Nr. S Internationale Sammlef-Zeitüng. Seite 117 Reichhaltigkeit. Ein stark dekorativer Sinn, der das Faltenwerk der Spätgotik in malerischem Sinne erweicht, bereichert und umbildet, ist diesen Arbeiten gemeinsam, Aber auch hier stehen sich so scharf gesonderte Indi vidualitäten gegenüber, wie der Landshuter Hans L e i n- b e r g e r, dessen leidenschaftliches Pathos auch in Werken seiner Schule wie dem Kruzifixus noch nach zittert, und der durch Ph. M. H a 1 m ans Licht gehobene Meister der Altöttinger Stiftskirchentüren, Matthäus K r e n i s z, der in Stücken Wie die Barbara und den Christophorus eine innere Verwandtschaft mit dem Rokoko offenbart. Der Oberrhein ist mit wenigen, aber feinen Werken vertreten. Stücke wie die beiden Madonnen (eine gibt tiefen. Es ist ja wahr, daß alle diese Werke ihren schönsten Glanz erst entfalten innerhalb des Altars und des Kirchenraumes, für den sie geschaffen sind. Aber die Denkmäler in unseren Kirchen hätten noch lange auf die sorgliche Pflege von heutzutage warten müssen, hätte nicht die Tätigkeit der Sammler eine Menge ver schwundener Schätze ans Licht gezogen und durch die Tat bewiesen, wie sehr sie wert sind, gekannt, gewürdigt und erhalten zu werden. Von unseren Abbildungen gehört Fig. 3, wie bereits er wähnt, dem Oberrhein an. Die kniende Madonna (aus einer Fig. 5. »Anna selbdritt.« Niederbayerisch. Spätes 15. Jahrhundert. unsere Abbildung, Fig. 3, wieder) können der Forschung wohl einen Anreiz geben, dieses Gebiet der deutschen Bildnerei noch energischer als bisher abzusuchen. Zu der 1 stehenden Figur, deren eigenwüchsige Grazie auf einen hervorragenden Meister weist, gibt der Hochaltar in j Lautenbach (Kr. Offenburg) Parallelen, ln der Technik j wie in der Originalität der Erfindung ist das 0 c r t e 1 sehe Stück den Altarfiguren noch überlegen. Die Zusammenstellung der Arbeiten nach landschaft lichen Gesichtspunkten wie die Sonderung der Früh werke, für deren Wertung zum Teile andere Gesichts punkte maßgebend sind, erschien bei dieser Spezial sammlung durch die Sache gerechtfertigt. Immerhin stellt sie einen Versuch dar, bei dem kleine Unebenheiten mit | in Kauf genommen werden müssen. Ein abschließendes Urteil über jedes einzelne Werk j kann bei dem Stand der Forschungen nicht erwartet werden. Die Sammlung Oertel ist ein Erzeugnis des hoch gesteigerten Interesses, das die öffentliche und private Sammeltätigkeit seit Jahren der deutschen Holzplastik zuwendet. Möge ihr Erscheinen auf dem großen Markt dazu dienen, dieses Interesse zu steigern und zu ver- Anbetung des Kindes) ist Torso; es fehlen die Hände und das (zu Füßen liegende) Kind. Verwandte Stücke, wohl von der selben Hand, sind die drei Reliefgruppen der Geburt, An betung und Beschneidung, die, aus Moslheirn stammend, jetzt im Museum zu S t r a ß b u r g sich befinden. Fig. 4 zeigt eine Wandfigur des hl. Nikolaus. Der Heilige ist sitzend dargestellt, mit der rechten faßt er den (oben er gänzten) Krummstab und das daran befestigte Schweißtuch. Die Figur ist den Spätwerken des Matthäus Krenisz zuzu weisen und dürfte zwischen 1520 und 1530 entstanden sein Der Heilige hatte einst seinen Platz in der alten Klosterkirche zu Niederalteich an der Donau. Niederbayerisch, wahrscheinlich aus der Gegend von Dingolfing, ist die Wandgruppe »Anna selbdritt«, die unsere Fig. 5 verkörpert. Die heilige Anna, eine sehr schlanke Gestalt mit eigen tümlich langgezogenen • Gliedern, mit Haube, rotem Gewand und von der linken Schulter fallendem Mantel, trägt das nackte Jesukind auf dem linken Arm und führt, mit der rechten Hand abwärts greifend, die ganz klein gebildete, am Boden neben ihr, stehende Maria, die den linken Arm hoch emporhält, um die Hand der Mutter zu erreichen.