Seite 244 Internationale Sammler- Zeitung Nr. 16 und 17 nicht jene bezaubernde Schönheit zu entnehmen, die so viele Dichter besungen haben. Mittlerer Gestalt, in vornehmer Haltung, schmückt sie das goldblonde Haar, wie es Palma Vecchio in den Bildern venetiani- sehcr Edelfrauen darstellte. Schwarze Augen und schön geformte Augenbrauen, eine hohe Stirn verleihen Irene einen fesselnden Ausdruck. In der linken Hand hält sie einen Lorbeerkranz, den Tizian wohl nicht ohne berechtigten Anspruch aufgenommen hätte, während die rechte Hand ein vom Oberkleide fallendes Band umschlingt. Die an der linken unteren Seite des Bildes angebrachten Worte „Si fata tulissent“ deuten vorwurfs voll für ihren Stiefvater auf die ihr von ihm gewordene unverdiente schlechte Behandlung und Verkürzung ihrer Erbrechte. Den Gesamteindruck des Bildes möchte ich dahin zusammenfassen, daß der große Meister in Irene eine mehr durch ihre vornehme Erscheinung und ihren inneren Gehalt als durch ihren Schmuck und ihre Kleider ansprechende Edeldame von Geist und Gemüt darstellte, in der aber auch deren ernstes, denkendes Wesen die Kämpfe ihrer frühen Jahre und ihr nach hohen Zielen weisendes Streben andeuten wollte. In diesem Bilde aus Meisterhand*) lebt Irene v. Spilimbergo nach der Überlieferung ausgezeichneter Zeitgenossen in der dankbaren Erinnerung ihres Heimat landes und in der Kunstwelt als eines der denkwürdigen Edelfräulein und gottbegnadeten Künstlerin, trotz der wenigen auf die Gegenwart überkommenen Erzeugnisse ihrer Künste weiter. Die Erinnerung an ihre Beziehungen zu ihrem mehrgenannten Lehrer Tizian sind in einem Ölgemälde von Moretti La rese in der Galerie Re- voltellain Triest festgehalten, während auch neuere Dichter und Schriftsteller in Erzählungen ihr Wirken preisen und Künstlerlexika ihrer ehrenvolle Er wähnung tun. Der Krieg in der alten Malerei. Kampf als elementarer Ausbruch menschlicher Leidenschaft ist einer der ältesten Vorwürfe künstleri scher Arbeit. In den Anfängen der europäischen Kunst, in Kreta, erscheint der Krieger, der in den Kampf zieht, ebenso früh wie in Mesopotamien der kämpfende König auf den Reliefs, und im Nillande hat schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend die Reliefkunst ganze Kampfesszenen in der strengen Art des alt ägyptischen Stils gestaltet. Das Gleichmaß der Bewegung ausziehender Krieger ist damals besonders gern dar gestellt worden. Kampf und Krieg, seit alters der Gegenstand der griechischen Dichtung, hat zwar in deren Vorzeit die Künstlerphantasie beschäftigt, doch aus der Blüte der griechischen Kunst sind nicht eben viele große Schlachtdarstellungen erhalten.AmParthenon meißelten die Werkleute des Phidias die Kämpfe heroischer Jünglinge mit Zentauren; am Mausoleum in Hali karnaß bildeten die Klassiker des 4. Jahrhunderts Kämpfe mit Amazonen. Ein großes Schlachtenbild gibt es dennoch erst in der spätgriechischen Kunst: das Mosaik der „Alexanderschlacht", jetzt im Museum von Neapel. Alexander, der in der Schlacht am Granikos gegen den Perserkönig vorstürmt, ist da mit all dem Zauber umkleidet, mit dem die hellenisti sche Kunst ihre Heroen umgab. Mehr als in den feingeistigen Künstlerwerkstätten Athens war in Rom der Kampf Gegenstand der Kunst. Dort sehen wir die ersten Darstellungen von Kämpfen der Germanen, an der Marc Aurel-Säule — Kaiser Wilhelm ließ sie vor einiger Zeit abformen. Italien hat dann die ersten großen Schlachtenmaler gesehen. Kaum daß die Renaissance die Bewegung im Raume wieder darzustellen gelernt hatte, unternahm es ein Florentiner, Reiterkämpfe zu malen: Paolo LTccello. Seine drei Bilder, um das Jahr 1450 entstan den, von hinreißender Schönheit der Farbe und impo santer Energie der Bewegung, mögen den Hauptmeistern der italienischen Malerei vorgeschwebt haben, als jeder von ihnen sein Schlachtenbild unternahm: Leonardo und Michelangelo in Konkurrenz für das Rathaus von Florenz, der eine den Kampf um die Fahne, der andere die im Bade überraschten Soldaten, Raffael die Konstantinschlacht, Tizian die Schlacht von Cadore. Leonardos Komposition, ein Gemengsel wild in einander verbissener Pferde mit der hoch in der Mitte emporgeworfenen Standarte, ist heute nur noch in einem Stich erhalten. Ähnlich erging es dem Karton Michelangelos, den ihm ein neidischer Kollege zer schnitt. Raffaels Schlachtenbild mit dem sieghaft daherreitenden Konstantin unter dem Kreuz schmückt noch heute den Vatikan. Auch Tizians Venezianer schlacht, die eine Brücke umtobte, ist untergegangen. Sie war wohl das Vorbild der Amazonenschlacht des Rubens. Rubens aber darf als der gewaltigste Schildere]' der entfesselten Leidenschaften des Krieges gelten. Im Palazzo Pitti in Florenz hängt seine Allegorie des, Krieges, die wahrste Ausgeburt der Zeit des dreißig jährigen Ringens: in der Mitte Mars mit Venus, die den Forststürmenden zurückhalten will, gegen ihn eine Furie mit Pest und Hungersnot, hingestreckt ein Weib mit zerbrochener Laute, eine angstvoll flüchtende Mutter mit dem Kinde, und hinter dem Mars stürzt aus dem offenen Janustempel eine Frau in schwarzem Gewände mit zerrissenem Schleier, das unglückliche Europa, das damals schon so viele Jahre lang — so schreibt Rubens — Raub, Schmach und Elend erlitt. Rubens hat Heinrich IV. von Frankreich in der Schlacht von Jorv gemalt, ein Bild voll Kampf dunst und höchster Wildheit. Und er malte Karl V., wie er als *) Über dieses berühmte Bild bringt Herr Zotti dankens werte Mitteilungen über dessen durch den Udineser Maler Santi unter Beratung seines Landsmannes und Kunstgenossen Politi um 1827 durchgefülirte gelungene Restaurierung. In der Beurteilung und Beschreibung desselben ist seine Meinung aber wesentlich verschieden von jener Fabio di Maniagos, dessen treffliches Buch über die Friauler Geschichte der schönen Künste einer dritten Auflage auf Grund neuerer Forschungen bei vollster Verwertung von Vincenzo Joppis „Contributo alla storia deile belli arti friulane“ von hiezu berufenster Seite l würdig ist,