Internationale Sammler^eifunj Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 5. Jahrgang. Wien, 15. Dezember 1913. Nr. 24. Der bedrohte österreichische Antiquitätenhandel. Der Antiquitätenhandel in Oesterreich, der sich bis her frei von jedem mittelalterlichen Zunftzwange zu einem bedeutsamen Faktor im Wirtschaftsleben der Monarchie entwickeln konnte, ist durch eine seltsame Maßnahme in seiner Existenz bedroht. Nach verläßlichen Meldungen wird nämlich im österreichischen Handels ministerium, einer Stelle, die, wie man glauben sollte, in erster Linie dazu berufen wäre, einen blühenden Handels zweig zu erhalten, eine Verordnung vorbereitet, die eine Konzessionierung des Antiquitätenhandels unter Mo dalitäten bezweckt, die tatsächlich der Vernichtung des selben gleichkäme. Oder was soll es anderes sein, wenn, um nur die größten Härten der geplanten Verordnung herauszuheben, dem Antiquitätenhändler zugemutet wird, Käufer und Verkäufer nach dem Stammbaum zu fragen. Man male sich nur die Situation aus: Ein Engländer beispielsweise, der in Salzburg oder Innsbruck in einen Antiquitätenladen kommt, und da irgend einen Kunst gegenstand kaufen will, wird vom Händler gefragt, wer er sei und woher er käme der Fährt. Ist er Phlegmatiker, so wird er, wie Lohengrin, schweigend die Stätte ver lassen, wo eine so unziemliche Neugier herrscht; wenn er aber keines ruhigen Temperaments ist, so wird er den Mann wohl fragen, ob er bei Trost wäre. Es sei ihm nie und nirgends noch passiert, daß man ihn erst auskundschaften wolle, ehe man ihm für sein gutes Geld etwas verkaufe. Der Hinweis auf die hohe obrigkeitliche Verordnung würde ihn wahrscheinlich kaum beruhigen. Kopfschüttelnd würde er weiter gehen, im Gedanken er wägend, welch ein merkwürdiges Land dieses Oester reich sei, wo derartige Bestimmungen erlassen werden können. Und wie wohl eine derartige Verordnung im Einklänge stehen könne zu den Bemühungen derselben Behörde, den Fremdenstrom in das Land zu ziehen, das so schön wäre, wenn cs nicht mit solch komischen Ver ordnungen verhängt wäre. Und dann betrachte man die andere Perspektive, die diese Verordnung eröffnet. Irgend jemand will sich, der Not gehorchend, nicht dem eig'nen Triebe, eines Altertums entäußern. Muß da nicht der konzessionierte Händler für ihn ausgeschaltet sein, wenn er hört, daß er von diesem in ein Buch eingetragen werden muß, in das, wer weiß, wer alles, Einsicht nehmen darf. Der Verkäufer wird sich, je höher er sozial steht, um so mehr überlegen, sich einem solchen inquisitorischen Verfahren auszusetzen, für das es keine plausible Rechtfertigung gibt. Er wird das bequemere Teil erwählen und ent weder das Verkaufsobjekt über die Grenze schaffen oder, was näher liegt, dem Marchand amateur in die Hände fallen, der bekanntlich sehr verschieden vom Sammler ist. Hat dieser das schöne Bestreben, den gekauften Gegenstand seiner Sammlung einzuverleiben, so leitet jenen nichts anderes als die Absicht, ihn sofort mit ent sprechendem Agio weiterzugeben. Er ist der Händler, der, unbehindert durch irgend eine Kontrolle, tun und lassen kann, was er will. Wie will das Handelsmini sterium ihm an den Leib? Welchen Schutz gewährt die Verordnung überhaupt gegen dieses oder ein anderes Umgehungsmanöver? Ja, man könnte sagen, daß die Verordnung geradezu zu Umgehungen heraus fordere. Ihrer Intention nach scheint die geplante Verordnung darauf gerichtet zu sein, unlautere Elemente von dem Antiquitätenhandel fernzuhalten, in Wirklichkeit wird aber zweifellos das Gegenteil erreicht werden. Ein ein ziger Weg war und ist möglich, Grund genug für das Handelsministerium, daß es ihn nicht beschreitet, nämlich der, daß durch ein Gesetz, ähnlich wie es Italien in seiner Lex Pacca besitzt, die Ausfuhr von hervorragenden Kunstwerken verboten wird. Ein Mehr ist von Uebel, nicht allein für den Stand der Antiquitätenhändler, der durch die Verordnung in seinem Lebensnerv getroffen wird, sondern für die Objekte, die man dem Lande er halten will. Ein solches Gesetz, wofür die Ansätze übri gens schon in den noch zu Recht bestehenden Verord nungen aus der Francisceischen Zeit vorhanden sind, würde verhindert haben, daß ein Gemälde wie Rem- b r a n d t s »Blendung Simsons« aus Wien nach dem Städelschen Museum in F r a n k f u r t am Main wandere, von wo es keine Rückkehr mehr gibt. Dann würde es auch nicht Vorkommen, was zum Beispiel erst jüngst geschah, daß die berühmten Holztäfelungen aus dem Schloße Matzen in Tirol zum Schmucke des neuen Heims des Fürsten von P1 e ß nach der Insel Rügen gingen. Den Verkauf hatte in diesem Falle kein Anti quitätenhändler besorgt; man nennt als Vermittler eine Wiener Persönlichkeit, die vermöge ihrer Stellung einiges Interesse daran haben sollte, daß solche Kunst schätze im Lande bleiben. Noch einer anderen drakonischen Bestimmung sei Erwähnung getan. Die Verordnung statuiert u. a. auch eine Anzeigepflicht für man muß es immer wieder