Seite 282 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 19 in diesem Stadium den Mut, und tauschen die ganze Sammlung gegen einige Bücher, Ansichtskarten oder dergleichen um. Die aber bei der Stange bleiben, setzen sich zumeist das Ziel wesentlich niedriger. Nur wenige bleiben dem Vorsatze, eine allgemeine Sammlung zu schaffen, treu, und die müssen ziemlich viel Geld und ziemlich viel Raum zur Verfügung haben. Denn eine derartige Sammlung braucht Platz, viele große Rasten, die man leider nicht umsonst erhält. Die anderen, die große Mehrzahl, bescheidet sich und widmet sich einem bestimmten Gebiete, das im Anfänge natürlich auch noch möglichst groß gewählt wird. Man will »bloß« alle Münzen des heiligen römischen Reiches deutscher Nation haben, plant eine komplette Sammlung der römischen Kaiser plus der Republik, und dergleichen mehr. Eine derartige Aufgabe übersteigt nicht bloß die finanziellen Kräfte der meisten Sammler — sie ist auch durch das nun einsetzende Studium der allgemeinen und Spezial- fragen so schwierig, daß gar viele sehr rasch noch be scheidener werden und das Gebiet, das sie eigentlich sammeln, noch mehr einschränken. Und da ist natürlich allen möglichen Wünschen, Meinungen und Absichten Tür und Tor geöffnet. Man kann sich auf das Sammeln von bestimmten Münztypen, von Münzen eines bestimmten Regenten, eines be stimmten Landes, einer Prägestätte einrichten. Man kann eine Sonderung nach den Metallen vornehmen, ein zelnen Stempelschneidern, Reversdarstellungen nach gehen. Man kann ein Faible für Kolonialmiinzen, für Exoten haben, Taler, Pfennige, Fälschungen, Fehlprä gungen, Barbaren u. s. w. sammeln. Kurz, es gibt da Möglichkeiten, die sich in dem Rahmen eines Aufsatzes gar nicht erschöpfen lassen und die alle ihre Berechti gung haben. Denn nur auf diese Weise kann das ganze ungeheure Material durchgearbeitet und wissenschaft lich verwertet werden. Ich möchte aber doch noch speziell auf eine Art der Sammlertätigkeit hinweisen, die mir in manchen Ge bieten und an bestimmten Orten ganz besonders emp fehlenswert erscheint. Nicht jeder, der die Lust und die Eignung zum Sammeln hat, hat das Glück, in einer größeren Stadt zu leben, in der er seinem Vergnügen mit Erfolg nach gehen kann. Viele Sammler, weit mehr als man denkt, sind am Lande, in kleinen Städten, ja in Dörfern zu finden und leisten dort oft eine wertvolle Kulturarbeit, selbst wenn, und gerade wenn sic sich darauf be schränken, nur das zusammenzutragen, was sich in der nächsten Umgebung auftreiben läßt; in die Numismatik übertragen, wenn sie allen Funden nachgehen, die in ihrer Gemarkung gemacht werden, und sie erwerben oder zum mindesten genau beschreiben. Eine solche Sammlung kann, wenn auch ihr materieller Wert ein sehr geringer ist, doch ungemein wertvolle Aufschlüsse geben. Denn sie wird in ihrer Zu sammensetzung zeigen, welche Wege der Handel ging, welchen Einfluß die angrenzenden Länder hatten, welche Münzsorten besonders gangbar waren, und wird viel leicht auch die Antwort auf das Warum geben. Sie kann auch nationalökonomische Verhältnisse widerspiegeln, dunkle Partien der Lokalgeschichte auf hellen, Rätsel lösen, archivalische Forschungen be stätigen. Aber sie muß sich, um dem zu entsprechen, tatsächlich nur auf die Vorkommnisse der Umgebung be schränken; und zweitens muß das Inventar tadellos ge führt sein, eine Rubrik: »Fundumstände« aufweisen, und drittens muß mit peinlichster Genauigkeit ge arbeitet werden. Denn es ist z. B. durchaus nicht einerlei, ob die 200 venezianischen Soldi, die sich in der Samm lung vorfinden, aus einem einzigen Funde stammen oder ob sic vereinzelt da und dort beim Ackern, Roden, Drainieren gefunden wurden. Im ersten Falle sind sie nur ein Beweis dafür, daß ein Fremder (ein Reisender, Kaufmann) in der Gegend aus irgendwelchen eventuell feststellbaren Gründen sein Geld versteckt oder ver graben hat; der zweite Fall aber läßt den Schluß zu, daß zur Zeit, als diese Münzen kursierten, mindestens intensive Handelsbeziehungen mit Venedig bestanden, wenn sie nicht sogar das Zeugnis der venezianischen Herrschaft sind. Allerdings muß man auch da noch vorsichtig sein. Denn auch in der Numismatik fehlt das Satyrspiel nicht ganz. So finden sich in Krain recht häufig französische Spielmarken und Münzen Ludwig XVI. Unzweifelhaft kamen sie zur Zeit der Napoleonischen Kriege, bezw. Herrschaft mit den Truppen ins Land und wurden bei der unorientierten Landbevölkerung an den Mann ge bracht, die, als sie die Steuern mit diesem Gelde nicht bezahlen konnte, es einfach wegwarf. Auch mit »Witzen« von guten Freunden, bezw. Nachbarn muß man rechnen. Derlei Möglichkeiten sind vor dem Ziehen von Schlüssen zu berücksichtigen. Ich habe früher das Inventar erwähnt. Aber nicht bloß die Sammler, die nur ein lokal kleines Gebiet be arbeiten, sollten ein solches führen, sondern jeder — ja, gewissenhafte Sammler werden sogar zweierlei Bücher haben — ein Inventar, das die Erwerbungen in der Reihe des Einlaufes gibt, ein anderes, das die Prägungen in irgend einer Weise geordnet vorführt. Denn nur dieser Vorgang erlaubt eine wissenschaftliche Arbeit, die schließlich das Ziel eines jeden ernsten Sammlers sein muß. Dann sollten aber Sammler, speziell in kleinen Orten, noch eines bedenken. Damit ihre Tätigkeit sicli über den Wert der so oft verspotteten Raritäten kammern erhebe, muß ihre Sammlung nicht bloß zu gänglich sein, sondern sie müssen sie auch selbst durch irgend eine, wenn auch noch so bescheidene Publikation mindestens in einer fachlichen Zeitschrift den Fach genossen und dem Publikum zugänglich machen. Irgend ein kleines, provinzliches Blatt, das in den weitesten Kreisen unbekannt ist, ist nicht genügend. Dies hängt mit einer zweiten Mahnung zusammen - sich nämlich einem fachlichen Vereine anzuschließen. Die Anregun gen, die man von ihm empfängt, wiegen den Mitgiicds- beitrag bald auf. Drittens sollte kein Sammler vergessen, daß er sterblich ist! Erben haben selten dieselben Neigungen wie der Erblasser. Was ihm eine Lebensarbeit war, ist ihnen oft genug Gegenstand des Spottes, Zeichen einer leichten geistigen Abnormität. Fast jedes Jahr hört man es mehrmals, daß diese und jene Sammlung von unverständigen Erben ver schleudert oder gar vernichtet worden sei. Sic wußten nichts von ihrem Werte, haben die interessantesten Stücke verschenkt, zu Broschen, Uhranhängseln ver arbeiten lassen, den Rest den Kindern gegeben, zum Einschmelzen getragen, aus den Talern silberne Löffel gießen lassen. Der so entstandene Schaden ist wissen schaftlich oft unersetzlich. Deshalb sollte der Sammler rechtzeitig daran denken und seine Lebensarbeit entweder durch Verkauf in richtige Hände gelangen lassen oder aber, wenn er sich von seinen Lieben nicht trennen kann, sie einem Museum zuwenden. Dies gilt ganz besonders für die Lokalsammlungen, die in dem Rahmen eines, sagen wir, Landesmuseums eine wesentliche Bereicherung vorstellen, sonst aber nicht von Bedeutung sind.