalerei in Süd
deutschland befinden, wie zum Beispiel das Kramer
fenster in Ulm, das Volkamerfenster der Lorenzkirche
in Nürnberg und das Scharfzandtfenster der Frauenkirche
in München. Eine solche Produktivität war natürlich nur
mit Hilfe einer großen Werkstatt für die technische Aus
führung der Glaserarbeiten denkbar, doch hat der durch
aus einheitliche, scharf ausgeprägte Stil der Werke, so
wohl in den Figuren und Draperien, den Architektur
formen und Ornamenten, wie auch in der Farbenwahl,
nicht nur den Entwurf des Ganzen durch Hans Wild
selbst, sondern auch seine weitgehende Mitwirkung an
der Bemalung der Scheiben zur notwendigen Voraus
setzung. So zahlreich die erhaltenen Kirchenfenster von
Hans Wild sind, die sich heute noch an Ort und Stelle be
finden, so spärlich ist seine Kunst in Museen vertreten.
Als der hervorragendste Glasmaler kurz vor 1500 war er
mit Aufträgen für Kirchen überhäuft, so daß er für kleinere
Arbeiten wenig Zeit fand.
Bislang besaß das Kunstgewerbe-Museum von Hans
Wild nur das Fragment einer kleinen Scheibe mit der
Verkündigung, das sehr gut die Ausschlifftechnik der
Ueberfanggläscr veranschaulicht, und zwei Scheiben mit
Fialen und spätgotischem Ornament aus den Baldachin
bekrönungen der verlorenen Kapitelsaalfenster im
Münster zu Konstanz. Obwohl die ornamentale Er-