Seite 68 Internationale S a m in 1 e r - Z e i t u n g. Nr. 5 ererbte Bongarische Büchersammlung. Ihr einstiger Be sitzer, Jakob Bongars von Orleans, war nicht nur ein großer Freund der Wissenschaften, sondern auch ver ständiger Sammler. Nachdem er bei seinen Reisen als diplomatischer Agent Heinrichs IV. von Frankreich wiederholt Gelegenheit gefunden hatte, wertvolle Büchereien zu erwerben, vereinigte er diese schließlich in seinem letzten Domizile zu Straßburg. Dort trat Bongars auch mit Gravissets Vater in freundschaftliche Beziehungen; zun; Dank für geliehene Summen überließ er dem Freunde (freilich an Zahlungsstatt) seine wert vollste Habe, die kostbare Bibliothek. Erst nach langen, umständlichen Unterhandlungen gelang es dem Erben, die bei den Zeitgenossen sehr angesehene und daher viel umstrittene Büchersammlung in seinen Besitz zu bringen. Der Umstand, daß Bongars bei seinem Tode seine Biblio thek sehr ungeordnet zurückließ, wird wohl auch schuld daran gewesen sein, daß wir heute in Bern nur den größten Teil, nicht aber die ganze Sammlung besitzen. Immerhin war dieser Teil bei seiner Uebergabe in Bern im Jahre 1633 noch so beträchtlich, daß er einmal mehr Bände umfaßte als die gesamte damalige Bibliothek be saß. So bildet auch heute noch die Bongarsiana mit ihren über 500 Handschriften, mit ungefähr 170 Inkunabeln wie mit ihren wertvollen Drucken des 16. Jahrhunderts den Grundstock der Berner Stadtbibliothek. Wenn aus der übrigen Sammlung Bongars im Laufe der Jahre auch manche Werke verloren gegangen sind, hat sich doch der einstige Inkunabelnschatz bis auf zwei Bände voll ständig erhalten; ein Vergleich des jetzigen Bestandes mit dem des noch vorhandenen Generalkataloges der Bongarsianer aus dem Jahre 1634 zeigt uns diese auf fallende Vollständigkeit. Der nicht sonderlich bemittelte Sammler hatte seine Frühdrucke meist in der Heimat erworben; besonders wichtigen Zuwachs brachte ihm die 1603 erkaufte Bibliothek seines Freundes P. Daniel, die zum großen Teil aus venetianischen Klassikern be stand. Wie die gesamte Bücherei des Bongars durchaus nicht einseitig ausgestaltet worden war, so nahm der einstige Besitzer auch für seine Inkunabeln im allge meinen einen universellen Standpunkt ein, wir können höchstens eine Vorliebe für die alten Klassiker und juristische Literatur wahrnehmen. Wichtig für die Forschung ist der Umstand, daß Bongars mit Vorliebe die Bücher selbst kommentierte oder mit Kommentaren versehen ließ; in seiner außerordentlichen Vielseitigkeit war er stets bestrebt, seine Bücher durch handschrift liche Einträge auch der Mitwelt möglichst nützlich und zugänglich zu machen. Die letzte Gruppe von Inkunabeln, die ungefähr den vierten 'Feil des gesamten Besitzes ausmacht, gehört den verschiedensten, heute meist nicht mehr zu bestimmenden Erwerbungen an.-Manche werden wohl aus altem Biblio thekbesitz auf uns herübergekommen sein. Nur ganz wenige tragen ein Vermerk, das auf bernischen Familien besitz schließen läßt; unter diesen späteren Besitzern fin den wir an bernischen Namen einzig die Geschlechter Altman, Graffenried, Horn, Justinger, Lerber, Augsburger und Steck vertreten. Ihre Bücher scheinen aber schon irn 18. Jahrhundert an die Stadt übergegangen zu sein, da der Bibliothekar Sinner bereits die Großzahl in seinem ge druckten Kataloge von 1764 anführt. Zum geringsten Teile wurden Inkunabeln käuflich erworben, die letzten Jahr zehnte gingen sozusagen leer aus. Die reiche Stadt ver wendete von jeher ihr Geld lieber für politische und ge meinnützige Zwecke, auf der Bibliothek, die früher be sonders von theologischen Kreisen gefördert wurde, liefen in neuerer Zeit Schenkungen aus anderen Kreisen nur spärlich ein. Das dicke Buch der Donatoren enthält wohl eine lange Reihe von Spenden, allein wie viele be scheidene Gaben haben hier nicht einen prunkvollen Rahmen erhalten. Man erinnere sich nur daran, daß sich in Bern einstens nicht einmal das Geid fand, um die reiche und äußerst wertvolle Bibliothek Albrechts von Haller zu kaufen. Die Söhne des großen Gelehrten veräußerten sie an Kaiser Josef II., der die Bücher an die Bibliotheken von Mailand (Brera), Pavia und Padua vergabte. Von den zahlreichen Gelegenheiten, größere und kleinere wert volle Privatbüchereien zu erwerben, hat das Institut weder in alter noch neuer Zeit nennenswerten Gebrauch gemacht. Bisher dürften unsere Frühdrucke nur selten zu Rate gezogen worden sein, sic harrten einer Zeit, die dem Kunstfleiße, nicht allein der Wissenschaft des 15. Jahr hunderts engeres Verständnis entgegenbrachtc, und es steht zu hoffen, daß, nachdem nun einmal die tüchtigen Leistungen der alten Graphiker mehr gewürdigt werden, auch in Bern die Freude an den Inkunabeln wachsen wird. Sind die Werke einmal einem größeren Kreise zugänglich und bekannt gemacht, dann stellt sich für gewöhnlich auch das Interesse dafür ein. Zwei handschriftliche Verzeich nisse standen wohl den Benutzern auf Verlangen zur Ver fügung; sie stammen aus den Jahren 1857 und 1880, das erstere von der Hand des Stadtbibliothekars K- L. von Steiger, das andere von der des Hochschulbibliothekars Georg Rettig. Beide Verzeichnisse entsprechen den heutigen Anforderungen nur mehr sehr ungenügend und führten lückenhaft Frühdrucke bis zum Jahre 1530 auf. Mit der Ausarbeitung eines schweizerischen Gesarnt- Inkunabelnkataloges bot sich der willkommene Anlaß, auch die Bernerdrucke des 15. Jahrhunderts einer ge naueren Prüfung zu unterziehen. Bei diesem Anlasse fan den sich auch einige wertvolle Einblattdrucke, deren Ver öffentlichung in dem Heitzschen Serienwerke »Einblatt drucke des 15. Jahrhunderts« und in den »Monatsheften für Kunstwissenschaft«, Band 1912, besorgt w'orden ist. Der neue handschriftliche Katalog vom Jahre 1912 soll nicht zum Bestandteil des großen Inkunabclnkataloges werden; er will in erster Linie die kurzen, dort enthaltenen An gaben praktisch ergänzen und dem Bücherfreunde alle gewünschten Aufschlüsse über unsere wertvolle Samm lung bieten. In der Anordnung des neuen Kataloges folgte ich mit Absicht der Inventarisierung der Berliner Biblio theken. Eine Anlehnung an die bisher erschienenen größeren Katalogwerke schien mir auch für kleinere Sammlungen angezeigt, sie erleichtert in jeder Weise eine spätere Bearbeitung für groß angelegte Sammelpublika tionen. Von den 377 Drucken sind fünf den bibliographischen Nachschlagewerken unbekannt, bei weiteren acht Im pressen können die Drucker nicht näher bestimmt werden; letztere stammen sämtlich aus Italien, vornehmlich aus Venedig. Hervorragend wertvolle Drucke besitzt die Bibliothek keine; immerhin findet sich in der Sammlung manch auserlesenes Stück, das auch den Neid größerer Institute erwecken könnte. Zu diesen gehört vor allein das früheste Druckwerk unseres Bestandes vom Jahre 1467. Die bei Konrad Swynhagen in Rom erschienene Ausgabe von Augustinus, De Civitate Dei, zeichnet sich nicht allein durch ihren sehr schönen Druck, sondern auch durch ihre reiche Illuminierung aus. Sehr wertvoll ist ferner eine Kosmographie des Ptolomäus aus der Uhner Offizin des Leonhard Holl vom Jahre 1482; das Kartenwerk wurde auf Pergament gedruckt und dürfte in seiner reichen Ausstattung mit zu den schönsten der artigen Werken gehören, die uns aus früher Zeit erhalten geblieben sind. Für die Schweiz haben manche Impressen der kleineren Offizinen von Beromünster, Burgdorf, Sur- see, Genf und Basel besondere Bedeutung; ebenso besitzt