Seite 146 Nr. lü Internationale Sammler-Zeitung. wenigen von diesen belehrten Bäuerinnen geübt — zu verdrängen. Auf diese Wiederbelebung der Kunststickerei folgte eine gründliche Verbesserung der Herstellung der Kretonnegewebe. Im achtzehnten und sogar schon im siebzehnten Jahrhundert waren die englischen Fabrikate dieser Art wegen der Schönheit der Entwürfe und deren Ausführung 'berühmt gewesen. In jenen Zeiten wurde die Kretonneweberei hauptsächlich in Merton Abbey geübt, wo das wegen seiner Reinheit und seiner besonderen chemischen Zusammensetzung wohlbekannte Wasser des Flusses Wandle für die Spülung und Reinigung von bedruckten Geweben aus Seide, Leinwand und Baum wolle besonders vorteilhaft sein soll. Dieser Umstand war es auch, der Morris veranlaßte, nach Merton Abbey zu iibersierieln. Gerade die feinste und edelste textile Kunst war aber noch von der allgemeinen Renaissance unberührt ge blieben - die G o b e 1 i n w e b e r e i. Dieses Kunsthand werk war unter den Stuarts in hoher Blüte gestanden, aber dann in Vergessenheit geraten, so daß Morris keinen Lehrer finden konnte, bei dem er diese Technik hätte er lernen können. Wohl würde er in Frankreich einen solchen gefunden haben, aber es widerstrebte ihm, auch nur den Mechanismus eines Werkzeuges von einer Nation zu erlernen, die, wie er sich austdrückte, »die Gobelinweberei aus einer edlen und erhabenen Kunst in eine gewöhnliche Tapeziererarbeit umgewandelt hatte«. Denn auch in Frankreich hatte ein vollkommener Verfall dieses Kunstzweiges stattgefunden, und die damalige Gobelinweberei bot nach Morris Aussage »einen melan cholischen Anblick«. Auch hier ermöglichte ihm seine be sondere Begabung für das Handwerk, die ihm ebenso an geboren war wie seine Künstlerschaft, sein Dichter- und sein Schriftstellertum, eine glänzende Ausführung seines Versuches. Aus alten französischen Büchern erlernte er vorerst die Theorie der Gobelinweberei, dann fand er nach langem Suchen einen alten Gobelinwebstuhl, den er käuflich erwarb und in seinem Schlafzimmer aufstellen ließ. Jeden Morgen stand er um zwei Stunden früher als gewöhnlich auf, um seine übrigen Arbeiten nicht unter brechen zu müssen, und übte und manipulierte so lange, bis er die Kunst der Gobelinweberei vollkommen erlernt und bemeistert hatte. Es beweist unter anderem, wie viel seitig dieser Mann war, daß er beim Geräusch des hin- und hersausenden Weberschiffchens Gedichte verfassen konnte. Auf diese Weise entstanden viele größe Gobelins, für die er und B urne-Jones die Entwürfe zeichneten. Die Namen William Morris und Burne-Jones sind mit der Wiederbelebung der Gobelin web er ei ebenso unzer trennlich verknüpft wie mit der modernen Glasmalerei. Der letzte von Burne-Jones entworfene große Gobelin war die Ausführung eines Motivs aus der altfranzösischen Dichtung: Der Roman der Rose, betitelt »Die vorüber ziehende Venus«. Leider wurde dieses herrliche Werk in dem Feuer, das die britische Sektion der Brüsseler Aus stellung im Sommer 1910 verheerte, gänzlich zerstört. Nachdem Morris eine Reihe wundervoller Gobelins gewebt hatte, lehrte er diese Kunst einige junge Mädchen, die er sodann beschäftigte, und so gründete er die erste Schule für Handweberei. Er selbst aber wandte sich im rastlosen Arbeitseifer wiederum einem neuen Gebiete zu, diesmal dem des Buchschmuckes. Er nahm das Studium alter Hand schriften, das er schon in seiner Knabenzeit auf der alter tümlichen Bibliothek der Schule zu Marlborough mit Vor liebe und großem Verständnis betrieben hatte, wieder auf und beschäftigte sich selbst mit künstlerischer Hand schriften- und Buehstabenmalcrei. Sodann wandte er sich der Handdruckcrci zu. Die Druckpresse in Kelm- scott, die er aufstellte, wird in der Geschichte der Druckerei fortleben. Sie führte fünfzig Werke aus, deren letztes der berühmte »ühaucer« war, zu dem Morris die Blattränder und Burne-Jones die Initialien zeichnete, und zu dem überdies Morris die meisten Klischees selbst ge schnitten hatte. Dies sollte sein letztes Werk sein. Mitten aus einem erfolgreichen, unermüdlichen Arbeitsleben raffte ihn der Tod am 3. Oktober 1896, in seinem 62. Lebensjahre plötz lich hinweg. Vom Jahre 1876 bis zu seinem Tode war er Prüfer im Kunstdepartement des South-Kensington-Museums gewesen, wo er ganze Berge von Zeichnungen prüfte. Ihm und Walter Crane ist die Reform des Zeichen unterrichtes in England zu danken, die später auch in den Ländern des Kontinentes durchdrang. Außerdem war Morris Gründer der »Gesellschaft zum Schutze und zur Erhaltung alter Baudenkmäler« und der »Gesellschaft für Kunst und Kunsthand werk«. Die ersten Weizinger-Auktionen. Die Kunstfirma Dr. F. X. W eiziiiger & Co. in M ii n- c h e n tritt in den letzten Tagen des Mai mit drei Auktionen auf den Markt, die ebenso für deren Findigkeit sprechen, wie sie ein Beweis des guten Geschmackes sind, der die Firma bei der Wahl der Sammlungen geleitet hat. Den Anfang macht die Versteigerung der Sammlungen der Viscounts Strathallan auf Strathallan Castle (Pert- shire, Schottland), die sich durch die reiche Menge von Tafel porzellanen, das vollständige Silberservice und durch das Vor handensein zweier künstlerisch und technisch gleich hervor ragender Prunkkabinette auszeichnen. Die Tafelservice gehören hauptsächlich englischen Fa briken an und sind durchwegs in ostasiatischem Dekor gehalten. Während die einen blaue Blumenmuster und chinesische Land schaften zeigen, prangt das sogenannte Goldservice, das wahr scheinlich nur zu Prunkzwecken verwendet wurde, in malerisch und zeichnerisch fein ausgeführtem figürlichem, landschaftlichem und Arabeskenschmuck. Gold bildet dazu aen Grundton, was dem Ganzen einen äußerst vornehmen und dekorativen Charakter verleiht. Die französischen Fabriken sind durch Sevres, Paris und einige kleinere Orte mit schön dekorierten Geschirren ver treten. Kleinere Serien steuerten Wedgwood und Meißen bei, die sich vor allem durch hübsche Formen bemerkbar machen. Das Schwergewicht der Kollektion dürfte in dem silbernen englischen Tafel- und Prunkservice liegen. Bei dem großen Um fang und dem soliden Material übt es einen überwältigenden Eindruck aus. Von Einzelstücken sind die beiden großen, reich ornamentierten Prunkschüsseln und der silbervergoldete, ge deckelte Prunkpokal (Fig. 1) hervorzuheben, die beide Meister werke der Londoner Goldschmiedskunst darstellen. Von den Möbeln, die die Einrichtung von Strathallan Castle bildeten, kommen nur zwei Stücke zur Versteigerung; diese sind allerdings derart, daß sie zu dem Besten gerechnet werden müssen, was seit langem an Kunstmöbeln auf den Markt kam.