Internationale $aitimler-2ßifunfl Zentraiblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 7. Jahrgang. Wien, 15. Mai 1915. Nr. 9. Die Kunstschätze der Burg Kreuzenstein. Wie ein großes, persönliches Ungemach hat jeden kunstsinnigen Menschen che Hiobspost betroffen, daß der wundervolle Besitz des Grafen Hans Wilczek, Burg Kreuzenstein bei Korneuburg in Niederöster- reich, mit all den Kunstschätzen, die der Graf im Laufe von Jahrzehnten zusammengetragen, geordnet und aufgestellt hat, Feuers Wut zum Opfer gefallen sei. Man horchte auf die Nachrichten von der Unglücks stätte und empfand es wie eine Erleichterung, als die ersten Meldungen sich als stark übertrieben erwiesen, als man hörte, daß nicht die ganze Lebensar beit Wilczeks vernichtet wurde, daß sehr viele Kostbarkeiten durch ein gütiges Geschick verschont blieben. Immerhin ist der Schaden, den man zu beklagen hat, ein ungemein großer, da die orientalischen Zimmer, das Exlibris zimmer, die Kupferstichsammlung und ein Teil der Bibliothek ein Raub der Flammen geworden sind. Uber den Umfang der Verheerungen äußerte sich Graf Wilczek einem Mitarbeiter der ,,N. Fr. Pr.“ gegenüber, wie folgt: Die orientalischen Zimmer, das Exlibriszimmer, die Kupferstichsammlung und das Arbeitszimmer des Professors Strobel sind mit ihrem Inhalt vollständig vernichtet, zahlreiche andere Kunst gegenstände und Sammlungsstücke sind durch die bei dem Brande und der Löschaktion aufgetretenen Um stände teils schwerer, teils weniger beschädigt worden. Die Aufräumungsarbeiten werden wohl den ganzen Sommer in Anspruch nehmen und bis in den Herbst hinein andauern. Die bauliche Renovierung, beziehungs weise Rekonstruierung des abgebrannten Burgtraktes kann ich wegen der bestehenden Knappheit an Arbeits kräften erst in einem späteren Zeitpunkte durchführen, nur den Verbindungsgang zwischen dem Turm, in dem sich die Hauptstiege befindet, und dem an den abge brannten Teil anschließenden Trakt, der die Bibliothek, das Archiv und die Kapelle enthält, gedenke ich so rasch als tunlich wiederherstellen zu lassen. Die Besich tigung der Burg Kreuzenstein durch das Publikum muß aber bis auf weiteres eingestellt werden und ich glaube nicht, daß ich noch in diesem Jahre den Besuch des Schlosses werde freigeben können. Wenn ich nun von den Brandschäden spreche, so muß ich zunächst feststellen, daß ich einen Katalog über die in den zerstörten Räumen befindlich gewesenen Stiche, Schnitte und Zeichnungen nicht besitze und daher auch die einzelnen Stücke nicht genau bezeichnen kann. In dem sogenannten Kupferzimmer waren nicht nur Kupferstiche, sondern auch Holzschnitte und Radie rungen untergebracht, rund gegen dreitausend Exemplare, von denen die älteren ein gerahmt und an den Wänden aufgehängt waren. Jedes Stück hatte einen Vermerk über seine Herkunft und kunsthistorische Bedeutung. Diese Legenden waren zum größten Teile auf der Rahmenrückseite angebracht, so daß ein Über blick leicht möglich war. An viele dieser Kupferstiche und Holzschnitte erinnere ich mich genau, so daß ich eine genaue Beschreibung davon geben könnte, aber eine Zusammenfassung über alle kann ich auswendig nicht so schnell vornehmen, dazu waren es ihrer zu viele gegen dreitausend! Tn dieser Sammlung befinden sich Werke von Dürer, Cranach, Altengrever, Alt dorfer und vielen anderen bekannten Meistern der einschlägigen Kunstrichtungen. Es waren auch katalog artige Behelfe da, doch wurden sie in dem abgebrannten Raume auf bewahrt und sind gleichfalls ein Raub der Flammen geworden. Dasselbe gilt auch bezüglich der Exlibrissamm lung, welche zahlreiche und wertvolle Unika enthalten hat, zum Teil wunderschön kolorierte, zum Teil radierte, aber auch gestochene und geschnittene Exemplare der Buchschmuckkunst. Diese Sammlung war wohl eine besonders eigenartige und hatte einen hohen Wert nicht nur in materieller, sondern auch in künstlerischer Hinsicht. Einzelne Stücke stammten noch aus dem fünfzehnten Jahrhundert, auch mehrere einzig er haltene Dürer-Werke waren darunter. In dem anstoßen den Raume war die Bibliothek, von der jedoch vieles erhalten geblieben ist, weil sich zahlreiche Inventar gegenstände zur Zeit des Brandes nicht an ihrem Platze befunden haben, sondern in anderen Räumen. Hier möchte ich noch einschalten, daß auch nicht sämtliche Stiche und Schnitte, die sich auf Kreuzenstein befinden, ihren Platz in dem abgebrannten Raume haben, so daß auch von diesen Sammlungen manches erhalten sein muß. In dem erwähnten Raume befanden sich sehr wertvolle alte Bücher, darunter auch sehr beachtens werte Kirchenbücher und Kloster Chroniken, in denen sich die herrlichsten Cimelien befanden. Seit fünfzehn Jahren arbeitet Professor Strobl an der Erforschung dieser seltenen Werke, die an und für sich