Seite 192 Internationale Sammler -Zeitung Nr. 15 .stammt — sind nicht von Belang. Der Verfasser setzt durchgehends den Ausdruck „Halbarte" statt Helle barde; das Wort Halbarte ist ein altschweizerischer Ausdruck, es stammt von Halm, Stiel und Barte, Beil, es handelt sich also ursprünglich um ein Beil an einem langen Stiel. In den offiziellen Aktenstücken, Zeughausinventaren, Auszugrodeln, Gesetzesbestim mungen über die Bewaffnung, soweit sie sich noch erhalten haben, wird vom 14. bis ins 16. Jahrhundert mit verschwindenden Ausnahmen von Halbarten ge sprochen; der Name Hellebarde ist eine Wiederver deutschung der ins Französische übersetzen Halbartc. An Hand der frühen Typen in der vorliegenden Sammlung im Verein mit den in den Schweizer Museen aufbewahrten Stücken dürfte es gelingen, ein klares Bild über die Hauptwaffe der Eidgenossen bei Mor garten, Laupen, Sempach und Näfcls zu gewinnen. Das hier wiedergegebene Material ist grundlegend. Der Wert von Originalfragmenten. Ein Fingerzeig. Man schreibt der „Frkf. Ztg.“: Im Hinblick auf die in erhöhtem Maße der Zerstörung aus gesetzten Kunstwerke wird folgende Erfahrung lehrreich und von allseitigem Interesse sein: Nach Straßburg ist kürzlich ein Werk des Nikolaus Gerhaert von Leyen zurückgelangt, das seit 1870, seit dem Brande der Kunstsammlung und Biblio thek bergenden Kirche, für verloren galt, von dem aber das jetzt wiedergefundene Fragment wenigstens, die Büste des „bärtigen Mannes", unerkannt in einer kleinen, vorwiegend archäologischen Sammlung Mitteldeutschlands schlummerte, wohin es seinerzeit „von einem Herrn aus Straßburg mit- grbracht“ worden war, wie ein beihegender Zettel meldete. Der Herr Direktor der Straßburger Sammlungen, Professor Polaczek, hat das nur durch Gipsabgüsse überlieferte Werk_er- kannt und seinem ursprünglichen Heimatboden wiedergewonnen. Es handelt sich, wie gesagt, um die männliche der beiden berühmten Büsten, die als einzige Fragmente von dem Portal der abgetragenen alten Kanzlei damals im Museum noch aufbewahrt wurden. Das Volk hatte einst in den lebensvollen Köpfen des Propheten und der Sibylle die Züge des Jacob von Lichtenberg und seiner Geliebten, der schönen Bärbel aus Ottenheim, zu sehen gemeint. Wir entnehmen aus dieser Benennung mit Sicherheit jedenfalls nur, wie ungewöhnlich der Eindruck der Lebendigkeit gewesen sein muß im Vergleich zu vorausgehenden Werken. Von uns aus gesehen, kehrt sich das Verhältnis zwischen Naturwahrheit und künstlerischer Gestaltung gerade um: Neben der uns jetzt allzu geläufigen banalen Naturalistik übt gerade die Gehaltenheit, das Stilvolle an jenem Werk den Hauptreiz aus. Bei welcher Wandlung die Wertschätzung aber auch augenblicklich verweilen mag, der kunstgeschichtliche Gewinn ist um so beträchtlicher, als von Nicolaus von Leyen, diesem Bahnbrecher der Spät gotik, gewissermaßen nur einzelne Fußstapfen seiner Wande rung durch Süddeutschland nachweisbar sind und bis jetzt nur vier beglaubigte Originalwerke von seiner ruhmvollen Laufbahn zeugen. Selbst in seiner niederländischen Heimat ist nicht einmal ein direkter engerer Schulzusammenhang mehr aufzu weisen, geschweige denn ein eigenhändiges Werk; wir können nur ganz allgemein sagen, daß er die burgundisch-flandrischen Anregun gen in Plastik (Slüter) und Malerei (van Eyk) in eindrucksvoller Weise den süddeutschen Landen vermittelte, als er, schon gereift, 1462 in Trier die Grabplatte des Erzbischofs Jacob von Sierck meißelte, und sich im folgenden Jahre nach Straß burg wandte. Von dort sind die Skulpturen am Portal der Kanzlei entstanden und das Epitaph in der Johanniskapelle des Münsters. Ein weiteres Zeugnis seines Wirkens ist das 1467 datierte berühmte Kruzifix in Baden-Baden. Dann wan- derte der Meister, schon früher von Kaiser Friedrich III. aufgefordert, Donau abwärts. In l’assau, am Fundort des roten Marmors, verweilte er ein Jahrzehnt bei der Arbeit an der Tumba des Kaisergrabes für Wiener-Neustadt, seinem Hauptwerk. Sein Einfluß spiegelt sich nicht nur in den lokalen bayerischen Schulen, sondern strahlt aus bis nach Krakau, aufgenommen durch Veit Stoß. Die kunsthistorische Bedeutung des hier bekannt gegebenen Fundes wird Professor Fr. Back im nächsten Band des „Münchner Jahrbuchs der bildenden Kunst“ darlegen und ver mutlich an Aufnahmen deutlich machen, wie unzulänglich bis jetzt der Notbehelf mit den Gipsabgüssen war, oder rich tiger, ein wie weit darüber hinausgehender Zuwachs der Besitz eines Originalfragments bedeutet, ein Gewinn, der umso sehnlicher den Fund des Gegenstücks, der schönen Bärbel, erhoffen läßt. Denn das zeigt uns gerade dieser Fall: die Wahr scheinlichkeit, daß Steinskulpturen bei einem Brande restlos zerstört werden, ist nicht so groß, daß man alle Sorgfalt bei den Aufräumungsarbeiten außer acht lassen dürfte. Und des halb ist uns dies gerade jetzt ein Fingerzeig: die Sachlage ist die gleiche wie vor 45 Jahren. Wiederum kann cs geschehen, daß an verschiedenen Stellen, in Frankreich und Belgien, Schutthaufen achtlos beiseite geräumt werden. Bisweilen mögen auch diesmal einzelne in ihrer Abspaltung noch anspre chende Teile aufgehoben werden, aber selbst diese sind beinah so gut wie ganz verloren. Denn wenn ein so markanter Kopf, wie es dieser sogenannte Jacob von Lichtenberg ist, erst nach 45 Jahren nur durch ein besonders glückliches Zusammen treffen identifiziert werden kann — und dabei war er nicht vom Handel verschleppt und etwa im Privatbesitz versteckt — dann kommen solche versprengte Teile zu spät, falls es sich einmal, wie vermutlich in Reims und anderwärts, um die Restaurierung des Zerstörten handeln wird. Daß in unseren Tagen diesseits unserer Fronten mit aller Gewissenhaftigkeit vorgegangen wird, daß sich die in Betracht kommenden Fachleute in die ungewohnten Aufgaben recht zeitig hineinzufinden trachten, davon zeugt die Kriegsta gung für Denkmalpflege, die soeben in Brüssel statt- findet, und die vor erweitertem Forum Einblick gewährt in die lätigkeit des Heilens der Wunden, wie wir sic ungewollt den Denkmälern früherer Zeit schlagen mußten. Möchte doch unter den beteiligten Nationen diese Sorgfalt nicht einzigartig sein.