Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 5. Jahrgang. Wien, 15. September 1913. Nr. 18. Alt-Wiener Sammler. Von Rudolf Kars (Wien). Allezeit ist Wien der Sitz tüchtiger Numismatiker gewesen, und so gab es unter uns immer bemerkens werte numismatische Sammlungen. Für Wertzeichen und Medaillen fand sich hier ein lebhaftes Interesse, lange bevor Erzeugnisse der Kunst oder des Kunst gewerbes in so reichem Maße und mit so viel Liebe wie heute zu Kollektionen vereinigt wurden. In einer Be schreibung von Wien aus dem Jahre 1826 finden wir dreizehn Besitzer merkwürdiger und reichhaltiger Sammlungen von Münzen und Medaillen. Wollen wir eine der numismatischen Sammlungen herausgreifen, so fällt uns die Wahl nicht leicht. Am bedeutendsten war wahrscheinlich die Sammlung des Herrn Leopold W e 1 z 1 von W e 1,1 e n h e i m, k. k. wirklichen Hofrates, auf dem Haarmarkte Nr. 646. Die österreichische National enzyklopädie bezeichnet diese Sammlung nicht nur als die größte in Wien, sondern als die bedeutendste in der Monarchie. »Sie umfaßt,« so lesen wir in dem Artikel, »die alte, mittlere, neue und neueste Geschichte, ist weder auf eine besondere Größe oder Stärke, noch auf das Metall beschränkt und enthält in jeder Gattung die seltensten Stücke. Besonders zeichnen sich die alten Münzen und jene der österreichischen Monarchie durch Schönheit, Anzahl und Varietät auch der seltensten Stempel aus. Nicht minder vorzüglich ist die dazu ge hörige numismatische Bibliothek.« Diese Sammlung war das Ergebnis einer mehr als vierzigjährigen Tätigkeit; sie umfaßte über 42.000 Stück Münzen und wurde in den Jahren 1845, 1846 und 1847 in Wien versteigert. Viele griechische und römische Münzen waren auch in den berühmten Sammlungen des Grafen Moritz Fries in seinem Palais am Josefsplatz Nr. 1155 zu sehen. Aller dings waren die Münzen im Vergleiche zu den anderen Sehenswürdigkeiten in dem gräflichen Palais am schwächsten vertreten. Die in Wien 1826 und 1827 öffentlich verkaufte Büchersammlung bestand aus 16.000 Bänden, die Gemäldesammlung umfaßte 300 Stücke, Handzeichnungen und Kupferstiche sogar 100.000 Stücke. Den Grundstock zu dieser Sammlung gaben die Erwerbungen, die Graf Josef Fries während seines Aufenthaltes in Italien machte. Allerdings war er nicht immer glücklich dabei. An den jungen, steinreichen Bankier, der nicht allzu schwer von der Kunstkenner schaft gedrückt war, drängten sich Händler aller Art heran, die ihn gehörig ausbeuteten. Sein Bruder Moritz vermehrte die Sammlung, die neben der reichhaltigen Bibliothek Bilder von Raffael, Van Dyk, Rem- b r a n d t, Guido Ren i, Dürer, die kostbaren Fugger sehen Entwürfe zur Messiade, die Sammlung der Porträts, die Lavater zu seiner »Physiognomik« dienten, die lebensgroße Gruppe Theseus auf dem er schlagenen Minotaurus enthielt, und die bei dem Fall des Hauses Fries & Komp, größtenteils ins Ausland, und zwar nach Amsterdam ging. Ein Alt-Wiener Bibliophile im edelsten Sinne des Wortes war Kaiser Franz I. Seine Privatbibliothek hat er selbst nach seinem persönlichen Geschmacke ge sammelt und aufgestellt. Wie sehr ihm diese Bibliothek ans Herz gewachsen war, beweist die Tatsache, daß er 1814, als er nach dem Sturze Napoleons mit den Alliierten in Paris einzog, mitten im Trubel der welt geschichtlichen Ereignisse Antiquare und Buchhändler beauftragte, nach Desiderien seiner Bibliothek zu suchen, die sich damals im ersten Stocke der Hofburg zunächst den kaiserlichen Gemächern befand, wo in drei ge räumigen Sälen nahezu 40.000 Bände aufgestellt waren. Kaiser Franz ließ aber auch andere Sammlungen nicht unberücksichtigt. In der Johannesgasse Nr. 972 befand sich zu jener Zeit in 13 Zimmern das sogenannte Brasilianische Museu m. Seinen Namen erhielt es, weil die Vermählung der Erzherzogin Leopold ine K a r o 1 i n e, der zweiten Tochter des Kaisers Franz aus zweiter Ehe, mit dem Sohne des Königs Leopold von P o r t u g a 1, dem Kaiser von Brasilien, Dom Pedro Alkantara, die Veranlassung zu seiner Gründung war. Die Naturforscher Chr. Mikan, Joh. Emil Pohl, Jakob Natt er er und Heinrich Schotte befanden sich nebst dem leidenschaftlichen Sammler von Alter tümern, Freiherrn von Hügel, in der Suite der Erz herzogin, welche dieselbe nach Rio de Janeiro begleitete, wodurch ihnen Gelegenheit geboten wurde, die Natur seltenheiten Brasiliens zu sammeln und nach Wien zu senden. Die Aufstellung und Ordnung dieses Museums übertrug Kaiser Franz dem berühmten Hofschauspieler