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Internationale Sammler -Zeitung.
Nr. 12
Zinngießer wetteiferten in der Herstellung der Metallgeräte für
Küche, Zimmer, Festsaal und Kirche. Wie alle anderen Ge
werbetreibenden waren auch die »Kandelgießer« durch Zünfte
vereinigt, die in hohem Ansehen standen. Unter einem kleinen
Nürnberger Holzschnitt von Jost Amman, der uns einen Blick
in die Werkstatt eines Zinngießers tun läßt, findet sich ein
Spruch von Hans Sachs:
/ Das Zinn mach ich im Feuer fließen /
Thu darnach in die Mödel gießen /
Kandel / Flaschen / groß und auch klein /
Darauß zu trinken Bier und Wein /
Schüssel / Blatten / Täller / der maß /
Schenkkandel / Salzfaß und Gießfaß /
Ohlbüchsen / Leuchter und Schüsselring /
Und sonst ins Hauß fast nütze Ding. /
Das Mischungsverhältnis des Metalles, der Le
gierung, war in den einzelnen Städten verschieden; so bestand
die »Nürnberger Probe« aus 10 Teilen Zinn und 1 Teil Blei. Die
Zunft hatte ein wachsames Auge für alles, was die Werkstatt
der Mitglieder verließ. Drei »geschworene Meister« (Zunft
vorsteher) mußten öfters im Jahre in allen Werkstätten Zinn
proben vornehmen wegen des Bleizusatzes. Auch die Qualität
der Arbeit hatten sie zu prüfen; was beim Gießen oder Drehen
beschädigt war, das wurde zerschlagen oder eingeschmolzen.
Auf Prunkstücke wurde viel Mühe und Sorgfalt verwandt; die
wurden in der »H o 1 z s t o c k m a n i e r« in Metall- oder
Steinformen hergestellt, das heißt, die Gußform wurde in Stein
vertieft geschnitten, so daß der reichliche ornamentale und
figürliche Schmuck erhaben stehen blieb. Hervorragende
Arbeiten dieser Art lieferten die Nürnberger Meister Martin
Harscher (f 1523) und vor allem Kaspar En der lein
(t 1633). . Neben Nürnberg war es Regensburg, das den
Hauptteil an bedeutenden Kandelgießern stellte. Jedoch
der größte Meister in Zinn war der Pariser Francois Briot
(f 1673). Es würde zu weit führen, die schon längst in festen
Händen, in Museen, befindlichen Seltenen Musterstücke dieser
Künstler hier aufführen zu wollen. Der Sammler von heute darf
nicht hoffen, noch solcher Arbeit zu begegnen; schon eher den
gleichzeitigen, etwas rauhen Güssen, die in Sandformen her-
gestellt wurden.
Das Erz der sächsischen und böhmischen Berge reichte
schon im 16. Jahrhundert nicht mehr zur Deckung des Be
darfes; man mußte englisches Zinn einführen. Im
18. Jahrhundert wurde das Metall, das fast drei Jahrhunderte
lang die wichtigste Rolle im Volksleben gespielt hatte, all
mählich durch Porzellan und Glas verdrängt. Nach der Er
findung des Porzellans entstanden an vielen Fürstenhöfen und
Bischofssitzen Porzellanmanufakturen. Und jede Fabrik war
bestrebt, es den anderen an künstlerischer Vollendung ihrer
Erzeugnisse vorzutun. Natürlich waren es nur die Reichsten
des Volkes, die sich damals Porzellan leisten konnten. Erst
um 1800 fand man es im Bürgerhaus neben dem Zinn, das
immer noch das Hauptküchengeschirr war. Gerade das zuletzt
gegossene, schlechtere und formnüchterne Zinn des 19. Jahr
hunderls ist hier und da noch auf dem Lande zu finden. Von
der gediegenen, alten Herrlichkeit ist nur wenig übrig; be
sonders in der Stadt ist bis in die Achtzigerjahre unter den
Zinnvorräten bös gehaust worden. Damals kam allerwege der
Porzellansegen. Schrankvollweise wanderte das »bäuerische«
Geschirr für ein Spottgeld zum Spengler, zum Einschmelzen.
Dafür schaffte man dann tönerne Dutzendware ins Haus.
Welche Schätze gingen so verloren! Es gehört zu den größten
Seltenheiten, wenn man heutzutage noch einen wohlerhaltenen
Familienschatz von Zinn antrifft. Aber was noch für diese
Familien zu retten ist, das sollte man retten und nicht, wie.'s
so oft von patentierten Kulturträgern geschieht, die Geldgier
der Leute wecken, um ihnen mit dem Stück auch die Tra
dition zu rauben.
Silhouetten-Fälschungen.
Mit Bezug auf die beiden Beethoven-Silhouetten in unserer
vorigen Nummer erhalten wir folgende beachtenswerte Zu
schrift:
»Geehrter Herr Redakteur! Die Veranlassung zu dem Auf
sätze »Beethoven in Mödling« in Nr. 11 Ihrer Zeitschrift dürfte
wohl der scheinbar glückliche Umstand gegeben haben, daß
der gesch. Verfasser in den Besitz von zwei Beethoven-
Silhouetten gelangt ist. Ich sage scheinbar, denn leider sind
die zwei Silhouetten plumpe Fälschungen. Falsche
Silhouetten werden durch eine Wiener Fabrik schon seit
Jahren im In- und Auslande verbreitet. Ich habe schon vor
Jahren, als die ersten derartigen Fabrikate (Porträts aus dem
Goethekreise) auftauchten, sowohl im Wege dei »Internatio
nalen Sammler-Zeitung«, des »Börseblattes für den deutschen
Buchhandel« und, wie ich glaube, des »Neuen Wiener Tag
blatt« auf diesen schwunghaften Handel mit Falsifikaten hin
gewiesen und vor Verkäufern und Ankauf gewarnt. Diese
Warnung dürfte aber kaum wirksam gewesen sein, da die
Massenproduktion von falschen Silhouetten nicht nur
nicht abgenommen hat, sondern eher gewachsen ist. Nach
Goethe und seinem Kreise kamen die Wiener Musiker
und ihre Freunde, dann die sehr einträgliche Fälschung von
Porträts aristokratischer Familien. Gerade
auf diesem Gebiete der Fälschungen kam es, wie mir seinerzeit
der verstorbene Graf Latour erzählt hat, Zu den tragikomi
schesten Auftritten, wenn die h e t e r o g e n s t e n Familien
die gleichen Vorfahren ihrer Ahnengalerie einverleiben oder
einverleiben wollten. (Dieses merkwürdige Spiel der Natur
konnte ein Rahmenmacher, dem solche Porträts behufs Ein
rahmung übergeben wurden, feststellen.) Da die Fabrik und
ihre Helfershelfer zu sehr billigen Preisen »liefern«, erachten
sich die Käufer nicht als geschädigt, daher der schwunghafte
Handel mit den Fälschungen. Es wäre jedoch sehr notwendig,
diesen Fälschern im Interesse des ehrlichen Handels und ein
wandfreien Sammelns endgiltig das Handwerk zu legen.
Händler und Sammler und auch beteiligte Private müßten
gegen die Fälscherbande rücksichtslos Vorgehen und im Be-
tretungsfalle, hauptsächlich wo unrichtige Angaben der Namen
und Adresse den Tatbestand der Vorspiegelung falscher Tat
sachen ergeben, die Agenten der Erzeugnisstätte der Polizei
übergeben. Hochachtungsvoll Dr. Ignaz Schwarz ( Wien).«
Herr Robert Eder, der Verfasser des auch sonst inter
essanten Artikels über »Beethoven in Mödling«, dem wir von
den Bedenken des als Fachmann anerkannten Herrn Doktors
Schwarz Mitteilung machten, äußert sich dazu wie folgt: »Die
Sache ist sehr interessant, da ich seit einigen Tagen selbst an
den Silhouetten i r r e wurde. Der Zufall machte mich nämlich
mit dem Apotheker Herrn Linde aus Melk bekannt, der
mir erzählte, daß vor etwa 14 Tagen ein Mann bei ihm er
schienen sei, der sich ihm als Installateur aus St. Pölten vor
stellte und ihm Silhouetten zum Kaufe anbot. Herr Linde
nahm ihm fünf Stück zu je* einer Krone ab. Der Verkäufer fügte
hinzu, er hätte noch Silhouetten und gab Herrn Linde seine
Adresse in St. Pölten, doch als Herr Linde ihm unter dieser