Nr. 16 und 17 Internationale Sammler- Zeitung Seite 243 italienische, sehr bekannte Senator, Maler und Kunst schriftsteller Pomyso Molmenti uns in seiner „Storia di Venezia della vita privata“ (Geschichte Venedigs, seines häuslichen Lebens) ein farbenreiches, prächtiges Bild von diesem ergötzlichen, heiteren und anregen dem gesellschaftlichen Leben wie schon früher im 16. Jahrhundert als Teilnehmer daran der berühmte Staatsmann und Krieger Graf Balthasar Castiglione in seinem vielgelesenen „II Cortigiono (Der Höfling)“ geboten. Diese Schrift sowie die Klassiker, darunter be sonders Plutarchs und Petrarcas Werke fesselten Irene, dabei aber beschäftigte sie auch lebhaft die Malerei, was wohl auch dem Umgang mit Tizian, der sie, wie der erwähnte Molmenti erzählt, mit ihrer Mutter auch besuchte, zu verdanken war. Vermehrt wurde diese Neigung zur Malerkunst noch durch den Ruf der Cremo- neser Malerin Sofonisbe Anguissola*), der sie in erhöhtem Maße dem von ihr verfertigten Bildnisse des Königs Philipp II. von Spanien zugeschrieben wurde. Ihr hochstrebender Geist mag sich auch mit der Hoffnung geschmeichelt haben, einst auch eine ihr ebenbürtige Künstlerin werden zu wollen. Obwohl der große venezianische Meister Tizian Vecellio keine Maler schüler hatte und nur das Haupt ihrer großen, farben- leuchtenden Schule war, strebten viele Künstler darnach, in seine Fußstapfen zu treten. Durch die näheren Be ziehungen der Häuser da Ponte und Spilimbergo und ihrer persönlichen Bekanntschaft mit Tizian gelang es ihr, dessen Schülerin zu werden und Irene wurde bald ob ihrer großen Fortschritte in dieser herrlichen Kunst gerühmt. Umfangreichere Belege für hervorragende Leistungen und sichtbare Erfolge in dieser herrlichen Kunst fehlen uns, denn nachweisbar sind unter den Nachkommen ihre Familie, denGrafenAttimisManiago in Maniago in Friaul nur 3 kleine originale Bilder von ihr. Es sind dies „Die Flucht nachÄgypten“, „Noahs Einzug in die Bundesarche“ und ein figurenreiches Bild der Sintflut. Nach des trefflichen Verfassers der Geschichte der schönen Künste Friauls (Storia delle belli arti- friulane) Grafen Fabio di Maniago, hat der berühmte Kunstschriftsteller Nagler in seinem zweiundzwanzig- bänaigem Künstlerlexikon, in welchem er Irene Worte voll warmer Anerkennung ihrer Kunst widmete, diese Bilder als gut gezeichnet und kräftig koloriert geschildert, würdig eines vorgeschrittenen Künstlers, nicht einer Dame, die nur wenige Monate die Malerei geübt hatte. Andere Bilder, die als von Irene gemalt genannt wurden, sind nicht mehr auffindbar, solche wie eines in der Pfarr kirche in Isola in Istrien, die Marter des heiligen Sebastian darstellend, können nicht als von ihrer Hand stammend angesehen werden. Es wäre aber verfehlt, weil uns weitere sichtbareZeichen ihrerMalerkunst fehlen, daraus den Schluß zu ziehen, daß Irenes malerische Tätigkeit sich nur auf diese wenigen, vielleicht sogar aus ihren Erstlingsarbeiten, beschränkt habe. Sie war nur Liebhaberin dieser edlen Kunst, ihr Ziel war nicht, Er werb aus derselben zu ziehen, sondern innige Freude daran; man darf also mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß ihre künstlerischen Erzeugnisse ent weder zu Geschenken an Verwandte, Freundinnen oder Künstler verwendet wurden, später veiloren gingen oder ohne Monogramm oder volle Namensbenennung in ihrem weiteren Schicksale nicht mehr als deren Schöpfung *) Geboren in Cremona 1530, gestorben im Alter von 99 Jahren in Genua, seit dem 67. Lebensjahre erblindet. Tiziano Vecellio, geboren 1477, ebenfalls gestorben mit 99 Jahren an der Pest, dem unter allen daran Gestorbenen allein die Ehre eines öffentlichen Begräbnisses und ein eigenes Grab zuteil wurde. erkennbar sind oder, wie dies der Fall selbst bei Künstlern hervorragenden Ranges ist, über deren Werke Kunst kritiker von anerkannter Bedeutung der verschieden sten Meinungen sind. Wir müssen daher vielmehr jenen Künstlern vollen Glauben beimessen, die wie der berühmte Maler Giorgio Vasari (1512—1574) als kritischer Zeitgenosse der vollen Bedeutung Irenes als Malerin gerecht geworden ist und sie tvürdig erachtete, in sein viel verwertetes, grundlegendes Werk der Lebensbeschreibung der Künst ler aufzunehmen. Nach ihm taten dies viele Kunst schriftsteller, darunter Lanzi, der von Nagler für seinen Artikel „Irene v. Spilimbergo“ benützt wurde. Am liebe vollsten beschäftigte sich der erwähnte Graf Fabio di Maniago mit ihr, denn er widmete ihr für sein Werk eingehende Forschungen, die wohl auch von Irenes neuesten Lebensbeschreiber Ruggiero Zotti*) ausführ lich benützt worden sind. Herr Zotti hat die Kunstwelt mit einer umfangreichen neuen Lebensbeschreibung Irene Spilimbergos bereichert, dieselbe mit vielen Urkunden und Dokumenten aus öffentlichen und Fami lienarchiven und-Schriften ergänzt und es gelang ihm, die bisherigen Geburts- und Sterbeangaben ihres Alters von 21 bis 22 Jahren auf nur 19 Lebensjahre endgültig festzustellen. Daß sie in dieser Jugend eine von ihren Zeitgenossen allgemein anerkannte hervorra gende Erscheinung auf künstlerischem und literarischem Gebiete werden konnte, spricht für ihre ausgezeichneten Gaben und Eigenschaften, wenngleich der -Nachwelt die hervorstechenden Gründe und sprechenden Beweise eines so günstigen Urteils im Verlaufe von dreieinhalb Jahrhunderten allmählich abhanden kamen. Zweifellos hat sie sich auch als Dichterin, wie in Improvisationen, wie sie damals besonders im Venetianischen allgemein üblich waren, bei gesellschaftlichen Anlässen und Zusammenkünften im Geiste der damaligen Zeit ver sucht. Es wäre sonst wohl nicht zu erklären, daß nach ihrem Tode an 200 Dichter in lateinischer und italieni scher Sprache, worunter Vater und Sohn Bernardo und Torquato Tasso, Benedetto Varchi, Lodovico Dolce, Scipione Ammirato, Erasmo Valvasone, ihr wenn auch vielfach übertriebene Nachrufe gewidmet hatten, die ihr begeisterter Biograph Dionisio Atanagi schon zwei Jahre nachhher dem Drucke übergeben hat. Nach den erfreulichen letzten Jahren ihrer durch die erbitterten Erbstreitigkeiten ihres Hauses lange getrübten Jugend ereilte sie am 15. September 1559 ein allzufrüher Tod. Ihr um 60 Jahre älterer Lehrer und Freund des Hauses, Tizian, hat ihr Antlitz durch ein Kniestück in Öl gleich wie das ihrer Schwester Emilia und angeb lich auch das ihrer Eltern der Nachwelt und für die Öffentlichkeit durch den in Maniagos Schrift ent haltenen Kupferstich Aliprandis überliefert. Es war mir vor einigen Jahren in Gesellschaft meines Neffen Grafen Caiselli, aus kunstfördernder Familie, gegönnt, kurz nach der goldenen Hochzeit des Besitzers der beiden ersten Bilder, des Grafen Pietro Antonio d’Altimis-Ma niago, diese vielgerühmten Porträts zu besichtigen, von denen jenes Irenes seither um sehr hohen Preis in fremdes Eigentum übergegangen sein soll, wie Zeitungen behaupteten. In diesem Bilde ist Irene, an eine Säule gelehnt, in landschaftlicher Umgebung, in der Tracht ihrer Zeit, allem Anscheine nach naturgetreu wiedergegeben, denn es ist daraus *) Irene di Spilimbergo. Udine. Tipografia Domenico del Bianco 1914, mit zwei Bildnissen der Irene und einem Bilde j ihrer Schwester Emilia geschmückt.