Seite 236 Internationale Sammler-Zeitung Nr„ 15 bisherige Erlös 4 Millionen übersteigen. Der höchste Preis, der am letzten Vej steigerungstage bezahlt wurde, fiel auf ein illu striertes Exemplar von Ly so ns' »Environs of London«, das 11.600 (vik. brachte. Ein Manuskript des 1b. Jahrhunderts, »Statuta Civitatis Londoniarum«, erzielte 3040 Mk., 1876 hatte es 900 Mk. gekostet. Ein Exemplar von »Look about you«, 1600, erzielte 2070 Mk„ das Stück hatte 1869 285 Mk. gekostet. Für Lovelace, »Lucasta«, 1649, wurden 2900 Mk. bezahlt, das Wenk hatte Huth 1871 für 105 Mk. gekauft. Für Luthers »contra Henricum Regem Angliae«, 1522, ein Widmungsexem plar der ersten Auflage, hatte der Sammler 1856 42 Mk. bezahlt; bei der jetzigen Auktion brachte das Stück 1320 Mk. Für »The Churle and the byrde«, 1555, acht Blätter, hatte Huth 540 Mk. angelegt, jetzt brachte das Werk 4500 Mk. Ly ly s »Alexander, Campaspe and Diogenes«, 1854, wurden 4800 Mk. bezahlt; 1868 wurde das Exemplar für 52 Mk. gekauft. Betreffs der König Lear-Ausgabe, für die, wie schon gemeldet, 49.900 Mk. erzielt wurden, ist noch zu bemerken, daß es sich um das anonyme Drama handelt, dem Shakespeare in großen Umrissen seine Handlung entnahm. Das unscheinbare kleine Buch führt den Titel »Die wahre Chronik und Geschichte von König Leir und seinen drei Töchtern, Gonorill, Ragan und Cordelia, wie sie früher gespielt worden ist«; es .ist von Simon Staf f o rd für John Wrigfit 1605 gedruckt worden und wurde damals für 18 Pence verkauft. Nur noch zwei andere Exemplare außer dem der Huth-Sammlung sind bekannt; sie befinden sich beide im Britischen Museum. In der ersten Ausgabe des Shakespeare seben Stückes, von der sich übrigens auch in keiner englischen Privatsammlung mehr ein Exemplar befindet, hatte der Titel noch folgenden Zusatz: »Mit dem unglücklichen Leben Edgars, Sohns und Erben des Grafen von ülostcr, und seinem trüb sinnigen und angenommenen Humor des tollen Tom.« Ein Exemplar der Shakespeare-Quarto wurde 1905 für 18.000 Mark verkauft. Aber der damalige Kampf ist in nichts mit dem wahr haft homerischen Ringen zu vergleichen, das diesmal um die Quarto von 1605 anhob. Zwei zähe und mächtige Kämpfer waren auf dem Plan, Edmund Dring, der Nachfolger des großen Antiquars Quaritsch, und G. D. Smith aus New- york, so daß sich das Bieten gleichsam zu einem Wettbewerb zwischen England und Amerika gestaltete. Voll Stolz berichten die englischen Blätter, daß der Engländer Sieger blieb, und sie schildern alle Phasen dieses aufregenden Duells mit 100 Pfund- Scheinen. Zunächst blieb der Gegner des Amerikaners unsicht bar: Dring hatte dem Auktionator den Auftrag gegeben, für ihn bis 30.000 Mark zu bieten. Als aber das Gebot auf 30.200 Mark stieg, da bekam Smith endlich seinen Gegner zu sehen, und nun standen die beiden Rivalen Auge in Auge einander gegenüber und wandten alle Kniffe des Bietens an. Bald schleuderte der eine blitzschnell sein Gebot dem anderen ins Gesicht, dann wieder folgten lange Pausen der Ungewißheit. Als man bei 46.000 Mark angelangt war, ermunterte der Auktionator den Amerikaner, indem er sagte: »Wenn Sie sieh’s in Dollars um- rechneti, Mr. Smith, dann ist’s noch gar nicht so viel.« Aber nach dem Gebot des Engländers von 49.400 Mark zuckte der Newyorker Champion die Achsel, schrieb sich resigniert den Preis in seinen Katalog ein und gab das Rennen auf. Huth hatte 1865 für diese Quarto, die nun einen so gewaltigen Rekord auf gestellt hat, bei der Versteigerung der Sammlung H a 11 i w e 11 4200 Mark bezahlt. Bilder. (Ein neues Gemälde von Michelangelo.) Tn englischen Kunstkreisen erregt die Entdeckung; eines Bildes, das von Kennern Michelangelo zugeschrieben Wird, großes Aufsehen. Es handelt sich um eine Darstellung der Szene, in der Christus dem ungläubigen Thomas seine Wundmale zeigt; der Heiland und Thomas stehen im Vordergrund, im Hintergrund gewahrt man sechs weitere Gestalten. Die Figuren sind fast lebensgroß. Her gegenwärtige Eigentümer des Werkes, Mr. G. H. Dutt o n aus Chester, kaufte das Bild, ohne seinen hohen Wert zu kennen. Seit mehr als 30 Jahren befand sich das Werk im Besitze einer in Chester alteingesessenen. Familie, die dem ererbten Stück keine Bedeutung zumaß und es schließlich in einem Möbelschuppen unterbringen ließ. Der Besitzer wurde es müde, regelmäßig Lagergeld dafür zu entrichten, und ließ das Bild zusammen mit allerlei Trödelware versteigern. »Mir gefiel das Bild,« erzählte Dutton, »und ich hatte das Gefühl, es müsse doch einen Wert haben. So erstand ich es denn — fast umsonst. Ich zeigte es dann einer Reihe von Kunstsachver- ständigen, denen sofort die Verwandtschaft mit der Arbeitsweise Michelangelos auffiel.« Das Gemälde ist am Boden etwas an gebrannt, und man vermutet, daß es in den Tagen der Revolu tion aus einer französischen Kirche gerettet wurde. Dutton sind für das Gemälde bereits 200.000 Mark geboten worden, aber er hat diesen Vorschlag abgelehnt, da er glaubt, erheblich mehr erhalten zu können. (GiorgioneoderTizia n?) In der Ausstellung vene- tianischer Gemälde im Burlington ine Arts Club in London erregt besondere Aufmerksamkeit ein Gemälde »Die Zigeunerin«, über das unter den Kunstgelehrten ein lebhafter Streit herrscht. Bei der Versteigerung der Crespi-Galerie aus Mailand, die im Juli in Paris stattfand, fehlten einige der besten Werke; mehrere hatte die italienische Regierung in Anspruch genommen und andere waren von Kunsthändlern vorher erworben worden. Unter den letzteren befand sich »Die Zigeunerin«, die von Wildenstein erworben und dann in den Besitz von Mr. Cook übergegangen ist. Das Bild zeigt zunächst, wie weit die Anschauungen auch der besten Sachverständigen auseinander gehen können. Vor 14 Jahren wurde eine illustrierte Beschrei bung der Crespi-Sammlung von dem ausgezeichneten Ge schichtsschreiber der italienischen Kunst V c n t u r i veröffent licht, der eine Anzahl Seiten darauf verwandte, nachzuweisen, daß das Bild, das in einem Dokument von 1641 Tizian zu- geschriebcn wird, in Wirklichkeit von einem Maler zweiten Ranges, Bernardina L i c i n i o, stamme. Vcnturi ist inzwischen Kunstbeirat der italienischen Regierung geworden und hat als solcher darüber zu entscheiden, ob ein Gemälde aus Italien aus geführt werden darf oder nicht. Er hielt an der einmal ver öffentlichten Meinung fest, und so konnte das Bild, dessen Ver kauf ins Ausland niemals gestattet worden wäre, wenn er darin einen Tizian gesehen hätte, sicher die Grenze überschreiten. Seitdem ist das Gemälde einer gründlichen Reinigung durch Professor Cavenaghi unterzogen worden, und nun erklärt der bekannte Kunsthistoriker Berenson, der in England und Amerika als größte Autorität in Sachen der italienischen Kunst gilt, das Gemälde wäre nicht nur ein Originalbild von Tizian, sondern sogar eines der schönsten Werke des Meisters, das existiert! Alle Beurteiler, die es jetzt in London gesehen haben, sind einmütig der Ansicht, daß es auf alle Fälle ein prächtiges Original ist. Mr. Cook, der im Jahre 1900 in seinem Buche über Giorgione ausführlich darüber gesprochen hat, ist noch immer der Meinung, daß es von Giorgione begonnen, nach seinem frühen Tode aber von seinem großen Schüler Tizian vollendet wäre. Einige Anzeichen deuten darauf hin, daß der Marmorbalkon auf dem Bilde einige Jahre später als die Figur gemalt ist, und dies spräche für die doppelte Urheberschaft Giorgiones und Tizians. Im allgemeinen neigt man jedoch zu der Ansicht, daß es sich um einen frühen Tizian handelt, und zwar um ein schönes Werk seiner Hand, wenn auch nicht alle ihm denselben hohen Rang zuweisen wollen wie Berenson, Cook erblickt darin ein Porträt der Caterina Cornaro, der Ex königin von Cypern, aber auch diese Frage haben die Kunst historiker noch endgiltig zu lösen. (Die Fresken im Kloster Strahov.) Die Prager »Union« schreibt: Vor einiger Zeit wurde es bekannt, daß im Kloster Strahov Freskengemälde aufgedeckt wurden, welche