Seite 270 Internationale Sammler -Zeitung. Nr. 18 Ein authentisches Königsbild Friedrichs des Großen. Aus Biographien und Anekdoten des »großen Fritz« ist dessen Abneigung gegen das Gemaltwerden bekannt. Hatte er sich vor seiner Thronbesteigung immerhin noch mehrfach porträtieren lassen, so war er als König nicht mehr zu bewegen, Malern zu sitzen. Nur ein einziges Mal hatte man ihn herumgekriegt und er gewährte dem Maler J. G. Ziesenis eine Sitzung. Der Maler und Kunsthistoriker J. D. F i o r i 11 o erzählt im 3. Bande seiner »Geschichte der zeichnenden Künste in Deutsch land«, wie das bewerkstelligt wurde. »Zwischen den Jahren 1770 und 1775 hatte Ziesenis einen Vorfall, welchen ich hier wieder erzählen will, wie er selbst ihn mir mitgeteilt hat. Friedrich der Große pflegte seiner Schwester, der regierenden Herzogin von und brachte ihn der Herzogin, die die untere Leinwand dann auch mit eigener Hand besiegelte, ohne etwas zu merken. Der König kam an, und da er bei, guter Laune war, so gab er den allgemeinen Bitten und besonders den Bitten des Generals von Retz nach, welchen er wohl leiden mochte, und, bestimmte dem Maler eine Stunde, während welcher er ihm sitzen wollte. Die Arbeit gelang Ziesenis vortrefflich. Er hatte den Kopf sehr ähnlich und schön gemalt und ganz mit dem eigenen Blicke des Königs. Das übrige, den blauen, zugeknöpften Rock, die weiße Weste, die schwarzsamtenen Beinkleider malte er nachher hinzu. So wie er nach Hause kam, spannte er die obere Leinwand mit dem Porträt aus dem Rahmen, malte auf die untere eine vollkommene Kopie und behielt Fig'. 9. Napoleon auf der Leipziger Messe. Braunschweig, jährlich zur Revuezeit einen Besuch ab zustatten. Er war unzählig oft gemalt worden, seine Por träts waren aber alle flüchtig und aus der Phantasie ge malt, weil er nicht Geduld genug besaß, irgend einem Maler ordentlich zu sitzen. Ziesenis war gerade in Braun schweig, als die Nachricht kam, daß der König in wenigen Tagen in Salzthalum * eintreffen werde. Die Herzogin ließ ihn kommen und sagte ihm, in der Hoffnung, daß der König so viel Zeit aufopfern werde, um sein Porträt von ihm malen zu lassen: ,Ziesenis, halte er sich bereit, um jeden Augenblick seine Arbeit anfangen zu können. Ich will aber durchaus das Original, und keine Kopie haben, und darum schicke er mir die Leinewand, auf die er malen will, damit ich mein Pettschaft drauf drücken kann.’ Ziesenis, der ein sehr rechtlicher Mann war und durchaus kein Mißtrauen leiden konnte, ward durch das Mißtrauen der Herzogin so empfindlich gekränkt, daß er ein Mittel ersann, sich zu rächen, welches er unter anderen Umständen gewiß nicht angewandt haben würde. Er Spannte nämlich doppelte Leinwand auf den Rahmen * Auch Salzthal, Salzdahl. Die moderne Form ist Salz dahlum. auf diese Weise unter dem Namen der Kopie das Ori ginal, von welchem er dann noch mehrere andere Kopien verfertigte. Man darf bei seiner bekannten Rechtlichkeit überzeugt sein, daß er nicht so gehandelt haben würde, wenn ihm die Herzogin mehr Vertrauen bewiesen hätte.« Der Kern dieses hübschen Berichtes, nämlich die Tatsache, daß Friedrich ausnahmsweise einmal eine Por trätsitzung dem Maler Ziesenis gewährt hat, wird durch einen Brief jener Schwester des Königs, der Herzogin Philippine Charlotte von Braunschweig-Wölfen- biittel sowie durch die Unterschrift auf einem Kupfer stich aus dem Jahre 1770 bestätigt. Sieben Bildnisse Friedrichs des Großen sind als Werke des Malers Ziesenis nachweisbar. Eines in Braun schweig, und zwar, wie man annehmen muß!, das von der Herzogin nach jenem Berichte irrtümlich gesiegelte, aber leider vernichtet bei dem Brande des dortigen Schlosses (1830). Ein zweites kam durch die Tochter jener Herzogin, Anna Amalia, die sich mit dem Herzog Ernst August II. von Sachsen-Weimar im Jahre 1756 vermählte und als Freundin Goethes be kannt geworden ist, im Erbgang nach Weimar und hat heute seinen Platz im dortigen Wittums-Palais. Ein drittes befindet sich im Königlichen Schloß zu Berlin (Prinzeß Marie-Kammer), ein viertes, diesem in