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Nr. 9
Internationale Sammler-Zeitung
durch ihre Keramiken bekannten Bildhauerin Frau
Meier-Michl. Deshalb wird man die von Helene
Scholz auf den Verteidiger Tirols, Generalobersten
Erzherzog Eugen, ausgeführte Medaille mit beson
derem Interesse entgegennehmen. Auf der Vorderseite
ein gutes Bildnis des populären Prinzen und auf der
Rückseite einen mitten in den Bergen auf einsamer
Wacht stehenden Tiroler Landesschützen. Die eine
natürliche Felsenburg bildenden Spitzen, Zinnen und
Türme der Dolomiten mit den Tannenwäldern im-
Vordergründe sind im Reliel trefflich wiedergegeben.
Die Medaille trägt die Jahreszahl 1915.
Mit zwei neuen und bedeutenden Arbeiten stellt
sich wieder Arnold Hartig ein. Dem Protektor aller
humanitären Einrichtungen der Kriegsfürsorge, Erz
herzog Karl Stephan ist die eine Medaille gewidmet,
die andere der Erzherzogin Marie Therese, die
bekanntlich als Schwester Michaela seit Kriegs-
beginn in der Verwundetenpflege tätig ist. Sowohl
die markanten Gesichtszüge des Erzherzogs, als auch
das Porträt der in Pflegerinnentracht gekleideten
Erzherzogin, welche dem Künstler dankbare Aufgaben
geboten haben, sind meisterhaft geglückt. Stimmungs
voll sind die Reverse beider Medaillen. Die den ruhm
vollen Frieden, und die Kriegsfürsorge darstellende
weibliche Figur beschützt den trotz der sichtbaren
Beinprothese seiner bürgerlichen Tätigkeit wieder
gegebenen Helden an der Seite seines jungen Weibes,
welches ein Kindlein in den Armen hält.
Der unter dem Protektorate des Erzherzogs ste
hende und unermüdlich tätige Verein, „Die Technik
für die Kriegsinvaliden“ wird dafür sorgen, daß die
provisorische Prothese bald durch ein wirkliches Kunst
bein ersetzt wird, welches alle Funktionen des natür
lichen Körpergliedes ausführt, ohne das Gebrechen
sichtbar erscheinen zu lassen. Die Medaille hat die
Inschrift: Militibus laesis viduis natisque relictis
(zu deutsch: Den verwundeten Soldaten, deren Witwen
und zurückgelassenen Kindern) und dabei die Jahres
zahlen 1914—1915. Auf der mit dem Bibelspruch „Selig
sind die Barmherzigen“. Matth. 5, 7 umschriebenen
Reversseite der Erzherzogin-Medaille betreut eine
Pflegerin, welche die Züge der „Schwester Michaela“
zeigt, einen auf der Krankenbahre liegenden ver
wundeten Krieger. Diese Medaille trägt unter den Buch
staben K. F. A. (Kriegsfürsorgeamt) die Jahreszahl 1916.
Im Palais Thun-Salm.
Von August Strobel (Prag).
Aus dem geschäftigen Hin und Her von Menschen,
das der kriegsmäßig gesteigerte Verkehr aus Militär
kommando, Statthalterei und Landeshauptkassa über
den Kleinseitner Ringplatz lenkt, entführt eine kleine
Wendung übereck zwei steile Gäßchen hinan plötzlich
in menschenleere Stille. Und man steht vor einer dunkel
blickenden, vornehm abweisenden Palastfassade, deren
großes Tor eisenbeschlagen aus mächtiger Wölbung
die steile Auffahrt hinuntergähnt. Das ist der alte
Palast derer von Thun-Salm, jenes berühmte Ge
bäude, in dem, als noch Graf Oswald Thun-Salm in
ehrwürdiger Patriarchalität an den Geschicken der
Deutschen Prags richtunggebenden Anteil nahm, so
manche wichtigeBeratung gehalten, so mancher, nament
lich für die kulturellen Aufgaben des Deutschtums in
Prag mächtig fördernde Entschluß gefaßt worden war.
Nach dem Tode des alten Exzellenzherrn wurde es
in dem Palast still; die Söhne weilten viel auf Reisen,
auf ihren Besitzungen, und waren sie daheim, so
öffneten sich die Salons doch kaum überden engeren
Umgangskreis der Besitzer hinaus einem Fremden.
Wer aber in Prager Adelspalästen ein wenig Bescheid
weiß, dem ist auch bekannt, daß kaum irgendwo
anders noch so kostbare Schönheiten der Kunst und
auch der Natur zum Schmucke eines herrschaftlichen
Heims vereint zu finden sind als gerade in der trotzig den
Hradschiner Berg hinanklimmenden Thunschen Palast
burg. Vielleicht hat kein Schloß und kein Palast in
ganz Böhmen der Fernsicht etwas an die Seite zu
setzen, die dem überraschten und bezauberten Blick
sich von der Terrasse des Thunschen Palastes erschließt.
Und mit den Kunstschätzen darf sich, was ihren
künstlerischen Wert betrifft, wohl nur die Nostitzsche
Galerie messen, die freilich auch die bedeutendste
aus Prager Adelsbesitz ist. Aber während die Nostitz
sche Galerie Kunstfreunden allgemein zugänglich und
durch ein herrliches Nachbildungswerk auch schon zu
wissenschaftlicher Volkstümlichkeit gelangt ist, darf
man die Bilderschätze des Palastes Thun-Salm als
nahezu unbekannt bezeichnen.
Hohe Kunst und Kunstgewerbe der Vergangenheit
sind in diesen Innenräumen untrennbar zu einheit
licher Wirkung verbunden, ein Bild, ein alter Krug,
ein zierliches Email oder ein Möbelstück aus fernem
Orient, jedes wirkt an seinem Platze, denn man weilt
ja in Zimmern, in Salons, beileibe nicht in einer Galerie
und einem Museum. Was also die folgende Aufzählung
zerreißt, fügt um so sicherer die persönliche Besichtigung
wieder zum schönen Ganzen zusammen. In diesem
Sinne sei zuerst von den Bildern gesprochen.
Die italienischen Schulen bilden nicht die Stärke
der Sammlung. Wohl findet sich ein anmutiges Bild
chen, auf dem Christus und Johannes als Kinder sich
küssen, von einem unbekannten italienischen Meister,
oder ein breit gemalter leidenschaftlicher Heiliger,
der auf Tizians Schule weist; etwas Überragendes ist
nicht da. Anders aber bei den Holländern und Vlämen.
Man kann gleich mit einem kleinen, wunderschönen
Rembrandt anfangen, Christi Beschneidung dar
stellend, zu dem ein Seitenstück im Haag hängt.
Dahinter marschieren die berühmtesten Namen auf:
Brouwer und Teniers d. J., Wouwermann, Jakob
Ruisdael und Salomon Ruisdael, Aert van der
Neer, Isaac und Adrian Ostade, Terborch und der
große Jordaens. Viele weniger berühmte haben doch
für den Kenner gleich wertvolle Bedeutung: bald
fesselt die saftige Männlichkeit auf Bildnissen von
Mirveldt, bald die stimmungsvollen Landschaften
eines Everclingen, die lustigen und manchmal etwas
frivolen Genreszenen der Bosch, Stevaens, Craes-
beck und van der La amen, die Landschaften von
Govaerts und Heusch, die mythologischen Szenen
von Francis Francken, Cuylenborch, dem rudol-
finischen Künstler Bartholomäus Spranger, endlich