Nr. 1 Internationale Sammler-Zeitung. Seite 5 Wiener Straßenbilder des Rokoko. Von Dr. Ignaz Schwarz (Wien)' 1 Der hervorragenden Künstierschaft der drei Meister Schütz, Ziegler und J a n s c h a verdankt Wien in den reizenden Rokoko-Veduten eine ihrer schönsten graphischen Folgen. In einer etwa zwanzigjährigen Arbeit, die offenbar auf eine Anregung von Karl Schütz zurückgeht, wurde hier ein Werk zuwege gebracht, das selbst den höchsten Anforderungen an das echt Künst lerische standzuhalten vermag. Karl Schütz wurde am 2. November 1745 als Sohn eines Malers zu Laibach geboren. 1 Am 3. Jänner 1764 trat er in die k. k. Akademie bei St. Anna, wahr scheinlich als Zeichenschüler - ein. Später widmete er sich der Kupferstecherkunst, in der er schon frühzeitig ganz Hervorragendes leistete. Eine Reihe von idealen, biblischen und mythologischen Landschaften mit äußerst fein gestochener Staffage lassen schon die geschickte Hand des späteren Vedutisten erkennen. Irn Laufe der Zeit wurde er Schüler des bekannten Architekten Johann Hetzendorf von Hohenberg und bildete sich Fig. 1. Schütz, Bürgermädchen. unter Leitung dieses hervorragenden Künstlers gleich zeitig als Architekt aus. Schütz gehörte zu den vielseitigsten Wiener Künstlern des 18. Jahrhunderts. Grabstichel und Pinsel handhabte er mit gleicher Virtuosität. Sein Künstleroeuvre umfaßt gleichermaßen Porträts und allegorische Darstellungen, graziöse Almanachblätter und Modebilder, ornamentale * Wir entnehmen diesen instruktiven Artikel mit freund licher Erlaubnis des Autors und Verlegers dem eben erschienenen Prachtwerke »Wiener Straßenbilder im Zeitalter des Rokoko.« Die Wiener Ansichten von Schütz, Ziegler und J a n- scha. Beschreibendes Verzeichnis, eingeleitet und bearbeitet von Dr. Ignaz Schwär z. Mit einem Prolog von Rudolf Hans Bartsch. Mit 51 schwarzen, 6 farbigen Heliogravüren und 250 Textillustrationen. Wien 1914. Gilhofer & Ranscli- b u r g. Heinrich Ranschburg. 1 Nach W n r z b a c h, B. 32, S. 131, und anderen Duellen, »geb. zu Wien im 1. 1746«. Siehe die Richtigstellung auf Grund des Taufscheines bei B o d e n s t e i n. Hundert Jahre Kunst geschichte Wiens, S. 177. 2 Schülerprotokoll der Akademie 1/c: »Schütz (Schytz) Carolus, von Labach Mahlers Sohn in der Joseph Stadt bey den Josephs Berg.« Sujets, wie figurerireiche militärische Darstellungen und Schlachtenszenen. Doch alle diese Arbeiten ver schwinden gegenüber seiner bedeutendsten Leistung: den Wiener Ansichten. Die Wiener Vedute von Schütz vereint alle Reize und Vorzüge des Straßcn- bildes: korrekte Zeichnung der Architektur, genrehafte Gruppierung und Bewegung der Staffage, beobachtet in der Tagesbeschäftigung, erlauscht im Nichtstun, Figuren von echter, lebenswahrer Chodowieckischer Grazie. Schütz hat seinen letzten Beitrag zur Serie der Wiener Ansichten um zwei Jahre überlebt. Seit 1795 »Meister der Zeichnungskunst« an der k. k. Ingenieur- Akademie, 3 stirbt der von seinen Zeitgenossen hoch- geschätzte Künstler am 14. März 1800. 4 Johann Ziegler, der erste Mitarbeiter von Karl Schütz, ist sozusagen das »robustere« Künstlertalent. In der um 1778 erfolgten Arbeitsteilung fielen ihm die Wiener Vorstädte zu; die Wiedergabe der entzückenden landschaftlichen Motive und der Figuren-Staffage gelang ihm in vortrefflicher Weise. Schütz ist der Filigran künstler in allen Architektur- und Figurendetails, Ziegler hat für das Architektonische, die Landschaft und die Staffage kräftigere Töne und, von einigen wenigen miß lungenen Details abgesehen, eine stärker unterstrichene Bewegung. Johann Ziegler wurde am 11. Juli 1749 zu Sachsen- Meinirigen geboren/’ Mit 20 Jahren — Februar 1769 — 3 Gatti. Gesch. der k. u. k. techn. Militärakademie, Wien 1901, S. 352. Im Jahre 1782 finden wir ihn als »Lehrling« der St. Johannesloge zur Beständigkeit atn Orient. L e w i s, Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich, Wien 1861, S. 155. Die Sphinx. Freimaurer. Taschenbuch, Wien 1873, S. 28. 4 Archiv des Landesgerichts. Magistr. Testamente. Er starb »auf der Wien Nr. 19« und hinterließ sieben Kinder, dar unter den damals 15jährigen Sohn Josef, der sich schon in jungen Jahren als Kupferstecher betätigte. Am 18. April 1773 verheiratete sich Schütz mit Susatma, Tochter des Haushof meisters des Grafen Canal, Marco Fino. Sein ärmlicher Nach laß an Kupferstichen und. Büchern etc. wurde um 93 Gulden 25 Kreuzer verkauft. 5 Allg. deutsche Biographie, B. 45, S. 183. Im Tauf- register der Meininger Stadtkirche findet sich folgender Ein-