Seite 252 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 17 Ein bemerkenswertes Bild der Liechte nstein- schen Galerie von Heinrich Aldegrever zeigt uns einen Jüngling mit einer Nelke. Ganz ähnlich ist das Bildnis eines jungen Mannes vom Meister des Todes Mariä im Kölner Wallraf-Richartz-Museum, und eines der Bilder Lucas van Leydens (1494 bis 1533) in der Wiener kaiserlichen Galerie zeigt uns den ritterlichen Kaiser Maximilian mit einer roten Nelke in der rechten Hand (Fig. 1). F r i m m e 1 hat ein um 1550 gemaltes, gewiß unter dem Eindrücke dieses Bildes entstandenes Bildnis Maximilians veröffentlicht, das sich in der Wiener Sammlung F i g d o r befindet und vermutlich von Hernessen stammt. Auch hier hält der Kaiser die rote Nelke in der rechten Hand. Fig. 1. Lukas van Leyden, Bildnis Maximilians I. Auf des Augsburger Meisters Christoph A m b e r- g e r Bildnis des Ulrich S u 1 c z e r in der Wiener Ga lerie (Fig. 2) sehen wir den alten bartlosen Mann in der linken Hand eine Nelke halten; es dürfte dies jedoch nicht Dianthus Caryophyllus, sondern der aus Ostasien stammende duftlose Dianthus Chinensis sein, von dem gleichfalls viele Abarten in den Gärten verbreitet sind. ❖ In England finden wir nach Douglas König Eduard IV., der im Jahre 1463 ein junger Mann war, auf einem Bilde mit einer Nelke in der Hand. Dieses Bild gelangte aus der B e r n a 1 - Sammlung im Jahre 1855 zum Verkaufe. Es ist ein unzweifelhaftes und seltenes Porträt Eduard IV.; in einem goldenen Ge wand, einem roten, mit Pelz verbrämten Mantel und einer Juwelenkette um den Hals; der König trägt eine schwarze Kappe und hält eine rote Nelke in der Hand (sie wurde irrtümlicherweise für eine Rose gehalten). Das Bild wurde vom Herzog von Newcastle für 190 Guineen gekauft. Was soll nun diese, sozusagen ostentativ empor gehaltene Nelke in der Hand eines Großen dieser Erde? Kunsthistoriker haben sich den Kopf damit nicht zer brochen. Man fand die beiläufige Angabe genügend, daß die Nelke das Zeichen des reifen Mannesalters sei, auch sollte sie den Mann auf Freiersfüßcn bedeuten. Ich hatte Gelegenheit, mit dem bekannten Kunstkritiker H e v e s i, kurz vor seinem tragischen Tode, darüber zu sprechen. Er hat es mir originell zu erklären ver sucht. Die Nelke hätte nichts anderes zu bedeuten, als daß der Maler einen Ruhepunkt für das Auge schaffen wollte mit einer Farbe, die mit der des Hintergrundes kontrastierend ist, und wie eben die neueste Kunst zu den alten Motiven zurückkehrt, so finden wir auf Bil dern ganz moderner Maler wieder die Nelke als Gegen satz zu dem färbigen Hintergrund. Wenn des Brügger Malers Jan van Eyck (1390 bis 1441) greiser Mann im Pelz mit den Nelken im Berliner Kaiser Friedrich Museum drei solche Blumen (eine weiße und zwei rote) in der. rechten Hand hält (Fig. 3), so sprechen Kunsthistoriker die Vermutung aus, daß der eisgraue runzelige Marin »ein frischer Brautwerber« ist. Und das erwähnte Selbstporträt des Meisters des Todes Mariä ist »offenbar sein Brautbild, denn eine Nelke soll tragen, wer sich auserwählt ein Lieb, das ihm lustlich und herziglich ist und sich dem allein ergeben hat«. Das Symbol der werbenden Liebe war ja die flammende, durchdringend duftende Nelke, von der Beranger singt: , ; ; La renoncule, uri jour dans un bouquet, Avec l'oeillet se trouva reunie, Elle eut, le lendemain, le parfum de l’oeillet. On ne peut que gagner en bonne compagnie — Fig. 2. Christoph Amberger, Ulrich Sulczer. seit jeher, und Volkslied wie Kunstdichtung beschäf tigen sich mit der freundlichen Blume vorzugsweise in solchem Zusammenhänge.