Seite 116 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 8 weg in den engsten Grenzen gehalten. Sie wollen den alten Bestand an Farbe und Form sichern und freilegen, nicht ihn nach dem Geschmack des Besitzers ergänzen. Dem Streben nach umfassender Kenntnis unserer Holzplastik, dem die Sammlung ihre Entstehung ver dankt, entspricht auch der Eifer, mit dem der Besitzer den nicht selten absichtlich verschütteten Quellen nach der Herkunft der einzelnen Stücke nachgegangen ist. Die Absicht, in einer ausführlichen Beschreibung seine Forschungen der Oeffentlichkeit vorzulegen, konnte er bisher nicht verwirklichen. Der Katalog, der zunächst ohne seine Mitwirkung entstanden ist, gibt in den An gaben über Entstehungszeit und künstlerische Herkunft die Anschauungen des Verfassers wieder. Dieselben haben aber durch eine große Anzahl von genauen Provenienzangaben, die Herr Dr. Qertel noch während der Drucklegung zur Verfügung stellte, fast in allen Fällen eine vollkommene Bestätigung erfahren. Ein paar Stücke, bei denen ich auf Grund der Provenienzangaben meine Bestimmung nachträglich geändert habe, sind angeführt worden, weil sie zeigen, wie sehr es noch der plan mäßigen Veröffentlichung und Vergleichung des Materiales bedarf, bis wir selbst in dieser Zeit, wo die Quellen reichlich fließen, zu ganz sicheren Unter Scheidungen gelangen. Die »Beweinung Christi«, die im Gefühlsausdruck so stark fränkische Züge aufweist, ge hört in die Gegend von Mindelheim in Schwaben, wo sich in einigen hervorragenden Werkstätten mannigfaltige Einflüsse zusammengefunden haben müssen. Die Georgs gruppe stammt vom Elsaß, obgleich die Behandlung des Hintergrundes mit dem naiven Aufbau seiner Kleinwelt Fig. 3. Kniende Madonna. auch au den Niederrhein denken läßt. Die späte Madonna, bei der das Temperament in der Gewandbehandlung vergessen läßt, daß das Gefühl für den Gegenstand schon etwas erstarrt ist, wird nicht an den Mittelrhein. sondern nach Passau, also unter die Ausläufer des Donaustiles, zu versetzen sein. Neben solchen Beispielen enthält aber die Sammlung einen großen Bestand von Werken, die als Muster einer Fig. 4. Heiliger Nikolaus. landschaftlichen Stileigenart angesprochen werden dürfen, auch wenn wir über Meister und Werkstatt nicht einmal Vermutungen aussprechen können. So innerhalb der schwäbischen Figuren die reizvollen Stücke vom oberen Donautal, also aus dem Gebiete zwischen Ulm und Rottweil, aus dem Ulmer Kunstkreise die lieblichen »Drei Schwestern« und den ernsten »Evangelisten am Pult«, sowie charakteristische Stücke aus der Nachblüte der Ulmer Schule, die schon im Gesichtstyp den Renaissancegeschmack widerspiegeln. Ulm und Augs burg können beide den Meister Gregor Erhärt für sieb beanspruchen, dessen Werk seit Julius Baums Forschungen sicherer als früher umgrenzt werden kann. Die nicht bloß im Maßstab große Madonnenstatue, die vor zwei Jahren die Zierde der Stuttgarter Ausstellung für christliche Kunst bildete, hat in der Madonna des Augsburger Maximilianmuseums ein so nahe verwandtes Seitenstück, daß die von Baum ausgesprochene Zu schreibung keinem Zweifel begegnen wird. Der vor erst noch namenlose »Meister mit den Längsfalten«, in dessen Kreis eine Reihe trefflicher Stücke des Kaiser Friedrich-Museums und des Germanischen Museums ge hören, ist mit einer Christophorusstätue vertreten, deren Provenienz es von neuem wahrscheinlich macht, daß wir seine Werkstatt im bayerischen Schwaben, und zwar in dem südwestlich von Augsburg gelegenen (iebiet (viel leicht in Kaufbeuren?) zu suchen haben. Innerhalb der bayerischen Arbeiten besticht die niederbayerische Gruppe durch ihren Wert und ihre r