Nr. 5 Seite 69 Internationale Sa m mler-Zeitung. die Bibliothek eine bei Zainer in Uhn erschienene Legende des hl. Fridolin, deren Illustration für den Kanton Glarus Interesse hat; das zweite bekannte Exemplar dieser Le gende befindet sich im Generallandesarchiv zu Karlsruhe- Ais letzte unter vielem sei noch eine Ausgabe des Gratian erwähnt, die 1471 bei Heinrich Eggestein in Straßburg erschienen ist. Der mächtige Foliant enthält eine Serie von 33 Initialen in bemalter Federzeichnung, die nach unserer Ansicht zu den frühen Arbeiten des populärsten schweizerischen Illustrators, Urs Graf, gehören. Da die Dedikation des Bandes erst in das Jahr 1514 fällt, dürfte eine Ausschmückung zur selben Zeit nicht ausgeschlossen erscheinen. Im übrigen entfallen auf 70 Bilderdrucke nicht weniger als 36 größere Illustrationswerke, deren Sujets für die Kunstgeschichte der Graphik manches In teressante enthalten. Den Materien nach verteilen sich die Fächer ziemlich proportional dem Stande der da maligen Wissenschaften, am stärksten ist natürlich die Theologie und Liturgik vertreten, an zweiter Stelle stehen die klassischen Schriftsteller, an dritter die Histo riker, ziemlich gleich vertreten sind die Humanisten und Grammatiker, die Philosophen und Juristen, spärlich findet sich die Astronomie und Medizin ein. Unter dem Einbänden, um auch ihrer noch kurz zu gedenken, gibt es manche gute, gleichzeitig einheimische Arbeiten, sie gehören vielfach der Thorbergerbibliothek an; noch im 15. Jahrhundert dürften ungefähr 77 Buch einbände entstanden sein, der größere Teil aber wird Arbeiten deß 16. Jahrhunderts betreffen, unter denejn sich auch ein Maiolieinband befindet. Zum Schlüsse sei noch der gegenwärtige Zustand und die Konservierung der Inkunabelnsammlung er wähnt. Dank der um die Mitte des 19. Jahrhunderts er folgten gesonderten Aufstellung der wertvolleren Früh drucke haben die Bände in den letzten Jahrzehnten nur wenig mehr gelitten, die oft gelüfteten Gewölbe mit ihren Glaskästen haben für die Erhaltung gute Resultate ge zeitigt. Weder Feuchtigkeit noch der Wurm, die Erzfeinde alter Büchereien, haben seit der neuen Aufstellung noch Schaden angerichtet. Wir dürfen uns wenigstens damit zufrieden geben, daß der wertvolle Bücherschatz mit zu den bcstkonservierten derartigen Beständen zählt, und wenn einmal noch dort und da die nötigen Buchbinder reparaturen vorgenommen sein werden, wird selbst das kritische Auge des Bücherfreundes vollauf sich befrie digt erklären müssen. Eine Harlekin-Kollektion. Von Dr. Georg Litt (München). Das intensive Interesse, das Forscher und Sammler in den letzten zwanzig Jahren der europäischen Por zellankunst des 18. Jahrhunderts entgegengebracht haben, spezialisierte die Sammeltätigkeit natürlich in einem ganz anderen Maße, als dies früher möglich war. Es gibt jetzt Sammler, die bestimmten Fabriken, Perioden und Spezialitäten nachgehen, es gibt aber auch solche, die aus der allgemeinen Produktion gewisse, mehr in haltlich begrenzte Gruppen herausgreifen. Zu dieser letzten Kategorie muß man die seltene Kollektion von Harlekins, Kolombinen und italienischen Komödienfiguren rechnen, die Mr. Francis- M. B a c r zusammengebracht hat und die der größeren Oeffentlichkeit in einem Artikel des Cönnoisseur, vol. XXI (1908), S. 255 ff., und durch einen Hinweis bei Fred. Litchefield, Pottery and Porce- lain, New Edition, London 1912, S. 182, bekannt wurden. I Mit sicherem Griff hat der Sammler aus der immensen Produktion ein Gebiet herausgegriffen, das, neben den Liebesgruppen, der eigenartigen Technik des Porzellans die dankbarsten und geeignetsten Vorwürfe bot. Die auf vornehme Kreise stets beschränkt gebliebene Porzellan kunst zog auch für dieses Gebiet ihreAnregungen aus dem höfischen Leben, das in seinen italienischen Theater komödien den Harlekin und die Kolombine in all ihren Ab arten in -den Begriffshorizont der deutschen Kultur und Kunst gebracht hat. Seit Meißen, schon unter Joh. Friedr. Böttger, in seinem roten Steinzeug Figuren aus der ita lienischen Komödie hergestellt hatte, folgten bald sämt liche größere und kleinere Manufakturen und gestalteten nach teilweise noch unbekannten Stichvorlagen den männlichen und weiblichen Spaßmacher der Bühne. Bei nahe unerschöpflich ist die Phantasie des 18. Jahrhun derts, um diesen ihren Liebling mit immer neuen, humor vollen Beigaben kindisch tändelnd, dramatisch agierend oder dummderbe Witze reißend, zu gestalten. In Mr. Francis M. Baers Kollektion können wir fast sämtliche Schattierungen des Harlekins und der Kolombine in den verschiedensten Ausformungen der einzelnen Manufak turen studieren. Beginnen wir mit der ältesten europäischen Fabrik Meißen. Von Joh. Joach. Kändler ist bekannt, daß er schon in der ersten Zeit seines Meißener Aufenthaltes im Verein mit verschiedenen Gehilfen, besonders mit Peter R e i n i c k e, eine größere Anzahl von Figuren aus der Comedia dell’ Arte modelliert hat. Von diesen noch ziemlich barock aufgefaßten Figuren befinden sich in dieser Kollektion vier Stücke, teilweise in variierender Bemalung, und zwar ein sich tief verbeugender grüßen der Harlekin, einer in drohender Stellung (Fig. 3), einer mit Trompete und Affen und schließlich der vierte,, der einen Mops als Drehorgel benützt. Diese Figuren Känd- i lers haben noch nichts von der Zierlichkeit gewisser späterer Porzellanfiguren, sondern ihre kräftigen Glie der sind in einem starken Kontrapost bewegt, wie cs der Großplastik der Spätbarocke entspricht. Die Gesichter sind derb und breit gestaltet, das Haar üppig und gewellt. Ebenfalls Kandier darf man die kleineren Figuren zu weisen, wie den Harlekin mit Dudelsack in drei ver schiedenen, etwas abweichenden Modellen, eine Zwergin als Kolombine, ein Puchinello mit einem unförmigen Aus wuchs am Rücken, eine sehr hübsch gruppierte Liebes- szene, in der Harlekin mit einem Mädchen schäkert, Ko lombine mit Kastagnetten und Harlekin als Kricket spieler. Aus Kändlers letzter Zeit, aus dem Jahre 1771, stammt eine Serie von Komödienfiguren, die auf flachem, quadratischem Louis XVI.-Sockcl stehen. Von dieser Serie befindet sich auch ein Harlekin in der Kollektion Baer. Der beste Mitarbeiter Kändlers, Peter R e i n i c k e, fertigte in den Jahren 1743 bis 1744 für den Herzog von Weißenfels eine größere Serie von spannenlangen Ko mödienfiguren, zu der vier Stücke, nämlich eine tanzende