Seite 226 Internationale Sammler-Zeitung, Nr. 15 Bleibt nur die Bemerkung Königs, das er davon hörte, Goethe habe selbst solche Nachsicht öfter nötig gehabt. Mein Gott . . . dieses Gerücht mag ja seinen Grund in der Nachsicht gehabt haben, die Goethe — anderen gegenüber übte; Gerüchte entstehen ja so leicht und haben oft in den seltsamsten Umständen ihren Grund. Ueber Goethe als Sammler kann man schon aus den Katalogen, die unter seiner Aufsicht angefertigt wurden und die später sorgfältig ergänzt und revidiert erschienen, Belehrung finden. Goethes mehrjähriger Se kretär Chr. Schuchardt, welcher lange Zeit auch das Amt eines Ordners und Beaufsichtigen dieser Sammlun gen bekleidete, hatte schon ein viertelhalbhundert Seiten starkes beschriebenes Verzeichnis herausgegeben, wel ches sich nur auf die der zeichnenden Kunst ungehörigen Stücke beschränkte, die Goethe Zeit seines Lebens zu sammeln nicht müde wurde. Man kann Goethe sicherlich im idealsten Sinne des Wortes zu den passionierten Sammlern zählen. Er konnte mit einem geradezu leiden schaftlichen Eifer einem Stücke nachgehen, das eine Lücke in einer seiner vielen und mannigfaltigen Kollek tionen ausfüllte. Wer ihn darin hilfreich unterstützte, dem konnte er seine Dankbarkeit nicht genug herzlich be kunden. Zelter zum Beispiel, der diese Neigungen seines großen Freundes kannte und nach Kräften förderte, ist daher auch ganz glücklich darüber, daß er ihm den Besitz eines ehernen Stieres verschaffen konnte, der in David Friedländers Sammlung sich befand und Goethes Sammellust mächtig gereizt hatte. Friedländer, dem Goethe für dieses Stück Dubletten aus seiner Medaillen- Sammlung anbietet, macht sich eine Ehre und Freude daraus, dem Dichter das gewünschte Stück zu über lassen. Goethe schließt aber nicht bloß Tauschgeschäfte mit Friedländer ab, worauf ein Briefwechsel zwischen den Beiden sich bezieht, sondern wird auch von Fried- ländcr mit Geschenken bedacht, was wir aus einem er götzlich schlauen Briefe erfahren, mit dem Zelter dieses Geschenk eine Medaille — begleitet. Da heißt es u. a.: »In der Schachtel selbst wirst du beim Auspacken auch die Zueignung des Gebers an dich finden. Willst du ihm darüber ein gutes Wort gönnen, so hast du vielleicht noch einmal dergleichen zu hoffen; er ist ein guter Mann in deinem Alter, den ich oft sehe, weil er mir nahe wohnt und am Podagra leidet, und wird oft von dir gesprochen. Er ist ein Schüler von M. Mendelssohn und hat bei hohem Alter ein Gedächtnis seiner Zeit und der meinigen, wodurch ich immer zu be richtigen und zurechtzustellen finde . . .« Das Sammeln war bei Goethe, wie bei jedem echten Sammler, nicht Selbstzweck, sondern auch Behelf und Mittel zu stets sich erweiternder eigener Ausbildung. Der erwähnte Beschreiber der Goetheschen Sammlungen be merkt schon, daß sich aus dieser Tendenz das Vorhanden sein vieler Sachen, namentlich unter den Kupferstichen erkläre, zu denen ein skrupulöser Sammler den Kopf schütteln möchte . . . Allein für Goethe war der Gedanke, die Art und Weise der Auffassung und der Darstellung derselben die Hauptsache bei dem Kunstwerke. Dieselbe zu erkennen, genügte ihm auch eine weniger gute Nach ahmung, ja selbst das Fragment eines bedeutenden Werkes. Der Sammler Goethe sammelte und sah das Ge sammelte eben als Dichter an. Die Neuerwerbungen der Wiener Hofmuseen. (Schluß.*) Den Gemälden der englischen Schule des 18. Jahr hunderts, die im vorigen Jahre erworben worden waren, reihen sich zwei neue an: ein feines, in der etwas skizzen haften Ausführung besonders intim wirkendes Porträt eines sinnenden jungen Mädchens von Josuah Rey nolds (Fig. 1) und eine überaus stimmungsvolle, fein ab getönte Landschaft von Thomas Gainsbor.ough (Fig. 2), der auch als Landschaftsmaler eine außerordent lich hohe, entwicklungsgeschichtlich sehr wichtige Stellung ein nimmt. Aus der Alt-Tiroler Schule, von der die Galerie bis vor kurzem noch keine Vorstellung zu geben vermochte, wurden, nachdem in den beiden vorhergehenden Jahren zwei Altarwerke aus dem Kreise Michael Pacher s, die Madonna von Uttcnheim und das Triptychon mit der heiligen Dreifaltigkeit, in die Galerie gelangt waren, im Jahre 1913 zwei koloristisch und kompositioneil höchst interessante Flügel eines Altars des heiligen Laurentius (Fig. 3 und 4), vor: dem einige andere die Münchener Pinakothek besitzt und der offenbar aus der Werkstatt Michael Pachers selbst stammt, aus Privatbesitz bei Bruneck erworben. Dadurch wurde die Vertretung der Tiroler Schule in der Galerie wesentlich abgerundet. Aus der Österreichischen Schule kamen außerdem acht * Siehe Nummer 14 der »Internationalen Sammler- Zeitung«. vorzügliche, durch helle Färbung, kraftvolle Malerei und eigenartige Komposition ausgezeichnete Skizzen zu Deckenbildern von dem ausgezeichneten Barockmaler A. F. Maulpertsch (Fig. 5 und 6), eine sehr feine Städteansicht von dem jüngeren Brand (Fig. 7), die diesen Meister von einer neuen Seite zeigt, eine flüch tige, aber interessante Skizze von Heinrich Füger zu seinem großen Bilde »Die Ermordung der Virginia« im Museum zu Stuttgart (siehe die Abbildung in Nr. 12 der »Internationalen Sammler-Zeitung«), und endlich als Widmung der Baronin Marie P a s e 11 i aus dem Nach lasse ihrer Mutter Marie Schwartz von Mohren stern ein vornehm wirkendes, in der weichen maleri schen Behandlung anmutiges männliches Bildnis von dem älteren Lampi (Fig. 8) in die Sammlung. Die prähistorische Sammlung des Natur historischen Museums erhielt im Jahre 1913 29 Posten prähistorischer Funde, die zum Teile für die Urgeschichte sehr wichtig sind, aber kein kunstgewerblich inter essantes Material enthalten. Auch die ethnographi sche Sammlung hat im Jahre 1913 keine Erwer bungen aufzuweisen, welche besonderes kunstgewerb liches Interesse beanspruchen würden. Die Kupferstichsammlung der Hof bibliothek verzeichnet für das Jahr 1913 einen Zu wachs von 770 Nummern mit 1271 Stücken (Einzel blättern, Bänden, beziehungsweise Mappen). Die Kollek-