Seite 84 Internationale Sammler-Zeitung, Nr. 6 die Karte bei dem Buchhändler Pf aff in Lemberg ge kauft wurde, der sie wieder von Löschenkohl bezogen hat. Für die Lemberger Polizeidirektion war es klar, daß die Karte »wegen ihrer Sonderbarkeit eine gewinnsüchtige Spekulazion zum Zwecke zu haben scheint«. Die lang wierige Untersuchung hat dann schließlich ergeben, daß Löschenkohl an dem ägyptischen Feldzug Bonapartes absolut keinen wie immer gearteten Anteil hat. Was das Bild Löschenkohls im Lichte seiner Zeit genossen anbelangt, so ist es klar, daß es ihm bei seinem meteorhaften Auftreten und bei der Fa-Presto-Tätigkeit eines wahrhaft rührigen Künstlers und Geschäftsmannes nicht an Feinden und Neidern fehlte. Von dem Pamphlet Aichensteins war schon die Rede. Früher schon hält ihm R i g 1 e r in der »Wiener Monatsschrift von bildenden Künstlern« vor, daß er sich »so oft und meistens mit solcher Ruhmredigkeit in die Zeitung setzen läßt« und gibt ihm zu bedenken, daß »wie seine Bilder nur Schatten der Kunst sind, er gegen Künstler selbst nur ein Schatten sey«. Ein anderer — F r i e d c 1 — in seinen 50 Briefen aus Wien macht ihm zum Vorwurf, daß die Schnelligkeit, »mit der er die Darstellungen geschichtlicher Ereignisse auf den Markt wirft, die Treue der Zeichnung beein trächtigen.« »Die Sttikke,« sagt er, »worin er wirklich als geschickter Künstler erscheint, durch die er uns unseren Beyfall, unser öffentliches Lob abgelokket hat, sind im Auslande nicht so allgemein bekannt«. Für die Reisenden, die auf ihren Wanderungen auch Wien berührten, war Löschenkohl und sein Atelier ein unerschöpflicher Stoff für wohlwollende und abfällige Bemerkungen. Aus der großen Anzahl dieser Reisebeschreibungen erwähne ich nur Nicolais Reisen, die Reisen durch das südliche Deutschland, Trockendorfers Verlorene Briefe über die Aufklärung in Wien, neben der großen Reihe der Wiener Schriftsteller, die der Tätigkeit Löschenkohls teils anerkennende, teils verurteilende Worte widmen. Unbekümmert um alle diese Anfeindungen arbeitet Löschenkohl rüstig weiter. Allerdings nimmt die Renta bilität eines Gebietes, das der aktuellen geschichtlichen Kupferstiche mit dem Eintreten friedlicher Zeiten rapid ab, und es klingt fast wie ein Epilog auf die beinahe dreißigjährige Tätigkeit Löschenkohls auf diesem Ge biete. wenn er in der »Wiener Zeitung« vom Jahre 1799 »eine vollkommene Zeitgeschichte in schön illuminierten Kupfern von Josephs Regierung an bis auf jetzige Zeiten« zu einem herabgesetzten Preis ausbietet. Wenn man Bäuerles Memoiren Glauben schenken darf, wäre Löschenkohl um diese Zeit infolge ver schiedener verfehlter Geschäftsspekulationen am Rande des Ruins gestanden. Aus dieser Situation hat ihn nun indirekt eine Dame gerettet, die berühmte Tänzerin V i g a n o. Bäuerles Erzählung, die wohl noch einer Nach prüfung bedarf, lautet: »Der Kunsthändler Löschenkohl auf dem Kohlmarkte, der durch mehrere verfehlte Speku lationen schon ganz herabgekommen war, kündigte plötz lich Damenfächer ä la Vigano (einer berühmten Tänzerin) an. Kaum wurde diese Annonce in der »Wiener Zeitung« gelesen, so bestürmten auch schon die Bediensteten der Vornehmen und Reichen Löschenkohls Niederlage. Die feineren eleganten Fächer kosteten zwei Dukaten, die minder schönen einen Dukaten, die ordinäre Sorte einen Gulden, und dann wurden noch ganz simple Fächer ä >a Vigano für 30 Kreuzer ausgeboten, natürlich alle mit dem Bilde der Madame Vigano geziert. In dem Zeiträume eines Vormittags verkaufte Löschenkohl seinen ganzen bedeutenden Vorrat. Er mußte Tag und Nacht arbeiten lassen u. s. w.« Bäuerle erzählte schließlich, daß diese Spekulation Löschenkohl 36.000 Gulden getragen habe und daß er wieder glänzend dastand. Wie weit diese Erzählung der Wahrheit entspricht, mag vorderhand dahingestellt bleiben; Tatsache ist, daß Löschenkohl, als er am 11. Jänner 1807 im Bürgerspitals gebäude Nr. 1166 (jetzt Lobkowitzplatz) starb, ein an sehnliches Vermögen hinterlassen hat. Sein einige Tage früher, am 23. Dezember 1806, errichtetes Testament offenbart eine seltene Menschenliebe und bestätigt die alte Erfahrung, daß Menschen, die sich zeitlebens mit einem, wenn ich so sagen darf, von traurigen Jugend erinnerungen hart gehämmerten Panzer umgeben, an ihrem Lebensabende jener gedenken, denen sie ihre Existenz, ihr Fortkommen und treue Mitarbeiterschaft verdanken. So bedenkt er in seinem Testamente mit an sehnlichen Legaten Mitglieder der Familie Lausberg in Elberfeld, die dortige und die Wiener evangelische Gemeinde, hauptsächlich aber seine Arbeiter, denen er teils lebenslängliche Renten, teils fixe Beträge testiert. »Da meinen armen Arbeitsleuthen durch meinen Tod ein empfindlicher Verlust zugehen wird, so will ihnen selben durch folgende Legate einigermaßen erleichtern,« heißt es in dem betreffenden Passus seines Testamentes. Zu Universalerben setzte er Nachkommen seiner in Dort mund verstorbenen Schwester und Frau Maria ü e i ß- 1 e r, die in seinem Geschäfte tätig war, ein. Die Realisierung des umfangreichen Nachlasses konnte erst in zwei großen Auktionen bewältigt werden, die im Juni und im August 1807 stattfanden. Die erste Auktion, deren Protokoll ich in Abschrift besitze, brachte das eigentliche Kunstlager zum Verkauf. Auf die Gefahr hin, Sammlern und Kunsthändlern Hcrzlcid zu ver ursachen, will ich einige Daten und Ziffern aus diesem Protokolle zitieren. Verkauft wurden: 13.151 farbige und 28.942 schwarze Blätter, inklusive der Kupferplatten, für den Betrag vori 2405 fl. 20 kr. Noch immenser war der zweite Teil des Lagers, der außer Kupferstichen, Fächer, Spiele, Kalender, Karten etc. enthielt. Es wurden 154.115 Stück für 2645 fl. 49 kr. verkauft (Einzelblätter zu Kalendern, Monatskupfer, Fächerblältcr etc.), doch immerhin hat mir eine, wenn auch nur oberflächliche Zählung auch in dieser Abteilung zirka 15.000 einzelne Blätter, das heißt. Partien von einzelnen Stichen ergeben. Mit dem Verkauf der immensen Lagcrbestände Löschenkohls w r ar die Erinnerung an ihn und seine für Wien so segensreiche Tätigkeit für eine sehr lange Zeit entschwunden. In den Katalogen der Alt-Wiener Samm lungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sucht man vergebens nach Löschenkohlsehen Blättern. Erst der von Moritz B e r m a n n verfaßte Auktionskatalog der Schi tu m e r sehen Viennensia-Sammlung aus dem Jahre 1859 wird der Bedeutung der Löschcnkohlschen Stiche für die Kultur- und Sittengeschichte Wiens einigermaßen gerecht. Die in diesem Kataloge verzeichnete Serie, dann eine Reihe von Blättern aus der im Jahre 1872 zur Ver steigerung gelangten K a r a j a n sehen Sammlung bilden sozusagen den Grundstock der in den Wiener privaten und öffentlichen Kollektionen befindlichen Löschenkohl folgen. So hätte ich denn in großen Zügen das arbeitsreiche Leben einer interessanten Persönlichkeit des alten Wien geschildert. Ich hoffe, durch meine Ausführungen zur Ver breitung des Interesses und Verständnisses für den Mann beizutragen, von dem es bei Wurzbach heißt: »Auch die Gegenwart bietet ähnliche Erscheinungen wie Löschenkohl, aber es fehlt ihnen der gesunde Humor, die frische originelle Unbefangenheit, Vaterlandsliebe und Fleiß.«