Seite 56 Internationale S a rri m 1 e r - Z e i. t u n g. Nr. 4 ihr wissenschaftlicher Gehalt voll ausgeschöpft werde. Mit Dank und Bewunderung haben die Museumsbehörden die hochherzige Stiftung angenommen und sie werden dafür sorgen, daß der längst geplante Erweiterungsbau nun Tatsache wird, denn es handelt sich darum, nicht nur für diesen neuen gewaltigen Zuwachs Platz zu schaffen, sondern ebensosehr für die teilweise arg verstauten bisherigen Bestände der historischen und ethnographischen Ab teilung. Vorläufig wird die Mosersche Sammlung noch in Chär- lottenfels bleiben, und Herr Moser kennt keinen größeren Wunsch, als daß es ihm noch vergönnt sein möchte, sie selbst nach Bern zu bringen und sie in Verbindung mit seinen Freunden in der Museumsbehörde hier aufzustellen. Was Bern in der Sammlung Moser erhält, soll hier in großen Zügen auseinandergesetzt werden. Schon vor den letzten Kriegen Fig. 11. J. C. Schoeller, »Bureau dramatique de Mr. Scribe«. hat die Ausstellung für mohammedanische Kunst, welche im Jahre 1910 in München stattfand, die Aufmerksamkeit der dCunst- kenner und eines weiteren gebildeten Publikums wieder einmal auf den Orient gerichtet, als einer Quelle alten Kunsthandwerkes, das in Waffen und Bronzen, in Textilien und Edelsteinarbeiten, in Keramik und Miniaturenmalerei zu Höchstleistungen gestiegen ist, welche auch uns Europäer durch die Vereinigung einer wunderbaren Technik mit einem feinen Geschmack zu entzücken vermögen. Es hat sich bei diesem Anlaß aber auch gezeigt, in wie wenigen Händen sich die wirklich guten Zeugen der isla mitischen Kultur befinden, und dies nicht zum mindesten infolge ihrer Kostbarkeit. Es sind vor allem Fürstenhäuser wie das russische, das habsburgische und auch das preußische, sowie der Schatz des Sultans, die durch ihre Kriege wie durch dynastische Beziehungen in die Lage kamen, sich Kriegstrophäen zu er werben, wertvolle Geschenke, zu erhalten oder Sammlungen vorderasiatischer Kunst anzulegen. In den meisten Fällen sind diese Schätze in Museen aufgestellt und somit der Oeffentlichkeit ei schlossen; der eigentliche Museumsbesitz verschwindet gegen- iibci diesen fürstlichen Depositen oder den Sammlungen einzelner weniger Privater. Diese Umstände bringen es mit sieh, daß nur an wenigen Orten gute orientalische Sammlungen zu sehen sind. Mit der Kunst und dem Kunsthandwerk Ostasiens steht es in dieser Beziehung weit besser. Die hervorragendsten unter den orientalischen Sammlungen sind ohne Zweifel diejenigen in St. Petersburg und London, deren erlesenste Stücke neben denjenigen der oben erwähnten Fürsten häuser und der Schatzkammer des Sultans man 1910 in München bewundern konnte. Die Lage des Zarenreiches zumal und seine alten Beziehungen zum benachbarten Vorder- und Zentralasien, die Gesandtschaften und Kriege haben hier eine Sammlung ent stehen lassen, die an Kostbarkeit und Schönheit einzelner Stücke ihresgleichen sucht. Die größte Sammlung in Privatbesitz ist diejenige des Herrn Henri Moser auf Charlottenfels. Sie steht aber auch qualitativ, besonders in den W affe n, über der großen Mehrzahl fürst licher Schatzkammern und überragt an Bedeutung die Samm lungen des Hauses Habsburg in Wien, welche wohl zahlreiche türkische. Trophäen, aber weniger Persisches enthalten, sowie auch die alte, in Berlin aufgestellte Sammlung des Prinzen Karl. Beurteilen wir aber die erwähnten Sammlungen weniger nach einzelnen Prunkstücken, sondern mehr nach ihrem wissen schaftlichen Gehalt und ihrer Bedeutung für die Waffenkunde, so steht die Sammlung Moser überhaupt an erster Stelle. Denn sie ist wohl die einzige, welche im Laufe eines halben Jahrhunderts mit Methode und nach wissenschaftlichen Prinzipien zusammen gestellt wurde und erhält durch die Untersuchungen Mosers über die Entstehung und Geschichte der Damaszierung einen beson deren Wert. Auch zeigt sie weit mehr und gleichmäßiger als jene fürstlichen Sammlungen den Formenkreis und die zeitliche Entwicklung der iranischen, arabischen, mittelasiatischen Waffen an der Hand nur guter Qualitätsstücke. Es ist geradezu ein Wunder zu nennen und zeugt gleicherweise von dem Scharfblick und der Energie ihres Schöpfers, daß es ihm möglich war, in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts eine solche Sammlung zusammen- zubringeti, die in weite Zeiträume hineindringt und aus allen Erst klassiges bringt. Als Henri Moser im Jahre 1868 von Moskau aus zum ersten mal den Boden Zentralasiens betrat, indem er sich an die russi sche Expedition anschloß, welche den Turkcstan erobern wollte, begann er gleich, zunächst nur als Amateur, Waffen zu sammeln, wobei ihn ein scharfer Blick, gepaart mit feinem Geschmack, schon von Anfang an nur das Beste behalten ließ. Mehrere folgende Expeditionen brachten ihn auch nach Buchara und nach Persien, das erstere Land damals noch eine terra incognita, welche vorher nur Vambery. als Derwisch als erster wissenschaft licher Reisender verkleidet, durchzogen hatte. In Persien traf er eben zur richtigen Zeit ein. Der Schah war irn Begriff, sein Heer nach europäischem Muster zu modernisieren und bei der damit beginnenden Mißachtung der einheimischen Tradition fanden die alten, »außer Ordonnanz« gekommenen Waffen bei Moser verständnisvolle Aufnahme. So gelangte er damals ohne große Miihe zu manchen Stücken, deren wahrer Wert sich erst hinter drein herausstellte. Noch viermal besuchte Moser Persien und 'I urkestan und kehrte jedesmal mit reicher Beute heim. Seine Erlebnisse auf diesen Fahrten hat er in einem vielgelesenen Buche »Durch Zentralasien« beschrieben, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde und eines der besten Werke der vorderasiatischen Reiseliteratur darstellt. Inzwischen suchte er in Europa bei den großen Steigerungen in London und Paris seine Sammlungen zu vermehren; manch schönes Stück erhielt er von befreundeten Fitesten und Waffenkameradeil. Die indischen Waffen erwarb er durch Ankauf einiger englischer Sammlungen, worunter die berühmte von Hudson Lowe. Ein längerer Auf enthalt auf der Balkanhalbinsel gab die Gelegenheit, auch für diese Provinz islamitischen Kunstgewerbes Ergänzungen vorzu nehmen. So ist in 45jähriger Arbeit eine Waffensammlung ersten Ranges entstanden, die 1300 Stücke umfaßt und in der fast ganz Asien vertreten ist, wenn auch das Schwergewicht bei Vorder-