Internationale $ammler-Zaf unj Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 6. Jahrgang. Wien, 1. Februar 1914. Nr. 3. Johann Baptist v. Lampi sen. Von Alexander Hajdeckl (Wien). Der Fall Lampi ist ein typisches Beispiel dafür, wie schnell auch ein Malerfürst und Fürstenmaler, ein verhätscheltes Glückskind, ein Liebling gekrönter Häupter, dessen Kunst und dessen Reichtum sich auf zwei hoffnungsvolle Sprossen vererbte, in den Orkus der Vergessenheit sinken kann. Johann Baptist R. v. Lampi sen., der eine halbe Million zurückgelassen hat, der nur darauf bedacht war, den Glanz seines Namens und seines Vermögens durch fideikommissarische Vererbung in der männlichen Linie seines Stammes für die spätesten Zeiten zu erhalten, der glaubte, daß sein geliebter Sohn Johann Baptist seine »Kunst« und seine »Manier« fortsetzen werde, ist rasch vergessen worden. Und sieben Jahre nach seinem Tode stirbt der Haupterbe seines Talents und Vermögens und hinterläßt den eigenen Kindern weder Kunst- noch sonstige Schätze, sondern nur ein dürftiges Mobiliar im Werte von sage zweiundfünfzig Gulden, und sein Enkel — auch ein Johann Baptist und auch ein Maler im Geiste des Großvaters — scheidet irgendwo, kaum 15 Jahre nach dessen Tode, aus dem Leben, ohne einen Kreuzer Geld und ohne eine Familie zurückgelassen zu haben. Wie das Erbe und der Namen, so sank auch die durch den Alten begründete Kunst-Schule und -Weise in einem sehr schnellen Tempo von Stufe zu Stufe, bis sie ganz erlosch. Als ein anschauliches Beispiel dieser stufenweisen Dekadenz der Lampi-»Kunst und -Manier«, wie er sie selbst nannte, als ein Schulbeispiel par excellence, können uns drei Bildnisse von Johann Baptist Ritter v. Lampi Vater, Sohn und Enkel, alle drei in Baden bei Wien, dienen, von welchen eine einzige, die unschuldigste Farbe, folgenden retrograden Weg nimmt: Lampi Vater (I), ein aristokratisches, blau durchscheinendes Porzellan weiß der Halskrause im Bildnis des Dr. Rollett. Lampi Sohn (II), ein undurchsichtiges, bürger liches Elfenbeinweiß der Halsbinde im Porträt Kicker. Lampi Enkel (III), ein fabriksmäßiges, lebloses Kremserweiß des Hemdkragens im Bildnis Boldrini. Von der Künstlerfamilie Lampi läßt sich auch mit Grund behaupten, daß sie der Vergessenheit anheim gefallen ist, bevor sie in der Kunstliteratur erschöpfend behandelt wurde und in der Kunstgeschichte ihren be stimmten Platz erhalten hat. Beweis dessen ist, daß bis heute einerseits die wichtigsten und markantesten Lebensumstände derselben in der Literatur unbekannt geblieben sind, andererseits erst ein französischer Kunst schriftsteller * kommen und ihm ein polnischer ** Vor arbeiten mußte, um ihre Künstierlauibahn auf breiterer Basis zu würdigen. In Wien selbst, dem Hauptschauplatze des Lebens und der künstlerischen Betätigung der Lampi, wo der Be gründer des Hauses fünfzig Jahre lang und die letzten dreißig Jahre seines Lebens ununterbrochen verbrachte, in dessen stattlichem Familienhause — dem sogenannten Bärenhause in der Leopoldstadt — während des Kon gresses Potentaten ein- und ausgingen, welches Haus noch 1854 im Besitze von dessen Enkelkindern war, ist die Lampi-Tradition so gänzlich verschwunden, daß ich schon vor zehn Jahren mit der größten Mühe aus den Grundbüchern den Häuserbesitz der Lampi sicherstellen konnte. Kein Mensch konnte mir sagen, ob und wo hier ein stattliches Lampi-Haus gestanden ist. Ebensowenig kennt jemand die Verzweigungen dieser Familie, deren sechs männliche Sprossen den Pinsel und die Palette meisterten und von denen drei die Vornamen Johann Baptist führten. Ich halte es darum für nicht uninteressant, den Stammbaum der Lampi kennen zu lernen, den ich hier, nach authentischen Dokumenten zusammengestellt, zum erstenmal der Oeffentlichkeit übergebe. In dem Stammbaum wird man auch die verheirateten weiblichen Mitglieder der Familie Lampi unter ihren neuen Familiennamen finden, was mir deshalb von großem Werte erscheint, weil vielleicht eine oder die andere kostbare Reliquie Lampi Vaters (I), dessen künstlerischem Nachlaß diese Skizze gewidmet ist, noch im Besitze einer dieser Familien ist. * Fournier-Sarloveze: Artistes oubliees. Paris 1902. Seite 117 ff. ** Prof. Georg Grai Mycielski. Hundert Jahre poln. Kunstgeschichte. Krakau 1898. (Sto lat dziejöw.) Seite 41—47.