Internationale $amm\er£j0m$ Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 7. Jahrgang. Wien, 1. November 1915. Doppel-Nummer 16 u. 17. Der Kunsthandel im Kriege. Eine Unterredung mit dem Direktor der k. Gemäldegalerie in Wien. Der Direktor der Gemäldegalerie des Kaiserhauses in Wien, Herr Dr. Gustav Glück, hatte die Liebens würdigkeit, sich gegenüber einem Mitarbeiter der „Internationalen Sammler-Zeitung“ über den Kunst handel im Kriege auszusprechen. Herr Dr. Glück äußerte sich wie folgt: „Das Jahr des Krieges ist auf dem Gebiete der Kunst bei uns zweifellos besser ausgefallen, als gedacht worden war. Vorigen Winter sind hier recht viele Bilder gekauft worden, von denen gar manche hervorragende Stücke in Privatsammlungen gelangt sind. Das gleiche hört man auch von München, wo sowohl von Österreichern, als auch von Angehörigen clcr neutralen Länder Einkäufe gemacht wurden. Überraschend ist die Tatsache, daß die Bilder trotz des Krieges im Preise absolut nicht gesunken sind; bei den kostbaren trifft sogar eher das Gegen teil zu. Die allgemeine Situation ist eben eine gesunde. Die Leute glauben mit Recht, daß die Bilder ihren Wert behalten werden und sind darum zu Verkäufen nicht geneigt, um so mehr aber dafür zu Ankäufen. Es steht nur zu befürchten, daß die amerikanischen Sammler uns später noch mehr Kunstobjekte abnehmen werden, als vor dem Kriege. Andererseits ist es aber leicht möglich, daß ein großer finanzieller Aufschwung bei uns diese Gefahr beseitigen wird.“ Herr Direktor Dr. Glück kam in der Unterredung auch auf das Gerücht zu sprechen, das wissen wollte, daß Kunstobjekte aus dem Kriegsgebiete provisorisch in das kunsthistorische Hofmuseum nach Wien gelangt sind. „Das Gerücht,“ bemerkte der Kunstgelehrte, „be stätigt sich nicht. Es ist wahrscheinlich darauf zurück zuführen, daß der kostbare Altar von Ober-Vellach in die Staatsgalerie gebracht wurde. Im allgemeinen konnte von den Kriegsschauplätzen doch einiges historisch und künstlerisch Wertvolles gerettet werden, indem es rechtzeitig aus der Gefahrs- zone entfernt wurde, aber hier im Museum befinden sich diese Objekte nicht.“ „Wir haben,“ sagte schließlich Herr Dr. Glück, „während des Krieges bloß Kleinigkeiten erworben, so daß es sich gar nicht verlohnt, heuer, wie sonst regelmäßig in jedem Jahre, „einen eigenen Bericht über unsere Neuerwerbungen herauszugeben. Es besteht darum die Absicht, nächstes Jahr einen Bericht für beide Jahre erscheinen zu lassen.“ * * * Nachstehendsetzen wir die Rundfrage*) bei Wiener Kunst- und Antiquitätenhändlern fort. Es hatten noch die Freundlichkeit sich über ihre Erfahrungen während des Krieges zu äußern die Herren: Dominik Artaria, Firma Artaria & Co. In der ersten Zeit des Kriegsjahres hatte man sich vorgestellt, daß eine Entwertung der Gemälde ein- treten werde. Tatsächlich war auch in den ersten Kriegsmonaten der Kunsthandel, soweit er größere Wertobjekte betraf, völlig unterbunden. Der Kunst handel ist ja international und hat naturgemäß unter der LTnterbrechung aller Beziehungen zu dem Auslande sehr gelitten. Auch die Versteigerungen, die zum Teile den Markt alimentieren, hatten aufgehört; dagegen hatte man sich geirrt, als man Notverkäufe erwartete. Denn nachdem einmal klar geworden war, daß die Geldzirkulation ungestört geblieben sei, hat der private Kunstbesitz große Zurückhaltung bewahrt und es wiederholte sich die Beobachtung, daß der private Kunstbesitz hauptsächlich zu Zeiten eines finanziellen Aufschwunges — gereizt durch sehr hohe Preis bewilligungen — geneigt wird, an den Verkauf zu denken, während die Kriegszeit den Erfolg gehabt hat, den Besitzer zur Reserve zu veranlassen. Die Sammler dagegen, die jedoch meistens den reichen Kreisen angehören, vielfach auch der Industrie, Wurden mit der Zeit wieder von ihrer Sammlerleidenschaft erfaßt und suchten ihre Sammlertätigkeit keineswegs aufzunehmen, so daß sich dem geringen Angebote gegenüber eine immerhin beträchtliche Nach frage entwickelte. Auch die öffentlichen Kunstsamm lungen in Österreich und insbesondere in Deutschland haben übrigens keinesfalls ihre Tätigkeit eingestellt und darum auch ihrerseits den Kunstmarkt belebt. Es hat sich herausgestellt, daß gute, alte Kunst werke die Preise absolut gehalten haben und sehr begehrt sind. Weniger günstig stellt sich die Sache *) Siehe. Nr. 15 der „Internationalen Sammler-Zeitung“.