Seite 124 Nr. 9 Internationale Sammler-Zeitung jedes einzelne eine Seltenheit darstellt. Der Brand hat diese Werke und auch die mühselige und zeitraubende Arbeit Strobls zerstört, man kann sagen, daß ihm,eine Lebensaufgabe vernichtet wurde. Was nun die orientalischen Zimmer betrifft, so wird mancher sagen, daß es unverständlich sei, in Burg Kreuzenstein Räume in dieser Weise einzurichten. Der Gedanke, der mir vorschwebt, war folgender: Ein Kreuzensteiner, der sich in der Welt umgetan hat, ist auch in den Orient gekommen, hat dort manches schöne Kunstwerk gesehen und es zum Andenken an die im Orient verbrachte Zeit nach Hause gebracht, wo er für die eigenartigen Gegenstände den entsprechenden Rahmen zu schaffen bemüht war. In diesem Sinne habe ich mit dem Architekten Kapeller die Ausgestal tung der über der Kupferstichsammlung gelegenen Räume besprochen und es wurde von ihm ein stilvolles Interieur geschaffen, in dem die von mir erworbenen Schätze aufgestellt wurden. Die Hauptsache der Innen architektur waren Holzwerke, die dem Stil und der Kunstrichtung der verschiedenen orientalischen Völker angepaßt waren. Auch die von mir erworbenen orienta lischen Kunstgegenstände, lauter alte Sachen, mußten hier entsprechend untergebracht werden, so daß das Ganze nicht einer Ausstellung glich, sondern ein wir kungsvolles Ganzes bildete. Nun hatte ich Antiquitäten sowohl aus dem nahen Osten wie aus dem fernsten Ostasien, chinesische, japanische, koreanische, kaukasi sche, indische, arabische, türkische Gegenstände, die teils einen Seltenheitswert repräsentierten, teils typische Merkmale der Kunstentwicklung im Orient bedeuten. Alles das ist zerstört und nur wenig Hoffnung ist vor handen, daß bei den Aufräumungsarbeiten noch ein oder der andere Gegenstand wiedergefunden wird. Ich habe schon gesagt, daß von den nichtverbrannten Besitztümern in Kreuzenstein so manches Stück gelegentlich des Brandes beschädigt worden ist. Das erklärt sich daraus, daß unter der Dachbedeckung Teerpappe verwendet wurde, die durch die Hitze auf gelöst, zum Teile verbrannt ist, während die Teer spritzer die in der Nähe befindlichen Sachen beschmutz ten, viele Dinge sind auch durch Wasser und Hitze stark mitgenommen worden, andere haben durch das Feuer eine Patina erhalten, die ich ihnen nicht durch Re- stauricrungsversuche nehmen möchte. Bis wir da in Ordnung kommen, wird es wohl Herbst werden. Ich glaube, daß der Direktor meiner Sammlungen, Herr Wal eher, der als Offizier eingerückt ist und derzeit schwer krank in Böhmen weilt, bis dahin in der Lage sein wird, mich bei der Feststellung der in den zerstörten Räumen untergebracht gewesenen Einzelgegenstände zu unterstützen. Die Titurel-Handschrift des Grafen Wilczek. Von S. Kende (Wien). Unter den Schätzen der Burg Kreuzenstein, von denen manches Wertvolle dem Brande dieser Tage zum Opfer fiel, befindet sich eine hochinteressante Cimelie, die seinerzeit durch meine Hände ging und in der Auktion Graf Paar {1896 zu Wien) in den Besitz des Grafen Wilczek, gelangte. Ich gebe nachstehend eine Be schreibung des seltenen Stückes: „Der jüngere Titurel.“ Handschrift auf Perga ment aus dem XIV. Jahrhundert. Mit 85 Miniaturen. 568 Seiten in 2 Coli. Folio. Lederband aus dem XVII. Jahrhundert mit reichen Beschlägen und Zierraten. Die Handschrift ist eine der frühesten des Helden gedichtes und war im XVI. Jahrhundert im Besitze der Familie Fernberger, später im Besitze des Grafen Moriz Dietrichstein. Um das Jahr 1860 kam sie in den Besitz des Wiener Bibliophilen Karl Ritter v. Ivesaer und später in den des Grafen Ludwig Paar, Botschafters beim Vatikan, der sie mit Recht als die Perle seiner hervorragenden Sammlungen bezei ebnete. Die Handschrift beginnt: Fol. 2b. Hie reitt der paroc unde atmerin entgegen dem Talfein. Fol. 3a. Des ersten empfie die atmerin den iungen Talfein. Fol. 4b. (D)arnach riten sie all gein baidach. Fol. 198a. (D)arnach kom anfortas und den toten besarchen. Fol. 270a. (H)ie gab auf priester Johann dem parcifal all sein herschaft durch den Gral. Das Unikum ist neben dem Reichtum an schönen Miniaturen, davon 29 in voller Blattgröße, auch deshalb hochinteressant, weil die freigebliebenen Ränder der Handschrift als Stammbuch verwendet wurden. Fs sind da Eintragungen der vornehmsten Adelsgeschlechter des 16. und 17. Jahrhunderts, und zwar von Chr. von Breyssen, Laur. Doczy, Hans Wolzogcn, Freiherr, Franz Herzog von Sachsen, dann der Familien Starhem berg, Salm, Dohna, Thun, Fürstenberg, Lamberg, Windischgraetz, Oettingen, Hardegg, Traun u. a. Der literarische Schatz war lange Zeit verschollen, nur in Breslau existierte eine Kopie davon. Das berühmte Stück wurde bei der Auktion Graf Paar (1896) vom Grafen Hans Wilczek gegen das Germani sche Nationalmuseum zu Nürnberg gesteigert und er worben. Diese sogenannte Fernberger-Dietrichsteinsche Hand schrift des Heldengedichtes ist das bedeutendste Stück dieser Art in österreichischem Privatbesitz.