Seite 18 Internationale Sammler-Zeitung Nr. 2 des Vormärz zu eigen gewesen, seine Schränke, Betten, und Kästen, auf deren kunstvoll gearbeiteter Fournier sich alle erdenklichen Muster spiegeln. In diesem auf blankem goldbraunen Grunde laufendem dunklen Ge äder mag eine bewegliche Phantasie die sonderbarsten Tier- und Blumenbilder erkennen. Bayers Ansehen wächst und er erhält den ehrenvollen Auftrag, das Natu ralienkabinett einzurichten. Der Zufall fügt es, daß sein Blick auf die mit Vogelbälgen gefüllten Kisten aus Australien fällt, die nach Entnahme des Inhaltes zerhackt und als Brennmaterial verwendet werden sollen. Bayer erbittet sich die Kisten, erhält sie und verfertigt aus dem Material —■ edelstes Palisander holz — eine Saloneinrichtung. Zwei zierliche Kästen, einen Tisch und vier Sessel mit kunstvoll geschwun genen Füßen und zwei breitausladende urgemütliche Fauteuils, deren himmelblauer, mit weißen Arabesken geschmückter Brokat noch heute wie damals eine Aufforderung zum Sitzen enthält. Und nun kommt das Prachtstück, der herrliche aus siebenerlei Hölzern kunstreich zusammengesetzte Fußboden. Ein Sternenmuster von Wundervoller Rein heit und Schönheit der Linienführung, noch heute ein Prunkstück unserer Hofburg. Den verbliebenen Rest verwandte der Meister für seine eigene Einrichtung. Vor wenigen Jahren kam dieser Teil in den Besitz des Hofopernsängers Hesch, in dessen Baumgartner Villa er sich vermutlich auch jetzt noch befindet. Als Bayer k. k. Hoftischler wurde — er besaß als der einzige in ganz Wien diesen Titel — änderte der bescheidene Mann seine Lebensführung nicht im Ge ringsten. Im blauen „Fürta“ arbeitete er ununter brochen mit seinen Gesellen und sang nur, wenn die Frau Meisterin ein bisserl hantig wurde, sein Lieblings lied aus dem „Verschwender“. Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus! Das bringt mich, nicht in Wut Da klopf ich meinen Hobel aus Und denk du brummst mir gut“. Sein unermüdlicher Geist beschäftigte sich auch mit Problemen der Wissenschaft, insbesondere der Astronomie und Botanik. Auch als Erfinder betätigte sich Bayer mit Glück. Seinem Forschergeiste gelang die Erfindung eines ausgezeichneten Verfahrens, Kupferstiche auf Holz abzuzichen. In dieser Kunst gab der Meister mehreren Persönlichkeiten aus der Wiener Gesellschaft, darunter dem Herzog von Lucca, Unterricht. Über die dabei angewandte Methode ist mir leider nichts bekannt, doch besitze ich mehrere Exemplare derartiger Holz-Kupferstiche. So, eine herr liche mit Darstellungen aus der Antike reich verzierte Schmuckschatulle, eine ähnliche Zuckerdose und ein Heiligenbild. Vielleicht wäre es möglich, auf Grund dieser Objekte das Bayersche Verfahren zu rekonstru ieren. Sicherlich dürfte der Erfolg — die Kupferstiche sind in voller Reinheit wiedergegeben und nehmen sich auf dem goldgelben Holze prächtig aus — die Mühe lohnen. August Zang, der Begründer der alten „Presse", einer aus dem Freundeskreise Bayers, war einer der Wenigen, die die Genialität dieses Biedermeierschcn Renaisancemenschen zu würdigen wußten, aber Bayer blieb der schlichte Handwerksmann und war viel zu bescheiden, um seine Person in den Vordergrund zu stellen. Das Schicksal ist mit dem wackeren Meister nicht immer gelinde umgegangen. Am schwersten traf ihn Wohl der Verlust seiner Kinder, die ihm alle bis auf eines — 1 meinen Großvater —• im blühenden Alter entrissen wunden. Als das dritte Kind, seine Lieblings tochter auf der Bahre lag, da mochten dem Meister wohl wieder die Schlußworte aus dem Hobcllied durch den Kopf gesummt haben. Er legte den Hobel hin, nachdem er selbst den Sarg für sein Kind hergestellt hatte, und sagte zwar nicht der Welt, wohl aber seinem geliebten Handwerk für immer Ade. Das Ende seines Lebens war nur mehr dem öffentlichen Wohle und seinem Garten geweiht, dort hat ihn auch der Tod ereilt. Eines Morgens lag er, den Kopf in ein Blumenbeet vergraben, wie schlafend da. Ein Schlaganfall hatte beim Blumenbegießen ihn im 77. Lebensjahre ein friedliches Ende bereitet. Die Armen weinten um ihn wie um einen Vater, die Gemeinde betrauerte ihn als verdienstvolles Mitglied und Bürger der Stadt Wien und doch wußte kaum einer, daß mit diesem urwüchsigen Naturmenschen einer der besten Vertreter echt öster reichischen, im Universellen wurzelnden Geistes dahin gegangen war. Der Krieg in der Photographie. Während die Bilder des deutsch-französischen und des russisch-türkischen Krieges im wesentlichen von Künstlern geschaffen wurden, die sich bei der Wieder gabe der Ereignisse mehr von künstlerischen Gesichts punkten leiten ließen, als von dem Bestreben, die Dinge so darzustellen, wie sie in Wirklichkeit verlaufen waren, hat in den beiden letzten Balkankriegen, und vor allem in dem gegenwärtigen Kriege der Photograph diese Rolle übernommen, und ungezählte Aufnahmen aus allen Ländern werden kommen den Geschlechtern das furchtbare Ringen lebendig erhalten, das eine Welt in ihren Grundlagen erschüttert. In diesem Zusammenhänge sei daran erinnert, daß die Kongreßbibliothek in Washington eine Sammlung von 7000 Photographien aus dem amerikanischen Bürgerkrieg (1862 bis 1865) aufbewahrt, die sich, wenn auch naturgemäß in weit bescheideneren Grenzen, den Werken vergleichen läßt, die von den Photographen unserer Tage hergestellt werden. Diese Sammlung kann als das erste Unternehmen bezeichnet werden, in dem der ganze Verlauf eines Krieges in Photo graphien festgehalten worden ist. Dabei besitzt die Sammlung einen noch höheren geschichtlichen Wert, als er in ähnlichen Werken unserer Tage enthalten ist, denn da in jener Zeit die strenge Geheimhaltung aller militärischen Maßnahmen und die völlige Absperrung kämpfender Truppenteile von jeder Berührung mit der Außenwelt, wie sie in dem heutigen Um fang erst seit dem 'russisch-japanischen Kriege Grundgesetz aller kriegführenden Staaten geworden ist, noch unbekannt war, so konnte der Photograph mit seiner Kamera bis in die vordersten Linien des Heeres Vordringen und Kriegsbilder liefern, die unter den jetzigen Verhältnissen unmöglich sind. Der Mann, der mit Zustimmung des Präsidenten Abraham Lincoln dieses (in der Öffentlichkeit nicht erschienene) Werk herstellte, war ein einfacher Photograph aus Broadway bei New-York, Batthew B. Brady, der bei dem Erfinder der Photographie, Daguerre, in Paris gelernt hatte und nach Amerika zurückgekehrt, sich große Verdienste um die Ein-