Seite 348 Internationale Sammler-Zeitung. 23 f i Aus meiner Silhouettensammlung. Vom Ministerialsekxetär Dr. Emil Edler von Horrak (Wien). Vor kurzem gelang es mir, meine Silhouettensamm- lung um die beiden hier abgebildeten zeitgenössischen Porträts der über ihr Heimatland Italien hinaus be rühmten Wunderkinder Therese und Maria M i 1 a n o 11 o (Fig. 1 und 2) zu bereichern, die im Jahre 1843 auch im Wiener Musikleben eine große Rolle gespielt haben. Die Technik der Darstellung ist der in den Vierziger jahren des vergangenen Jahrhunderts speziell im Por trätfache sehr beliebte Steindruck, der direkte Vorläufer der Dagucrrotypie. Die offenbar vom damaligen Besitzer herrührende Ausschmückung der beiden Bildchen mit den Emblemen ■ ' ■ »v / it'- Fig. 1. der Kunst in Bleistiftzeichnung (Geige, gekreuzt mit dem rdogen in einer Lorbeergirlande) läßt in sinniger Weise erkennen, daß die beiden jungen Virtuosinnen unter ihren Mitmenschen lebhafte Begeisterung hervorgerufen haben. Die Provenienz der beiden Bildchen vermochte ich bisher nicht festzustellen, doch gehe ich wohl in der Annahme nicht fehl, daß die Silhouetten in Deutsch land hergestellt worden sein dürften. Der Vater der beiden Mädchen war ein Mechaniker in Savigliano in Piemont, der die beiden Künstlerinnen mit seiner zahlreichen Familie — er hatte fünf Kinder — auf ihrem Siegeszuge durch die meisten Städte Europas begleitete. Therese war am 28. August 1829, Marie am 19. Juni 1832 geboren. Der letzteren war leider kein langer Lebenslauf beschieden, da sie im Alter von 16 Jahren in Paris am 21. Oktober 1848 starb. Therese Milanollo unternahm bereits im Jahre 1836 eine Kunstreise nach Marseille, sodann nach Paris, Bel gien und Holland, schließlich nach England. Nach Frank reich zurückgekehrt, bekam sie den Musikdirektor Franz Anton Habeneck des Konservatoriums in Paris zu ihrem Lehrer und trat im Rahmen der Anstalt im Jahre 1839 erfolgreich auf. Im Jahre 1841 begann die zweite Kunstreise nach Belgien, wo B e r i o t auf sie großen Eindruck machte. Im Sommer 1842 spielte sic vor dem Könige von Preußen auf dem Lousberge bei Aachen und auf dem Schlosse Brühl. Hieran schloß sich ihr rheini scher Triumphzug, der nichts weniger als 87 Soireen und Matineen umfaßt haben soll. Im Jahre 1843 finden wir endlich die beiden Schwestern in Wien. Am 22. April fand ihr erstes Konzert im Musikvereinssaale statt, das in der zeitgenössischen Presse beifälligste Aufnahme gefunden hatte. Zunächst Fig. 2. bot Therese mit Begleitung des Orchesters des Hof operntheaters eine blendende und ausdrucksvolle Wiedergabe des dritten Konzertes von Beriot sowie zweiter Phantasien von Lafont und Artot über Motive aus der »Stummen von Portici«, beziehungsweise über Bellinischc Themen, worauf die zehnjährige Schwester, als ihre Schülerin, sich den ungeteilten Beifall des be geisterten Auditoriums durch den Vortrag dreier Varia tionen von Mayseder zu erringen wußte. Diese Feuerprobe der beiden Wunderkinder vor dem kunstverständigen und anspruchsvollen Publikum unserer Residenz bot geradezu eine musikalische Sensa tion. Heinrich Adami rühmt in seinem Feuilleton über das Konzert in Adolf Bäuerles »Allgemeiner Theater- Zeitung« die Bogenführung Theresens, ihren schönen, ausdrucksvollen Vortrag, die Reinheit und Bravour, die Ruhe in der Tonbildung und Verbindung, die Kraft, das gefühlvolle Adagio und die leichte und graziöse Behand lung der schnelleren Passagen, schließlich die Gewandt heit in den Schwierigkeiten aller Art, wodurch die Zu hörer zur Bewunderung des schönen Talentes hinge rissen wurden. Das Auftreten der kindlichen Marie bot