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Internationale Sammler-Zeitung,
Nr. 6
die Karte bei dem Buchhändler Pf aff in Lemberg ge
kauft wurde, der sie wieder von Löschenkohl bezogen
hat. Für die Lemberger Polizeidirektion war es klar, daß
die Karte »wegen ihrer Sonderbarkeit eine gewinnsüchtige
Spekulazion zum Zwecke zu haben scheint«. Die lang
wierige Untersuchung hat dann schließlich ergeben, daß
Löschenkohl an dem ägyptischen Feldzug Bonapartes
absolut keinen wie immer gearteten Anteil hat.
Was das Bild Löschenkohls im Lichte seiner Zeit
genossen anbelangt, so ist es klar, daß es ihm bei seinem
meteorhaften Auftreten und bei der Fa-Presto-Tätigkeit
eines wahrhaft rührigen Künstlers und Geschäftsmannes
nicht an Feinden und Neidern fehlte. Von dem Pamphlet
Aichensteins war schon die Rede. Früher schon hält ihm
R i g 1 e r in der »Wiener Monatsschrift von bildenden
Künstlern« vor, daß er sich »so oft und meistens mit
solcher Ruhmredigkeit in die Zeitung setzen läßt« und
gibt ihm zu bedenken, daß »wie seine Bilder nur Schatten
der Kunst sind, er gegen Künstler selbst nur ein Schatten
sey«. Ein anderer — F r i e d c 1 — in seinen 50 Briefen aus
Wien macht ihm zum Vorwurf, daß die Schnelligkeit,
»mit der er die Darstellungen geschichtlicher Ereignisse
auf den Markt wirft, die Treue der Zeichnung beein
trächtigen.« »Die Sttikke,« sagt er, »worin er wirklich als
geschickter Künstler erscheint, durch die er uns unseren
Beyfall, unser öffentliches Lob abgelokket hat, sind im
Auslande nicht so allgemein bekannt«. Für die Reisenden,
die auf ihren Wanderungen auch Wien berührten, war
Löschenkohl und sein Atelier ein unerschöpflicher Stoff
für wohlwollende und abfällige Bemerkungen. Aus der
großen Anzahl dieser Reisebeschreibungen erwähne ich
nur Nicolais Reisen, die Reisen durch das südliche
Deutschland, Trockendorfers Verlorene Briefe
über die Aufklärung in Wien, neben der großen Reihe der
Wiener Schriftsteller, die der Tätigkeit Löschenkohls teils
anerkennende, teils verurteilende Worte widmen.
Unbekümmert um alle diese Anfeindungen arbeitet
Löschenkohl rüstig weiter. Allerdings nimmt die Renta
bilität eines Gebietes, das der aktuellen geschichtlichen
Kupferstiche mit dem Eintreten friedlicher Zeiten rapid
ab, und es klingt fast wie ein Epilog auf die beinahe
dreißigjährige Tätigkeit Löschenkohls auf diesem Ge
biete. wenn er in der »Wiener Zeitung« vom Jahre 1799
»eine vollkommene Zeitgeschichte in schön illuminierten
Kupfern von Josephs Regierung an bis auf jetzige Zeiten«
zu einem herabgesetzten Preis ausbietet.
Wenn man Bäuerles Memoiren Glauben schenken
darf, wäre Löschenkohl um diese Zeit infolge ver
schiedener verfehlter Geschäftsspekulationen am Rande
des Ruins gestanden. Aus dieser Situation hat ihn nun
indirekt eine Dame gerettet, die berühmte Tänzerin
V i g a n o. Bäuerles Erzählung, die wohl noch einer Nach
prüfung bedarf, lautet: »Der Kunsthändler Löschenkohl
auf dem Kohlmarkte, der durch mehrere verfehlte Speku
lationen schon ganz herabgekommen war, kündigte plötz
lich Damenfächer ä la Vigano (einer berühmten Tänzerin)
an. Kaum wurde diese Annonce in der »Wiener Zeitung«
gelesen, so bestürmten auch schon die Bediensteten der
Vornehmen und Reichen Löschenkohls Niederlage. Die
feineren eleganten Fächer kosteten zwei Dukaten, die
minder schönen einen Dukaten, die ordinäre Sorte einen
Gulden, und dann wurden noch ganz simple Fächer ä >a
Vigano für 30 Kreuzer ausgeboten, natürlich alle mit dem
Bilde der Madame Vigano geziert. In dem Zeiträume
eines Vormittags verkaufte Löschenkohl seinen ganzen
bedeutenden Vorrat. Er mußte Tag und Nacht arbeiten
lassen u. s. w.« Bäuerle erzählte schließlich, daß diese
Spekulation Löschenkohl 36.000 Gulden getragen habe
und daß er wieder glänzend dastand.
Wie weit diese Erzählung der Wahrheit entspricht,
mag vorderhand dahingestellt bleiben; Tatsache ist, daß
Löschenkohl, als er am 11. Jänner 1807 im Bürgerspitals
gebäude Nr. 1166 (jetzt Lobkowitzplatz) starb, ein an
sehnliches Vermögen hinterlassen hat. Sein einige Tage
früher, am 23. Dezember 1806, errichtetes Testament
offenbart eine seltene Menschenliebe und bestätigt die
alte Erfahrung, daß Menschen, die sich zeitlebens mit
einem, wenn ich so sagen darf, von traurigen Jugend
erinnerungen hart gehämmerten Panzer umgeben, an
ihrem Lebensabende jener gedenken, denen sie ihre
Existenz, ihr Fortkommen und treue Mitarbeiterschaft
verdanken. So bedenkt er in seinem Testamente mit an
sehnlichen Legaten Mitglieder der Familie Lausberg
in Elberfeld, die dortige und die Wiener evangelische
Gemeinde, hauptsächlich aber seine Arbeiter, denen er
teils lebenslängliche Renten, teils fixe Beträge testiert.
»Da meinen armen Arbeitsleuthen durch meinen Tod ein
empfindlicher Verlust zugehen wird, so will ihnen selben
durch folgende Legate einigermaßen erleichtern,« heißt es
in dem betreffenden Passus seines Testamentes. Zu
Universalerben setzte er Nachkommen seiner in Dort
mund verstorbenen Schwester und Frau Maria ü e i ß-
1 e r, die in seinem Geschäfte tätig war, ein.
Die Realisierung des umfangreichen Nachlasses
konnte erst in zwei großen Auktionen bewältigt werden,
die im Juni und im August 1807 stattfanden. Die erste
Auktion, deren Protokoll ich in Abschrift besitze, brachte
das eigentliche Kunstlager zum Verkauf. Auf die Gefahr
hin, Sammlern und Kunsthändlern Hcrzlcid zu ver
ursachen, will ich einige Daten und Ziffern aus diesem
Protokolle zitieren.
Verkauft wurden: 13.151 farbige und 28.942 schwarze
Blätter, inklusive der Kupferplatten, für den Betrag vori
2405 fl. 20 kr. Noch immenser war der zweite Teil des
Lagers, der außer Kupferstichen, Fächer, Spiele, Kalender,
Karten etc. enthielt. Es wurden 154.115 Stück für
2645 fl. 49 kr. verkauft (Einzelblätter zu Kalendern,
Monatskupfer, Fächerblältcr etc.), doch immerhin hat
mir eine, wenn auch nur oberflächliche Zählung auch in
dieser Abteilung zirka 15.000 einzelne Blätter, das heißt.
Partien von einzelnen Stichen ergeben.
Mit dem Verkauf der immensen Lagcrbestände
Löschenkohls w r ar die Erinnerung an ihn und seine für
Wien so segensreiche Tätigkeit für eine sehr lange Zeit
entschwunden. In den Katalogen der Alt-Wiener Samm
lungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sucht man
vergebens nach Löschenkohlsehen Blättern. Erst der von
Moritz B e r m a n n verfaßte Auktionskatalog der
Schi tu m e r sehen Viennensia-Sammlung aus dem Jahre
1859 wird der Bedeutung der Löschcnkohlschen Stiche
für die Kultur- und Sittengeschichte Wiens einigermaßen
gerecht. Die in diesem Kataloge verzeichnete Serie, dann
eine Reihe von Blättern aus der im Jahre 1872 zur Ver
steigerung gelangten K a r a j a n sehen Sammlung bilden
sozusagen den Grundstock der in den Wiener privaten
und öffentlichen Kollektionen befindlichen Löschenkohl
folgen.
So hätte ich denn in großen Zügen das arbeitsreiche
Leben einer interessanten Persönlichkeit des alten Wien
geschildert. Ich hoffe, durch meine Ausführungen zur Ver
breitung des Interesses und Verständnisses für den
Mann beizutragen, von dem es bei Wurzbach heißt:
»Auch die Gegenwart bietet ähnliche Erscheinungen wie
Löschenkohl, aber es fehlt ihnen der gesunde Humor,
die frische originelle Unbefangenheit, Vaterlandsliebe
und Fleiß.«