Seite 238 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 15/16 Napoleon über das Sammeln In dem »Alt-Wiener Guckkasten« von Paul W e r t h e i- ni e r, der soeben bei Paul Knepler in Wien erschien, findet sich die Schilderung einer Audienz Franz ü r ä f i e r s, des bekannten Wiener Antiquars und Sammlers, bei Napo leon 1. in Wien, die ein interessantes Streiflicht auf die An sichten wirft, die der große Korse über das Sammeln hatte. »Eines Tages«, erzählt Gräffer in seiner amüsanten Weise, »sehe ich meinen uralten Oheim Rudolph bey mir, einst einer der allervornehmsteti Sosier (Gräffer drückt sich da sehr preziös aus, Sosier war eine Buchhandlung im alten Rom und Gräffer meint also Buchhändler. Er selbst stammte ja aus einer alten Buchhändler- und Aiitiquarfamilie) Deutschlands, was man dort und da noch liest, noch weiß.« »Du hast jetzt Muße,« sagte diese würdige Ruine. »Ich habe ein Geschäft für dich. Hier die Urkunde meiner Geld forderung an die französische Regierung. Sie ist zwar aus alter Zeit, allein —.« »Nun,« unterbrach ich ihn, »was kann ich?« »Geh’ zu Napoleon,« versetzte er ruhig, »geh' an meiner Statt!« »Geh’ zu Napoleon!« — Wie ein Blitz ergriff mich das. Ich besah das Dokument! Fast so viele tausend Frank, als der Gläubiger Jahre. Das Dokument nahm sich sehr gut aus. Zu Napoleon gehen, das konnte man so schlechtweg nicht. Ich ging vorerst, aber wirklich ganz schlechtweg, zu D u r o c. Duroc war die schönste Laune, die Liebenswürdig keit selbst. Ich war feurig wie der Teufel. Das gefiel ihm — und — ich ging zu Napoleon. In Schönbrunn. Duroc führte mich ein. Der Kaiser inmitten seiner Generale — die ganze Iliade tauchte flammend in mir auf. Bei seinem Anblick wurzelte ich am Boden. Ich fühlte, daß ich totenblaß sein müsse. Dazu noch dieses: Es schien, die erhabene Gruppe sei im Begriff, sich zur Parade zu begeben. Allein Napoleon, mit einem Blick auf Duroc, winkt. Ich trete heran, zwar fest, aber ich fühlte, daß ich feuerrot sein müsse. Ich überreichte das Memoire Napoleons zarten Hän den, die bekanntlich auch allen seinen Geschwistern eigen. Der Kaiser durchlief das Papier eine Minute lang. Dann sah er mich kalt und fest an. Ich, schon voll Fassung, hielt diesen Blick ruhig und energisch aus. »Sie sind?« »Des Bittstellers Neffe, Sire?« »Welchen Landes?« »Majestät! Ein Pariser!« Napoleon schwieg, betrachtete mich aber mit einer son derbaren Schärfe. Mit einer Verbeugung setzte ich hinzu: »Sire, alle Wiener sind zu Parisern geworden.« Kaum waren mir diese Worte, nur einem leichtsinnigen jungen Menschen verzeihlich, entschlüpft, als ich die Plump heit, die Lächerlichkeit, das Verwerfliche, die Abscheulichkeit dieser Schmeichelei tief, tief empiand. Napoleon durchschaute sogleich alles. Er weidete sich, wie es schien, einen Augenblick an meinem Schamgefühl. Er lächelte mild. Dieses Lächeln! Ich begriff nun faktisch den unbeschreiblichen, allgepriesenen Zauber dieses Mundes, auf dem, wenn er lächelte, die Grazien thronten, hinrissen, fesselten. »Die Jugend,« sagte er sanft, »ist da, sich zu übereilen. Aber die Wiener übereilen sich sonst nicht. Ich kenne sie gut. Es sind brave Leute, recht sehr liebenswürdig, besonnen, ver ständig, folgsam, bieder als Landeskinder. Ich ehre die Wiener.« Dieses Wort aus diesem Munde, an dieser Stätte erhob, entzückte mich. »Könnte ich jetzt der Repräsentant aller Wiener sein,« sagte ich begeistert. »Wer sind Sic sonst?« fragte Napoleon kalt. »Buchhändler, Sire.« »Und das in Deutschland?« versetzte er wie ironisch. »In dem phlegmatischen Deutschland, wo man auf den Ruhm nichts hält, so gut wie nichts. Dieses ideologische Land hat viele große Schriftsteller, aber die dürfen oder wollen nichts für die Nachwelt hervorbringen. Man kennt sie also nicht, folglich existieren sie nicht. Was soll es dann mit dem Buch handel?« »Sire,« fiel ich ein; aber Napoleon ließ mich nicht zu Worte kommen und fuhr wie sprudelnd fort: »Dieser Handel wird stets nur in Frankreich und England blühen. Allein er ist ein lächerliches Gewerbe. Er nährt sich nur von der Narr heit. Die Büchersammler sind Tröpfe. Eine Masse von Dingen aufsammeln, aufspeichern, von denen man kaum ein Tausend stel genießen, benützen kann. Es ist Narrheit! Ja Gemälde, Münzen, Kupferstiche! — Die Idee des Buchhandels ist Un sinn.« Hier brach der Kaiser plötzlich ab. Ich benutzte diesen Moment, um den Gegenstand meiner Audienz zu erörtern. »Hoffen Sie nicht,« bemerkte Napoleon, »die Sache scheint etwas verjährt, erloschen.« Bei diesen Worten schritt Napoleon vorwärts. Der Zug erhob sich in den großen Hof zur Revue. pem Chronik. Autographen. (Ein Musikmanuskript Richard Wagners.) Im Katalog 231 »Autographen und Urkunden« der Verlagsbuch handlung und des Antiquariats J. A. Stargardt, Berlin W. 35, fin den wir unter Nr. 277 folgendes (auf 6500 Mark veranschlagte) Ineditum beschrieben: Eigenhändiges Musikmanuskript mit den Initialen R. W. gezeichnet. Ohne Ortsangabe und Datum (aber Zürich, Dezember 1857), 10 Seiten (auf 10 einzelnen Blättern) Querquart. Arrangement seines Liedes »Träume« (Studie zu Tristan und Isolde) für Solo-Violine und zehnstimmiges kleines Orchester (1. Violine mit Dämpfer — 2. Violine mit Dämpfer — Bratsche — Violoncell — 1. Klarinette in B — 2. Klarinette in B — 1. Fagott — 2. Fagott — 1. Horn in F — 2. Horn in F). Jede Stimme des kleinen Orchesters ist ganz von Wagners Hand ge schrieben und trägt am Ende groß und deutlich seine üblichen Initialen R. W. mit Schleife, mit Ausnahme der Stimme des zweiten Fagotts, bei welcher die Initialen fehlen. Hiezu fügt der Katalog folgende Ausführungen: »Wir lesen in »Glasenapp, das Leben Richard Wagners«, 3. Auflage, Bd. II, zweite Ab teilung, S. 169 (im Kapitel über Wagners Züricher Aufenthalt im Hause Wesendonck, 1857/58): »Aus der gleichen Quelle (d. h. von Frau Wesendonck selbst) erfahren wir, wie er einmal, im Dezember, zum Geburtstage der werten Gönnerin, in der Frühe