Seite 236 Internationale Sammler- Zeitung. Nr. 15/16 !ungen. Ein Ueberblick über den Besitz dieser Kollektionen zeigt, daß die alte Kunst völlig unbeachtet ist: man kauft zeitge nössische, europäische Malerei, in den Katalogen dominieren Bouguereau, Diaz, üerome, Corot, Meissonier, Detaille. aber ein erschreckender Prozentsatz dieser Bilder sind Fälschungen. Strahan ist von dem Kunstgeschmack seiner Landsleute alles andere als befriedigt, er urteilt sehr bitter und pessimistisch: »Es gibt Dinge,« so seufzt er, »die einen weinen machen können.« Diese herbe Kritik verfehlte nicht ihre Wirkung. Man wurde nachdenklich, kritisch, und nun plötzlich setzt der Kultus der alten Meister und der primitiven Engländer ein. Der neue Geist hat bereits im Jahre 1883 die Oberhand: in diesem Jahre wird Rembrandts Bildnis des Hermann Doomer nach Amerika gebracht, und dieses Meisterwerk wirkt wie eine Offenbarung. Kunstfreunde und Sammler empfangen von diesem Werke entscheidende Eindrücke. Die nun plötzlich ei wachte Begeisterung schreckt sogar vor den gewaltigen Ein fuhrzöllen nicht zurück; für jeden Rembrandt mußten 48.000 Maik Zoll bezahlt werden. Aber nun ist das Eis gebrochen und der Blick des Amerikaners für echte und große Kunstleistungen erwacht. Die Kunstkritik, die bis dahin an Unkenntnis und falschen Bewertungen Groteskes geleistet hatte, beginnt sich zu entwickeln, mit der wachsenden Fähigkeit des Sehens erwacht das Interesse für die kunstgeschichtlichen Entwicklungsgänge, geschickt organisierte Ausstellungen schärfen den Blick und das Verständnis, und nun vollzieht sich überraschend schnell die entscheidende Entwicklung des amerikanischen Sammlers vom naiven Käufer zum Kenner. 1910 zählte man in Amerika bereits nicht weniger als 86 Rembrandts, und wenn auch in vielen Privatgalerien die falschen Corots noch immer nicht ausgerottet sind — man zählt in Amerika 3 0.0 0 0 Corots, während der Meister kaum 1000 Gemälde geschaffen hat —, so zeigen doch die amerikanischen Kunstkäufe während der letzten 20 Jahre, daß nicht nur historische Kenntnisse und Kritik gewachsen sind, sondern auch Geschmack und Verständnis. Der europäische Kunsthandel trug dieser schnellen und gründlichen Wandlung Rechnung, in Amerika erstanden Filialen, und heute trägt fast jedes Schiff kostbare und unersetzliche Er zeugnisse europäischen Kunstgeistes in die neue Welt. Man glaubt in Europa gerne, daß die Amerikaner aus Snobismus sammeln; aber in Wirklichkeit hat der amerikanische Kunst freund ein sehr starkes und enges Verhältnis zu seinem Be sitze, und er genießt seine Schätze mehr als viele europäische Sammler. Durch die Kunstläden Kiotos. Aus den Reisebriefen von Artur Neustadt. Seit Leofcadio Hearn ist viel Tinte über Japan ver gossen worden; aus der Flut von Broschüren und Büchern hebt sich aber nur weniges empor, das für den Sammler von Interesse ist. Es ist darum um so erfreu licher, wenn man auf ein Buch, wie die »Japanischen Reisebriefe« von Artur Neustadt* stößt, der mit Kenner- und Sammlerblicken das berühmte japanische Kunstgewerbe prüft und schätzt. Mit Neustadt zum Beispiel durch die Läden und Werkstätten Kiotos, der ehemaligen Residenz des Mikado, zu spazieren, bringt Gewinn. Der Leser sucht mit seinem kunstverständigen Führer etwa die Werk stätte des berühmten Goidarbeiters O k o m a i auf. »Hier werden,« so berichtet Neustadt, »die prachtvollen Damaszenerarbeiten gemacht, die weit über die Grenzen Japans ihre Liebhaber gefunden haben. Diese Arbeiten, die ganz an die berühmte Metallkunst Toledos erinnern, haben mich sehr entzückt. Als Grund metall wird gewöhnlich das grauschwarze, auch bei uns bekannte Kanonenmetall verwendet, das in Farbe dem Tula nicht ganz unähnlich ist. Mit haarfeinen Fäden aus Gold und Silber wird dann ein Landschaftsbild auf die glatte Fläche eingelegt. Hier werden vorzugsweise die Fujimotive wiedergegeben; aber ebenso häufig fand ich altchinesische Wappen und mitunter auch einen prächtig wiedergegebenen Bambushain, in dem eine Anzahl kleiner Vögel aufflogen. Die Damaszenerarbeiten eignen sich am besten zur Herstellung von kleinen Zigaretten oder Kartenetuis, ferner werden Schirmgriffe, Hut- und Krawattennadeln hergestellt. Wir sahen lange der mühe vollen Arbeit zu, und es ist geradezu erstaunlich, mit welcher Geschicklichkeit, mit welch ungeheuerer Ge duld und mit welchem Ernst die Leute hier bei der * Japanische Reisebriefe. Berichte über eine Fahrt durch Japan von Artur Neustadt. Mit 15 Abbildungen. Nach photographischen Aufnahmen des Verfassers. Bei Paul C a s s i r e r. Berlin 1913. Sache sind. Wenn man hier in der Werkstatt des Meisters Okomai steht, dann begreift man, daß wir in Europa nicht imstande sind, mit dem Osten in Konkur renz zu treten; hier lernt man tatsächlich verstehen, daß es dem Japaner niemals auf Zeit ankommt, wenn nur sein Werk ein vollendet schönes wird. Ich sah kleine Visitenkartentäschchen, die auf der Vorderseite mit dem Fujiyama, auf der Rückseite nur mit zwei fliegenden Schmetterlingen geziert waren, und zu dieser Arbeit brauchte der Künstler nahezu vier Wochen; die Tasche selbst wurde für 11 Yen (zirka 20 Mk. oder 24 K) ver kauft. In Europa könnte sie kaum um den dreifachen Preis hergestellt werden. Freilich sind hier die Lebens bedingungen auch gänzlich andere wie bei uns. Unsere Arbeiter können nicht von Reis leben wie diese Japaner, und wir wohnen auch hier nicht in billigen Papier häuschen. Aber was mich bei diesen Arbeiten am meisten interessierte, war die Tatsache, mit welcher Ruhe die kleinen Jungen, die mit zierlichen Hämmerchen die Goldfäden in das harte Kanonenmetall cinschlugen, bei ihrer Arbeit saßen. Fast unbeweglich, wie die große Buddhastatue zu Kamakura; kaum würdigten sie den Fremden nur eines Blickes und tack, tack sauste der kleine Hammer von neuem auf die wunderbare Arbeit hernieder. Wohl mit der Damaszenerfabrikation am meisten verwandt ist die des Cloisonneporzellans; hier wie dort werden Drähte zum Einlegen des Objektes ver wendet, nur mit dem Unterschiede, daß man bei dem Cloisonneporzellan die Drähte reliefartig aufsetzt und dann ausfüllt, während man bei den Damaszenersachen mit den Goldfäden gewissermaßen direkt zeichnet, das heißt, die Fäden ins Metall einschlägt. Den größten Cloisonneladen hat in Kioto wohl der Yasuyuki. Wir wurden hier sofort in die Werkstatt geleitet und die ver schiedenen Stadien der langwierigen, genauen Arbeit wurden uns auf das freundlichste gezeigt. Ich brauche