Seite 22 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 2 Sammler und Sammlungen auf tabakologischem Gebiete. Von Dr. Eduard Maria Schranka (Wien). IV.* Nachdem wir die Sammler von Zigarren und Zigarrcnabfällen beobachtet, wenden wir uns zu den Sammlern ihrer Emballagen und Packungen, und da interessieren uns vor allem die Zigarrenkisten. Form und Inhalt, es ist kein leerer Wahn! »Edler Wein bleibt edler Wein, aber schmeckt nicht aus Kaffeetassen.« Für Rheinwein den Römer, für Cham pagner den hohen Kelch, den ich die Nadel der Kleopatra unter den Trinkgefäßen nennen möchte. So ist’s auch mit den Zigarren; man denke nur an die oft auf das luxuriöseste ausgestatteten und prächtig adjustierten Zigarrenkästchen, die schon beim Betrachten der Aus lagefenster des Rauchers Herz im Leibe hüpfen machen, besonders in Deutschland, dem Reiche des Polypols. Das muß man dem jetzigen Generaldirektor der österreichischen Tabakregie, dem Sektionschef Herrn Dr. Ritter v. Scheuchen st uel lassen, er ist von dem alten Zopfe abgewichen, statt der ordinären ehemaligen Montur, hat er, ein tüchtiger Kaufmann zugleich, seine Waren gustiös adjustiert. Immer ist er bedacht, bei der Adjustierung die Kunst mitsprechen zu lassen, jede fest liche Gelegenheit benützt er, seinen Produkten ein stil gemäßes Gewand zu geben. In Direktor Herrn Kail hat er einen tüchtigen, künstlerischen Adlatus, das beweisen schon dessen Plakate. Wie viel Novitäten und Anregungen für die Sammler! Freilich, ich spreche jetzt wieder vom Polypol, das Exterieur kann oft täuschen, die Atrappe ist manchmal mehr wert, als was sie enthält, andererseits gebührt aber auch einer echten Importe eine geschmackvollere Hülle. Zigarrenkisten aus Zedernholz sind wohl dem Material nach das Feinste, denn das Zedernholz teilt den Zigarren ein feines, von verwöhnten Rauchern ge schätztes Aroma mit. In neuester Zeit wird auch das leichte, hellfarbige Okoumeholz angewendet. (Nachzulesen wäre auch Hildebrand: »Die Kistenfabrikation und die Konfektion der Zigarren«. Herford 1901.) Ein solcher Rauchergourmand wird es vermissen, wenn er feine Importe einer Mahagonizigarrenkiste ent nehmen soll, welches Holz wegen der zunehmenden Seltenheit des Zedernholzes in neuerer Zeit auch auf Kuba zur Verpackung verwendet wird. In neuerer Zeit haben mehrere große Zigarrenfabriken Versuche mit Zigarrenkisten aus Glas angestellt und schöne Erfolge erzielt. Mit dieser Novität befaßte sich besonders die Hamburger Zigarrenkistenfabrik J. A. J e n t s c h & Komp. Die Zigarren halten sich länger frisch wie in Holz verpackung, und sind außerdem dem Auge gefälliger. Daran erinnert auch der von der österreichischen Regie eingeführte Modus, eine kleine Anzahl von Zigarren in kleinen Töpfchen mit Fenstern aus Marien glas zu verpacken, wobei man mit den Zigarren lieb äugeln, sozusagen — fensterin kann. Um das schon aus hygienischen Gründen verwerfliche lange Prüfen und Aussuchen der Zigarren in den Trafiken zu verhindern, hat der Arbeiter Karl Schäfer, selbst der Sohn einer Trafikantin, eine Zigarrenkiste erfunden und konstruiert, die beidem gerecht wird. Unter einer Glasdecke kann man die Blonden und Braunen besichtigen, ohne sie be tasten zu können, und ein Druck auf einen an der Seiten- * S. »Internationale Sammler-Zeitung«, Jahrgang 1912, Nr. 10, 15, 16 und 21. wand befindlichen Knopf genügt, um die gewählte Zigarre hervorzuholen. Eine sinnreiche Einrichtung diese Zigarrenkisten ad hoc. Das »Wiener Illustrierte Extra blatt« hat in der Nummer vom 16. März 1909 ein Genre- bildchen davon gebracht. Cie Zigarrenkiste ist auch gewissermaßen ein Maß gewöhnlich für 100, aber auch 50, 25 und bei besonders teueren Sorten 10 Stück, ja es gibt Kuriosa, wo die ein zelne Zigarre ihr eigenes Kästchen besitzt. Eine deutsche Sprachsünde bleibt es aber nach Ernst E r i e d e g g von einer »Hundertkiste Zigarren« zu sprechen. Jedenfalls wäre es wünschenswert, dem Kruge der Witwe von Sarepta eine nie zu leerende Zigarrenkiste des Witwers von Sarepta an die Seite stellen zu können. Ein ganzes Kistchen Zigarren ist wohl ein ge schlossenes, gleichsam abgerundetes Geschenk für einen Raucher, und Huldebrand (Nikolaus Beets) in seinem Roman »Die Familie Kcgge« läßt ein Kistchen Havanna- Zigarren mit dem Begleitbrief senden: »Ein kleines Rauch opfer der Dankbarkeit bei unserer Ankunft im Mutter lande.« Das rote Glückwunschbüchlein von .1. J. L i e s s c m (Verlag .1. P. Bachem, Köln, 10. Auflage) enthält unter Nr. 127 ein Wunschgedicht zu einem Kistchen Zigarren: »Mein lieber, gütiger Papa, Ich wünsch' dir Ciliick und Segen, Und reich’ im Namen der Mama Dies Kistchen dir entgegen. Ich schaute selbst noch nicht hinein, Doch kann ich mir schon denken, Es werden wohl Zigarren sein, Womit wir dich beschenken. Verrauche in Gesundheit sie, In frohen Lebensstunden, Und glaub’, wir freuen uns wie nie, Wenn sie dir trefflich munden.« Und wie solch eine Zigarrenkiste noch ausgestattet sein kann nach Pressung und meist allegorischer Zierde! Die Zigarrenarbeiter, die tabaqueros, in der Havanine, die je nach ihrer Beschäftigung verschiedene spanische Be nennungen führen, wie esccjadores (Farbensortierer), resegadores (Sortierer, Aussucher), haben auch eine Kategorie, fileteadores, das ist die Kistchenadjustierer, von filetear (einsäumen). Das Zigarrenkistchenholz ist verschieden in der Adjustierung der echten Havanna. Da gibt es Elfenbein holz, doradillo, besonders für die Sorte Celestiales der Fabrik Flor de Iabacos; dunkelschwarzes Ebenholz (ebaro) und Mahagoni (caoba), worin besonders die Cesares, Upmann, Non plus ultra und Morales verpackt werden. Das Kistchenholz hat seinen eigenen »Merk« oder »Brand«. Die vorzüglichsten Brände, zugleich Marke, sind: Flor de Tabacos, Eigentümer Jose Partagas; H. Upmann & Komp., Eigentümer Upmann; H. de Cabanas y Carvajal, Eigentümer Anselmo Gonzales del Valle; Flor de Cuba, Eigentümer J. Caso & Komp.; Flor de Morales, Eigentümer Jose Morales; Flor de Villar y Villar, Eigentümer A. de Villar y Villar;