Seite 304 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 20 Nachfrage nach Tizian, Qiorgione, Palma und anderen ungemein stark, und die italienischen Händler sandten denn auch zu Dutzenden und Dutzenden so viel Originale, als nur immer begehrt wurden, die Kritik lag ja noch in den Windeln. •** Boehn weist auch darauf hin, daß das 17. Jahrhundert das der großen Porträtisten war. Wenn man, sagt er, alle Bilder, die zwischen 1600 und 1700 entstanden, vereinigen könnte, so würde sich herausstellen, wie groß die Polle ist, welche in dieser Zeit dem Porträt zufiel und wie es das religiöse Genre, das so lange den Hauptteil der Pro duktion gebildet hatte, zurückdrängte. Noch in der Schule von Bologna, die in den Anfängen bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurückgeht, fehlt das Bildnis als solches fast ganz. Die Carracci und ihre Schüler haben solche kaum gemalt, die zahllosen Idealköpfe Guido R e n i s tragen gar keine Porträtzüge; im 17. Jahrhundert ändert sich das beinahe völlig. Im Oeuvre der großen Meister dieses Zeitalters überwiegt das Porträt durch aus. Das Bedürfnis ist nicht sobald da, als es auch schon glänzend befriedigt wird. Der größte Maler »Le pcintrp le plus peintre qui fut jamais« V e 1 a s q u e z ist fast aus schließlich Porträtist. Philipp IV. hat ihn kaum um sich, als er ihn auch schon nicht mehr missen kann und ihm lange, lange Jahre hindurch als Modell dient. Wenn dieser Monarch und sein Hof nicht vergessen werden können, so danken sie das dem Pinsel ihres Hofmalers, der ihnen ein Stück der Unsterblichkeit lieh. Kein Herrscher dieses Jahrhunderts, der nicht seinen Hofmaler ununterbrochen beschäftigt hätte. Wie oft hat Rubens die Infantin Isabella Klara Eugenia gemalt, Sustermanns die Medici, Mignard und 1^ i g a u d König Ludwig XIV.; man kann von einer Porträtmanie sprechen, wenn man hört, daß van D y k den König Karl 1. vierzigmal, die Königin Henriette dreißigmal gemalt hat, neunmal hat er den Earl of Strafford, siebenmal den Earl of Arundel gemalt, Lady D i g b y in einem Jahre viermal. Wenn die Eitelkeit solche Triumphe feierte, so berührt es ordent lich erfrischend aus dem Munde der Pfalzgräfin Sophie das naive Geständnis zu hören, wie diese Bilder van Dyks ihr eine so ganz irrige Vorstellung von den Porträtierten vermittelt hatten. Als sie die Königin Henriette und ihre Hofdamen kennen lernen sollte, er wartete sie auserlesenen Schönheiten gegenüberzutreten und war arg enttäuscht, daß diese schöne Königin schief war, lange, dünne Arme und vorstehende Zähne hatte. Diese Freude am Bildnis ist der ganzen Zeit und allen Ständen zu eigen. Wer sich nicht malen lassen kann, läßt wenigstens sein Konterfei irt Kupfer stechen; in Nürnberg und Augsburg leben Dutzende handwerks mäßiger Stecher, die mit nichts anderem beschäftigt sind, als Patrizier, Bürger und Handwerker zu porträ tieren. Wenn die Leichtigkeit des photographischen Ver fahrens es zweihundert Jahre später den Damen ge stattet, sich mit jedem neuen Hut vor das Objektiv zu be geben, so haben auch damals Vermögende sich oft genug porträtieren lassen, eine neue Frisur, ein neuer Spitzen kragen waren Anlaß genug dazu. Manchmal sieht man, wie der Stecher eine alte Platte geändert hat, um den altvaterischen Schmuck von Bart und Haar nach der Mode zu ändern. Man findet in den Bildnissen des 17. Jahrhunderts den ganzen Charakter der Zeit, wie er sich aus dem Einfachen immer mehr ins Theatralische steigert. Die Preise berührt Boehn in seinem Buche nicht. Einige Andeutungen darüber erhält man aus dem früher erschienenen Buche Adolf Donaths: »Psychologie des Kunstsammelns«, wo es bei Besprechung der Kunst kammern des 17. Jahrhunderts heißt: »Aus den Rech nungen des Begründers der Wiener Liechtenstein-Galerie ersieht man die Preise, die der internationale Kunsthandel des 17. Jahrhunderts aufgestellt hatte; 1643 wird Fürst Karl Eusebius Liechtenstein von den Brüdern Alexander und Wilhelm Eorchondt in Antwerpen, deren Nachkomme Markus Forchondt übrigens um 1692 den Ankauf des Rubenschen Decius Mus-Zyklus an Johann Andreas von Liechtenstein vermittelte, eine Kollektion von Bildern angeboten, in der ein Pieter Breughel die »Triomf van de Doot« mit tausend Gulden bewertet wird, eine »Maria mit dem Kinde« von Josef van C1 e v e mit dreihundert Gulden, ein Lukas van Leyden, »Die heiligen drei Könige«, mit hundert fünfzig Gulden. Den Josef van Cleve kaufte Fürst Liechtenstein für zweihundert, den Lukas van Leyden für hundertzwanzig Gulden. In den »Spezifikationen« der Fürsten finden sich überdies Posten, die unter anderen zeigen, daß »zwei Köpff von Al brecht (Dürer), »Ecce homo und Unser Liebe Frau« für hundert Thaler, oder »zwei kleine Contcrfeit von Lucas Cranach« für dreißig Thaler, oder »ein Kopff auf Hohlbein« für dreißig Reichs- thaler »angetragen« werden. Die »Liebe Frau« von Raffael von seiner »perfcctigsten und allerbesten Manier« kostet fünfzehnhundert Reichsthaler, und das »Judicium Paridis« von Franz Parmesan (Parmigianino), Alchemist (?) und bester Discipel von Raffael sogar zweitausendfünfhundert Reichsthaler. Ein Fund verschollener Lettern. Der Inselverlag und die Offizin Breitkopf & Härtel haben den Teilnehmern am Hamburger Bibliophiientag gemeinsam ein Büchlein von Jean Paul zum Geschenk gemacht, das in seiner Art einzig dasteht. Denn »Des Rektors Florian Fälbels und seiner Primaner T^eise nach dem Fiehteiberg« ist in Lettern gedruckt, die zum ersten- und letztenmal in der Breitkopfschen Offizin 1798 zum Druck verwandt wurden und seitdem verschollen waren. Wie sehr zu Unrecht verschollen, das zeigt dies reizende Büchlein; und wie die schönen und klar geschnittenen Lettern, die nunmehr »Jean Paul-Schrift« heißen, glücklich wieder ans Tageslicht gelangten, das schildert Dr. Anton Kippenberg, der Leiter des Leipziger Inselverläges, in einem zierlich ver schnörkelten Nachwort, aus dem wir mit herzlichem Vergnügen im folgenden einiges wiedergeben: »Auf deiner Zunge, lieber Leser, hast du nun drei Fragen hegen: wie kommt, daß man mir gerade ein Werklein von Jean Paul vorsetzet, da doch sonst heutzutage kaum ein Hund einen Brocken von ihm annimmt; warum heißen die Lettern, in denen ich dies lese, nach ihm, und wieso hat gar der Breitkopfsche Bär sich auf das Insel-Schifflein gesetzet? Ein Recht hast du, so zu fragen, lieber Leser! Du kennst das vierschrötige Haus inmitten der Nürnberger Straße zu Leipzig, welches änzustreichen nun seit einem Jahr hundert erwägen, die es angeht. Dorten, auf dem gewaltigen