Nr. 1 Internationale Sammler-Zeitung. Seite 11 Chronik. Autographen. (Launen des A u t o g r a p h e n m a r k t e s.) Aus Paris wird uns geschrieben: Die Versteigerung der Auto graphensammlung Boucherez im Hotel Drouot brachte einige Preise, die als Kuriosität und als ein Beispiel für die Hier archie der Berühmtheiten aut dem Autographenmarkte erwähnt zu werden verdienen. Für zwei Autogramme des Königs Jerome »immer Lustik« wurden ganze 10 Franken bezahlt, ein Brief von Chateaubriand brachte es nur auf 9 Franken, ein Autogramm des großen Conde erzielte 10 Franken und für acht von Ludwig XIV. unterschriebene Schriftstücke wurden 9 Franken bezahlt — für den Sonnenkönig immerhin kein über triebener Preis. Aber er kann sich trösten, sein Nachfolger auf dem französischen Königsthron wird von den Autographen sammlern noch niedriger bewertet: für 12 Schriftstücke, die die eigenhändige Unterschrift L u d w i g XV. trugen, wurden im Sammeleifer nicht weniger als — 4 Franken angelegt. Zwei Briefe von Kecker erzielten 5 Franken lind ein Brief von Renan 10 Franken. Dafür aber bezahlte man für einen Brief von Marat 20 Franken und für eine Anzahl Autogramme des Fräulein Dejazet 24 Franken; im Vergleich zu den Unter schriften des Sonnenkönigs immerhin eine märchenhaft hohe Summe . . . Bilder. (W i e d e r a u f f i n d u n g der »Mona Lisa«.) Das Rätsel der »Mona Lisa«, des am 22. August 1911 aus dem Pariser Louvre verschwundenen Meisterwerkes Leonardo da Vincis ist gelöst. Am 12. Dezember wurde die Kulturwelt in freudigster Weise durch die Nachricht überrascht, daß das für unwiderbringlich verloren gehaltene Bild dort aufgetaucht ist und von der italienischen Regierung mit Beschlag belegt wurde, die es binnen kurzem Frankreich zurückgeben wird. Die Art der Auffindung liest sich wie ein Roman. Am 29. November v. J. erhielt der Florentiner Antiquar Alfred« Geri einen Brief aus Paris, der mit Leonardo V. unterzeichnet war. Ein Unbe kannter schrieb ihm darin, er sei im Besitze der »Mona Lisa«, die er ihm schicken wolle, weil er in den Zeitungen gelesen habe, daß er eine Ausstellung von Kunstsachen plane. In dem Brief stand auch, daß er das Gemälde gerne in einer staatlichen Galerie Roms oder Florenz’ gesehen haben würde. Auf Rat Giovanni Poggis, des Direktors der Uffizien, erwiderte Geri, daß er mit Vergnügen in Beziehung zu dem Besitzer der üioconda treten wolle, ln seiner Antwort verlangte der Unbekannte die Versicherung einer Prämie von einer halben Million Lire, die ihm auch zugesagt wurde. Am 9. Dezember erschien plötzlich besagter Unbekannter bei Geri und führte diesen und den Di rektor der Uffizien in ein kleines Gasthaus. Da inan dort nur wenig Licht hatte, wurde das Bild in die Uffizien transportiert und als das richtige erkannt. Der Generaldirektor Ricci, der aus Rom berufen wurde, prüfte das Bild nach peinlicher Ver gleichung mit großen Photographien aufs genaueste, so daß kein Zweifel mehr sein konnte, daß das Werk Leonardos gefunden sei. Nach der Verhaftung erzählte der sonderbare Dieb, ein ge wisser Vincenzo Perugia, aus Luino und seit langen Jahren in Paris ansässig, er hätte als dort angestellter Anstreicher sicli frei in den Räumen des Louvre bewegen können und der Ge danke des Raubes wäre in ihm wach geworden, weil es ihn mit Entrüstung erfüllt hätte, zu sehen, wie viel Napoleon aus Italien weggeschleppt hätte, und er auf diese Weise sein be raubtes Vaterland rächen wollte. Er habe unbemerkt das ganze Bild aus dem Saal getragen, es sodann vom Rahmen befreit und die Leinwand unter seiner Bluse versteckt. Zwei Jahre hatte er dann das Bild bei sich behalten, bis in ihm die Idee rege wurde, einer italienischen Staatsgalerie den Besitz zu sichern. (Neue Bilder von V e 1 a s q u e z.) Ein bisher unbe kanntes Jugendwerk des V e 1 a s q u c z, das Bild einer Köchin aus der Sammlung von Otto Beit, wird jetzt von De Beruete y M o r e t im »Burlington Magazine« veröffentlicht. Das Bild gehört zu den »Bodegones«, realistischen Genrestücken aus der Zeit von 1613 bis 1623, in denen der junge Künstler im Wettbewerb mit seinem Lehrer und Schwiegervater Francisco Pacheco sich besonders auf dem Gebiete des Kücbenstillebeus mit menschlichem Zubehör hervortat, bevor ihn der Umzug von seiner Heimat Sevilla an den Hof von Madrid in eine ganz andere Welt, die Welt seiner Fürstenporträts führte. Das neue Bild zeigt eine etwas blöde und häßliche Magd mit stierem Ausdruck, die hinter einem voller Gefäße liegenden Küchentisch steht und gerade eine Kanne vom Bord nehmen .will. Es scheint zu den allerfrühesten derartigen »Bodegones« des Velasquez zu ge hören. Eigentümlich und für den unbeirrbaren naturalistischen Sinn des jungen Künstlers bezeichnend ist, daß er dieselbe häß liche Magd auch für eine gleichzeitig entstandene, jetzt im eng lischen Privatbesitz befindliche Darstellung der unbefleckten Empfängnis als Modell benützte. — Ein anderes unbekanntes Werk des Meisters, aber aus späterer Zeit, das sich jetzt im Be sitze von Ms. S e n f f in Newyork befindet, veröffentlicht Prof. Valerian v. Loga im »Jahrbuch der Preußischen Kunstsamm lungen«. Es ist das Porträt eines Mannes; die prachtvoll charak terisierte Persönlichkeit mit dem seltsam ungepflegten Haar läßt sich nicht benennen. Prof. v. Loga, der eine Reihe der Haupt werke des Velasquez mit guten Gründen neu datiert, setzt das Werk in die letzten Lebensjahre des Meisters. Er spricht im übrigen auch die Vermutung aus, daß das bekannte Damen bild des Velasquez im Berliner Kaiser Friedrich-Museum nicht die Gattin des Meisters, wie Karl J u s t i meinte, sondern die Herzogin v. 0 1 i v a r e z, die Gemahlin des allmächtigen Ministers Philipps IV. darstellt. Es war eine hoffärtige In trigantin, ihre schiefe Schulter hat Velasquez auf dem Bilde sehr geschickt kaschiert. (B i 1 d e r d i e b s t a h 1 in der M ii nclie n e r P i n a- kothek.) Aus der Münchener Pinakothek sind in der Nacht auf den 24. Dezember v. J. drei Bilder gestohlen wor den, und zwar: »Der erste Schnee« von Friedrich Bi sch off im Werte von 3000 M-k., »Italienischer Klosterhof« von Leo von K 1 e n z e, Wert 800 Mk„ und Affe mit einem Hunde spielend, von Heinrich Sch au mann, Wert 500 Mk. (E i n F liege r b i 1 d von G o y a.) Auch Francisco de Goya, der große spanische Maler und Graphiker, hat sich in seiner Kunst mit dem Problem des Menschenfluges beschäftigt, das ja Leonardo da Vinci und Arnold Böeklin gleichfalls gereizt hat. In einer der Radierungsfolgen Goyas, den »Proverbios«. kommt ein Blatt vor, in dem Goya eine Art von Menschenflug darstellt. Jetzt veröffentlicht Prof. Valerian v. Loga, der Ber liner Kunstgelehrte, aber auch ein großes Bild des Meisters, in dem Flieger dargestellt sind. Das bisher unbekannte Werk, das in dem neuen Archiv für Kunstgeschichte wiedergegeben wird, gehört Mrs. Havemeyer in Newyork. Es ist um das Jahr 1813 entstanden, als von den modernen Begründern der Elugteehnik noch keiner geboren war. Eine wildromantische, spanische Land schaft ist dargestellt, auf einem gewaltigen Felsen erheben sich beherrschend in der Mitte kastellartige Bauten. Und um den Felsen schwirren drei Flieger, während unten das Volk sich staut. Von weitem haben die Flieger einige Aehuliehkeit mit unseren Taubem Aber Goya hat sich, wie Lionardo, im Anfang ja auch Lilienthal, das Problem so gelöst gedacht, daß der Mensch sich riesige Flügel an den Körper bindet. Ja, die Menschlein, die bei Goya die weißen Schwingen angetan haben, schlagen damit wie die Vögel, und sie treten Luft wie Schwim mer. Das Bild ist in der temperamentvollen, etwas düsteren Haltung der späten Landschaften des Meisters gemalt. Einer seiner höchsten Reize ist, wie die liehen Menschenvögel um den unheimlich dunklen Felsen schwirren.