Seite 10 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 1 Eine neue Waffensammlung. Man schreibt uns aus München: In dem den Neuerwerbungen gewidmeten Saale des Na tionalmuseums ist jetzt ein Teil der großen G e wefars am m- 1 u n g untergebracht worden, die dank der Initiative des Kron prinzen R u p p r e c h t nach dem Tode des Prinzregenten Luit pold als Leihgabe aus der k. Gewehrkammer dem Museum überwiesen wurde. Es ist eine Sammlung von einem Umfange und einer Qualität, wie sie sicli in Europa nicht oft findet. Von den 800 Stücken sind bereits an 100 aufgestellt, und zwar haben sie ihren Platz vor dem Schranke gefunden, der die drei prachtvollen Schwerter des Oeorgiritterordens birgt, die das Großkanzleramt dem Museum als Leihgabe überlassen hat. Welche Unsumme feines, auf technischem Können basieren des kunstgewerbliches Geschick in Bayern im 17. und 18. Jahrhun dert vorhanden war, davon erzählen uns diese Zeremonien schwerter. Da zeigt sich vor allem die spezifisch Münchnerische Eisenschmiedarbeit, die wohl aus Anfang und Mitte des 17. Jahr hunderts herrührt. Aller Zierat ist aus dem Material, aus dem Eisen, herausgeschnitten, und der Grund um die erhabenen Ornamente und kleinen Figuren mit Gold touchicrt. Hier ist vor allem das mittlere Stück, das größte der Schwerter, zu er wähnen, dessen Griff vom Münchener Graveur und Eisen schneider Sa de ler stammt, wogegen die Klinge dazu wohl spanischen Ursprunges ! st. Das Schwert hat einen kleinen, säbel artigen Korbgriff, von dem ein kleiner Parierring absteht, wäh rend die Parierstange ziemlich lang nach beiden Seiten vor greift. Ein hoher starker Knauf krönt das Degengefäß. All diese Teile sind mit seltener Liebe mit Figuren eingeschnitten, in Gold touchiert, oft ist noch in einzelnen Details der Figuren wieder Gold angesetzt. Aesthetisch von noch besserer Wirkung ist der obere Teil des rechten Schwertes. Ein starker Knauf in länglichem Oval ist ganz in Schuppenornament mit Goldlinienfassung geschnitten, und diese Schuppen in dunklem Stahl mit Goldstreifenabschluß wiederholen sich auf der ganzen korblosen Handhabe, auf den elegant und einheitlich geschwungenen Stücken der Stange. Die Handhabe selbst, das Mittelglied tragt Längs- und Querorna mente. Das dritte Stück ähnelt dem zweiten, ist aber schon mehr geschwungen und gekünstelt, indem die Querstange zu einem recht langen ürcifkopf und Hals ausgeht, die Körperpartie in der Mitte mit dein Federpanzer fällt sehr klein aus. Ebenfalls aus dem Besitz des Oeorgiritterordens stammen die drei Rüstungen, deren mittlere von Pfeffenhauser (Augsburg) um 1580 stammt, glatte, formalschöne Stücke, mit Aetzung und üoldtouchieruiig. Bedeuten die Schwerter und die Rüstungen nur kostbare Proben aus den Arbeiten einer Epoche bayerischen Kunst gewerbes, so gibt die Gewehrsammlung aus der kgl. Residenz schon in den jetzt aufgestellten Gewehren etwas wie einen Ueber- bliek über die Zierstiickc einer größeren Epoche, fast vom Barock bis zum Empire, in der Branche der Biichseuspaunerarbeiten. Es ist, als hätte man die Stücke aller verschiedenen Länder und aller möglichen Ziertechniken hier mit Bewußtsein zu sammengetragen. East jedes dieser Gewehre ist eingehender Be trachtung wert und scheidet hier auch die Verschiedenheit des inneren Baues, Zündung und Feuerung aus. So gibt auch jedes Stück fast in seinem Aeußeren Anregung genug in technischer und künstlerischer Beziehung. Es handelt sich fast ausschließ lich um Jagdwaffen, bei denen für den Besteller und Käufer wohl der Preis gar keine Rolle spielte. Der tüchtige Handwerker, der die Techniken vollkommen beherrschte, sie nicht nur in der heimischen Lehrwerkstätte, auch in fremden Ländern vielleicht noch vervollkommnet hat, formt so ein Stück mit allem Raffine ment, mit aller Liebe. Er weiß, daß das Gute, der Schmuck, je feiner und erlesener, einst geschätzt wird. Und so beginnt er mitten in der Arbeit, seine Phantasie mit der Technik Schritt halten zu lassen. Es gibt unter den 100 Stücken kaum zwei, die gleich sind. Ueberall ist Form, Schmuck und Linie ver schieden. Um vom Geschmack und der Kostbarkeit der Gewehre ein Bild zu gewinnen, sollen sie nach den Details und Schinuck- teehniken ihrer einzelnen Teile, des Schaftes, des Schlosses, des Rohres betrachtet werden. Da wechselt Münchener Arbeit, zum Beispiel von Johann Georg Dax, mit französischer und italieni scher Arbeit, und neben größeren Orten finden wir viele ganz kleine vertreten, wo Handwerker saßen, die den Ehrennamen »Künstler« voll und ganz verdienten. Bei den Schäften findet man neben dem ganz glatten Nußbaumschaft, der nur den Schnitt iiir den Anschlag hat, solche, die schon Reliefflachschnitzereien zeigen. Dann kommen reichere Stücke, wo neben der Holz schnitzerei sich kleine Silbereinlcgearbeiten hervorwagen, bald tritt dann Elfenbein auf, auch in Verbindung mit Silber und Gold, bis wir einem Schaft ganz in Silber begegnen. Dieser ist nicht nur reicli graviert, sondern zeigt noch durchbrochene Arbeit. Dann sind speziell auch Treibarbeiten da. Die Damenflinten haben am Anschlag Samt- und Lederpolsterung. Ein Rokoko stück ist ganz mit Schildpatt am Schaft überzogen, ein zweites hat im Schildpatt noch Arabesken aus Silber eingelegt. In einem anderen Stück ist vertieft in Goid das Porträt Karl Alberts ein gelassen, das noch von einer silbernen, mit dem Wappen gra vierten Platte umgeben ist. Die Phantasie und die Lust am Orna mentalen zeigt sich auch am Schloß. Hier finden wir auch die Griffe stilisiert und graviert. In einem Hahn ist zum Beispiel das Porträt des Kurfürsten und ganze Szenen vorne am Schloß ein graviert. Ein Drachenkopf wieder gibt den Hahn ab, bei anderen ist ein Laufpude als Hahn benützt. Viele der Griffe sind in durch brochener Arbeit gemacht. Auch an den Gewehrläufen läßt sich eine seltene Mannig faltigkeit und ein großer Geschmackreichtum finden. Da ist die einfachste Form der achteckige Lauf. Aber auch beim glatten Stück gibt der Zieler und die Fliege schon Anhaltspunkte zu irgendwelcher Schmuckarbeit. Dann kommen runde Läufe, die, ganz und gar ornamental behandelt, in Eisen geschnitten und goldtouchiert sind. Einige davon sind gebläut, so daß das Gold prächtig dazu kontrastiert. Wächst da und dort das Ornament aus dem Eisen des Laufes, so finden wir es bei anderen Stücken aufgelegt und aufgesetzt, als Flachrelief mit figuralem Schmuck und ornamentalen Linien geziert. Da enthält ein Lauf ein graviert gleich eine ganze Geschichte, und zwar dürfte die Dar stellung mit einem »Verlöbnis« Maria Annas an die Ettaler Muttergottes um Kindersegen oder Genesung Zusammenhängen, Das Stück stammt von Josef Nies in Mindelheim. Ein anderes Stück enthält das fürstbischöfliche Wappen eines S c h ö n b o r n Die mit starker Goldornamentik versehenen Stücke, die ganz charakteristische Linien zeigen, stammen meist von Parisern oder italienischen Handwerkern. Interessant ist auch zu beob achten. wie reizvoll auf einigen Stücken der achteckige Lauf in die runde Form übergeht, dort Schnittmuster zeigt und dann verjüngt wieder achteckig wird, oft auch, um sich später wieder rund zu gestalten. Auch orientalische Läufe sind da, echte und orientalisierende, wie sie in Solingen damals gerne gemacht wurden. Zeichen und Namen an den Gewehren weisen meist auf die Handwerksmeister hin, von denen sie stammen. Genügt den Meistern aus früherer Zeit eine kleine Chiffre, ein diskreter Namenszug, so wird er später oft störend groß und deutlich angebracht. Immerhin sieht man, daß man seine eigene Kunst damals schon zu schätzen wußte und daß die Deckung mit den Namen manchen Vorteil brachte für den Verfertiger, aber auch für die Arbeit. Mag die Zeit für das kostbare Gewehrprunk- stiick auch vorüber sein, aus den Techniken, die dazu angewandt wurden, aus dem großen handwerksmeisterlichen Können, wie aus dem Standesbewußtsein und künstlerischen Geschmack können wir heute noch lernen.