Seite 24 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 2 durch fast klassische Reinheit der Linien und wunder bare Feinheit der Farben wirkt es ganz anders, als die sonst bekannten Millets. Pissarro zeigt sich in Nr. 2 »Wald« sichtlich von Courbet beeinflußt (von dem übri gens eine schöne »Juralandschaft« zu sehen ist), während sein »Rauhreif« mit hellen Farben und herber Luft ver blüffend pastös ist. Die Degasschen Studien fallen sehr ab. Auch die Galerie Ar not bringt moderne Fran zosen, vielfach dieselben Meister wie Miethke; durch die Unterstreichung des Programmatischen aber, die sie in letzter Zeit allgemein zeigte, erzielt sie kein gutes Niveau. Außer mehreren Courbets und Monets, einer »Femme couchee« von Renoir und einem sehr flotten Interieur von Vuillard sind nur noch Sisley mit einer »Allee«, Thaulow mit einer Landschaft und Richet mit einem »Herbstlichen Wald« . zu . erwähnen, während Degas und besonders van Gogh und Gaugoin letzterer auch mit zwei unmöglichen Holzskulpturen — höchstens vom kunstgeschichtlichen Standpunkt aus interessieren können. Die Vereinigung bildender Künstlerin nen Oesterreichs hat bisher noch bei jeder ihrer Ausstellungen mindestens einen güten Durchschnitt auf gewiesen, was in unserer Zeit der künstlerischen Ver irrungen nicht wenig bedeutet. Die besten Stücke sind diesmal die Radierungen von Marie Ressel, die feinen Zeichnungen von Milde Pollak-Kotanyi, eine Radierung »Rouen« von T. Kasimir-Hoernes, deren sich der Meisterradierer Luigi Kasimir nicht zu schämen braucht, und die Oelporträts der schon vorteilhaft be kannten Johanna Freund im Miniaturen- und größeren Format. Marianne Hitschmahn-Steinberger zeigt in einer Radierung viel Feinheit und Grazie, in der I ernpera »Welle«, die einen famos gezeichneten kleinen Akt ent hält, geschmackvolle Erfindung. Auch die Damen Weber, Leuze-Hirschfcld, Kupelwieser, v. Lerch, Murad- Michalkowski und Baronin Krauß verdienen lobende Er wähnung. Eine Plastik »Vorfrühling« von Hilda Fitikcs ist durch feine Auffassung bemerkbar. Das Wiener Kunstgewerbe ist durch die Keramiken und kunstgewerb lichen Arbeiten von R. Fuchs, Helene Jo'hnovä und J. Meier-Michel vorteilhaft vertreten, welch letztere auch in einer Bronze »Waldmädchen« ein Kabinettstück der Kleinplastik geschaffen hat. Wenn man nach dem Anfang schon voreilig eine künstlerische Halbmonatsbilanz für Wien ziehen will, so braucht man dem Kunstjahr kein ungünstiges Horoskop zu stellen. Wir wollen sehen, was für Vorstöße die Hyper moderne heuer macht, in deren Dienst sich Miethke, Arnot und Heller gestellt haben. Letzterer hat eine Ausstellung Alfred Kubin angekündigt. Auch der Hagenbund, der, seitdem er durch den Wiener Ge meinderat heimatlos geworden ist, im Künstlerhausc Gastfreundschaft genießt, steht in der vordersten Phalanx und wird wohl in der Frühjahrsausstellung am Karlsplatz wieder zum Wort gelangen. Wir stehen noch mitten in den Gärungen; hoffentlich wird auch die Klärung nicht ausbleiben. Die „Anbetung der Könige“ von Hugo van der Goes. In aller Stille ist am zweiten Weihnachtstage in Berlin jenes Meisterwerk des Hugo van der Go e s eingetroffen, das der Spürsinn und die Beharrlichkeit der deutschen Kunstforschung aus seiner Haft im spanischen Kloster M o n f o r t e befreit hat. Nun ist »Die Anbetung der Könige« im Ecksaale des Kaiser Friedrich-Museums ausgestellt, wo sie die gerechte Bewunderung aller Kunstkenner findet. Eine seltsame Künstlergestalt ist der Schöpfer dieses Meisterwerkes. Hugo van der Goes. Sein genaues Geburtsjahr ist uns nicht bekannt; er war wahrscheinlich ein Genter Kind und entstammte einer Familie, in der die edle Kunst der Malerei erblich zu Hause war. Vieles an seinen Lebensumständen ist uns dunkel, auch seinen Lehrmeister kennen wir nicht, aber im Jahre 1468 war der junge Maler bereits angesehen, und als damals in Brügge die feierliche Einholung der jungen Braut Karls des Kühnen Gelegenheit zu einem glänzenden Feste gab, da wirkte er an der malerischen Dekoration der Straßen und Gebäude mit. Auch für die bald nachfolgende Vermählungsfeier des Herzogs mit der Prinzeß Margaretha von York fand Meister Hugo bei der Anfertigung ähnlicher »entremets« Beschäftigung, und er stand bereits auf dem Höhepunkte seiner Kunst, als er um das Jahr 1470 für den Florentiner Tonunaso Portinari, den Chef der Briigger Filiale des Bankhauses Medici, jenes weltberühmte Altarwerk schuf, das für das Hospital der Kirche S. Maria Novella in Florenz bestimmt war, heute aber eine der großen Zierden der dortigen Uffiziengalerie bildet. Bis dahin sind die Nachrichten über den Meister »Hugo von Antwerpen«, wie ihn Vasari nennt, spärlich genug und ohne be sonderen Charakter. Jetzt aber beginnt, was wir den Künstler roman des van der Goes nennen können. Vielleicht spann dieser Roman sich im Hause des Jacob W e y t e n s an der Muyder- brixeke zu Gent an. Dort malte der Künstler über einem Kamine ein Wandbild in Oeifarben. das die Begegnung der klugen Abi- gail mit König David darstellte. Vielleicht hat im König David Hugo sich selbst abkonterfeit, und eine der Frauengestalten des Bildes stellte das Töchterlein des Hausherrn dar; denn Hugo freite damals um sie. wie uns überliefert wird, war es Cupido, der ihm bei diesem leider verlorenen, als Meisterwerk berühmten Bilde den Pinsel führte. Was weiter geschah — wir wissen es nicht; wir können es nur raten. Vielleicht war der Ausgang der Liebe des Meisters zu Jouifrouw Wcytens unglück lich, vielleicht war dies der Grund, daß Hugo der Welt entsagte. Er zog sich in das Kloster der Augustiner Chorherren Rooden- daale bei Auderghem im Walde von Soignies zurück. Freilich, sein Ruf war bereits schon so groß, daß ihn die Vornehmen der Welt auch in seiner Zurückgezogenheit besuchten. Der Bruder Hugo bekam öfters hohen Besuch, und selbst Erzherzog Maxi milian und seine Gemahlin Maria von Burgund sprachen im Kloster vor, um ihn zur Lieferung eines Werkes von seiner kunstfertigen Hand zu bewegen. Der Prior Thomas van Vossem wußte gar wohl, daß dieser Frater nicht von der gemeinen Art war, gönnte ihm manche Freiheit und erlaubte ihm insbesondere, wenn er feinen Besuch bekam, mit den Gästen im Laienrefektorium zu speisen. Das bekam aber dem Bruder Hugo gar nicht gut, denn er war ein großer Freund des Weines und trank bei solchen Gelegen heiten mehr, als ihm bekömmlich war. So vergingen einige Jahre, als, wohl im Anfänge der Achtzigerjahre, die furchtbare Kata strophe eintrat. Er war auf einer Rückreise von Köln her be griffen, als ihn plötzlich eine tiefe Melancholie in ihren schwarzen Mantel schlug. Er verzweifelte an seinem Seelenheile, hielt sich für einen ewig Verlorenen, und sein armer Geist ängstigte sich