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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 2
liehen Bemalung und Vergoldung und teilweise Verwitterung
gelitten; aber die kraftvolle Schönheit der alten Schnitzarbeit
tritt noch unverhüllt zutage.
Aus dem gleichen Bauernhause stammt die hölzerne
Wandfigur einer Maria mit dem Kinde (gotisch, gleichfalls
farbenbar), die durch den Adel ihrer Haltung und der Gewand
anordnung auffällt. Aus dem Innviertel rührt die zum Teil noch
in der alten Bemalung erhaltene gotische Holzstatue des
heiligen Rochus in Pilgertracht mit der typischen üebärde des
Qewandaufhebens vom Unterschenkel, der mit Pestbeulen be
deckt ist. Rochus wird bekanntlich ebenso wie Sebastian als
Patron gegen die Pest angerufen und spielte als solcher in den
seuchengefährdeten Zeiten des Mittelalters eine große Rolle.
Der Freundlichkeit und erfolgreichen Sammeltätigkeit des Herrn
Generalkonsuls Haupt v. Hochstaetten verdanken wir
die Ueberlassung zweier interessanter gotischer Holzstatuen
aus dem Mühlviertel. Eine von ihnen (in neuerer Zeit ländlich
roh bemalt) stellt die auf einem gotischen Faltstuhl sitzende
heilige Maria als Himmelskönigin dar, mit Krone und Szepter.
Das nackte Kind macht, von ihrer linken Hand gestützt, auf
ihrem linken Oberschenkel die ersten schüchternen Gehver
suche. Die äußerst reizvoll erfundene Gruppe stammt noch
vom Ausgang des 15. Jahrhunderts. Die andere Figur stellt in
treuherzig naiver Auffassung, (es handelt sich offenbar um ein
ziemlich realistisches Porträt aus der bäuerlichen Umgebung
des Schnitzers), den großen Viehheiligen und Patron der Ge
fangenen, St. Leonhard, dar; sie weist unter einer neueren noch
Reste der älteren Bemalung auf. Zwei entzückend bewegte
schwebende Putten (Holz, alte Bemalung, 18. Jahrhundert)
repräsentieren die gefallsüchtige Grazie des Rokoko.
Unter den neuerworbenen Bildern steht an erster
Stelle ein miniaturartig fein auf Holz gemaltes Kabinettbild des
im Jahre 1852 verstorbenen AlLWiener Malers Karl Agri-
cola. Auch diesen Namen hat die hochgehende Welle der Be
geisterung für Alt-Wiener Kunst und Kultur mit emporgetragen.
Dargestellt ist eine freimythologische Szene, die sich in
einer arkadischen, in den sonnigen Tönen Karl Markos
schwimmenden Landschaft abspielt: ein schöner, kraftvoller
Jüngling, schilfbekränzt, wie ein Flußgott, mit dem Löwenfell,
wie Herkules, zieht eine blonde, scheue Nymphe zu sich ins
grüne Wellenbad hinab. Die warmen Leiber der lichten
Nymphe und des rotbraunen Jünglings heben sich wirkungsvoll
aus den kaltgrünen und bläulichen Tönen der Umgebung her
vor. Das Ganze ist in der Liebenswürdigkeit und Subtilität
seines malerischen und zeichnerischen Vortrages ein voll-
giltiger Repräsentant der Alt-Wiener Kabinettmalerei. Wir ver
danken diese Neuerwerbung der gegenwärtigen Leitung des
oberösterreichischen Kunstvereines, der das Bild seinerzeit als
Spende des bekannten Gemäldesammlers Wilhelm Löwenfeld
erhalten hatte.
Der gleiche Reiz altösterreichischer Kunst schmückt ein
reichhaltiges Album von Aquarellen aus dem Salzkammergut,
das die Beamten des k. k. Gmundener Oberamtsbezirkes ihrem
Chef, dem k. k. Hofrat und Salz-Oberamtmann Franz Freiherrn
v. Schiller, bei seinem Dienstaustritt im Jahre 1844 über
reicht haben. Der in goldgepreßten Samt gebundene Prachtband
enthält außer einer allegorischen, im Geiste Geigers gehaltenen
Titelzeichnung von Passy nicht weniger als 18 mit der
größten Sorgfalt und Liebe ausgeführte Aquarelle, lauter An
sichten der Salinenämter und der damit zusammenhängenden
Pfleggerichte, Eisenhammerwerke u. s. w. des Salzkammer-
gutes; Darstellungen, die sowohl um ihres Inhaltes als auch um
ihrer oft geradezu künstlerischen Durchführung willen inter
essant sind. Die meisten von ihnen sind signiert (Passy, Eberl,
Karl Ritter, J. Engel, Janniß, Wilhelm Steinfeld). Den ver
schiedenen Ansichten sind die Unterschriften der Beamten der
betreffenden Salinenverwaltungen, Salzverschleißämter, Sa-
linenfaktorien, Distriktskommissariate u. s. w. beigegeben;
darunter befindet sich zum Beispiel (bei Bad Ischl) das Auto
gramm des um die Hebung unseres Salinenwesens hochver
dienten Franz v. Schwind, des Bruders des Malers. — Als
Leihgabe wurden dem Museum überlassen die Aquarellporträts
des Sensenschmiedes Johann Georg Holzinger in Micheldorf
und seiner Frau Regina; sie bilden eine hochwillkommene Be
reicherung der Ausstattung unseres Micheldorfcr Sensen
schmiedzimmers, das bekanntlich auf die beiden genannten Per
sönlichkeiten zurückgeht, und halten nicht nur die Züge, sondern
auch die charakteristische Tracht der beiden in eben der Zeit
fest, in der das Sensenschmiedzimmer entstand (1817).
Unter den neuerworbenen Möbeln und Einrich
tungsstücken ist ein origineller Empire-Schreibtisch von
stark geschweiftem Grundriß mit vorgelagerten Säulen, ab
wechselnd mit Nuß und mit Ahorn furniert, zu erwähnen.
Ferner eine für das frühe ägyptisierende Empire höchst charak
teristische, figurale Bronzeuhr, zum Teil feuervergoldet, zuni
Teil mit einer dunkelbraunen Lackpatina überzogen. Die reiche
figurale Ausstattung dieser prunkvollen Uhr, die zugleich als
Tintenzeug diente, entnimmt ihre Motive dem ägyptischen
Formenschatz, der bekanntlich durch den napoleonischen Feld
zug von 1798 der europäischen Kunst in reichem Maße er
schlossen wurde. Das feine Stück stammt aus einer Linzer
Bürgerfamilie.
In der keramischen Abteilung ist eine schöne
Holitscher-Fayence neu hinzugekommen, die bunt bemalte, als
Wandfigur gestaltete schwebende Figur der heiligen Veronika,
die das Schweißtuch Christi so gefaltet trägt, daß es als Weih
brunnkessel dienen kann (18. Jahrhundert). Ein kreisrundes
Wedgwood-Porträtmedaillon mit scharfem weißen Relief auf
lila-blauem Grunde aus Jaspermasse (einer Art Steinzeug) zeigt
den feinen Stil des großen englischen Keramikers Josia Wedg
wood vom Ausgang des 18. Jahrhunderts. Die Sammlung von
oberösterreichischen, speziell Gmundener Keramiken, wurde
selbstverständlich eifrig fortgesetzt und um einige schöne
Stücke bereichert), darunter ein sehr schönes Gewürzgefäß
(Spätrenaissance), das aus drei durch spiralförmige, in der
Mitte sich vereinigende Henkel verbundenen Näpfen besteht.
Aber auch die Sammlung ostasiatischer Töpfereien des 18. Jahr
hunderts, die ja bekanntlich für die europäische Keramik Jahr
hunderte hindurch als Vorbilder maßgebend waren, wurde um
zwei gute Stücke vermehrt.
ln der Metallabteilung verdient die Erwerbung
eines Renaissance-Taschenreisebesteckes, silber-vergoldet, Be
schauzeichen Tübingen, besondere Erwähnung. Es besteht aus
Messer, Gabel und Löffel, deren abschraubbare Stiele sich
gegen das Ende zu verdicken, mit kleinen Knäufen abschließen
und mit edlen stilisierten Blumenranken reich graviert sind.
Eine reichgetriebene silber-vergoldete Rokoko-Monstranze (als
Reliquienbehälter) stammt aus Grieskirchen, zwei mit ge
schliffenen Glasprismen behangene, auf Löwenpranken auf
ruhende und als kannelierte Säulcnschäfte behandelte Empire
leuchter (kupfer-versilbert) stammen aus Linz. Unter den neu
erworbenen Gläsern gehören einige jener Gruppe böhmischer
Glasarbeiten des Empire und der Biedermeierzeit an, die den
farbigen Reiz gewisser Halbedelsteine Achat, Karneol u. s. w.
zu imitieren suchen, andere vertreten die jetzt so beliebten
bunten deutschen Emailgläser des 17. und 18. Jahrhunderts, die
in Oberösterreich, speziell in bäuerlichem Besitz, häufig anzu
treffen waren. Unter ihnen ist ein zylindrischer Glashumpen,
zinnmontiert, mit der Darstellung der heiligen Anna, die die
heilige Maria unterrichtet (in farbigem Email) besonders er
wähnenswert.
Den reichsten Zuwachs hatte die volkskundliche
Abteilung zu verzeichnen, die um eine Reihe bäuerlicher
Trachtenstücke, religiöser Denkmäler, Zunftzeichen und ähn
licher Gegenstände vermehrt wurde. Wir heben hervor ein be
sonders prunkvoll ausgestattetes Votivbild von ungewöhn-