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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 22
Über Notgeld.
Aus München wird uns geschrieben:
In der letzten Sitzung der Bayerischen Numismatischen
Gesellschaft sprach Herr Hofrat A. M. Pachinger aus Linz
über die Geschichte des Notgeldes.
Einleitend legte der Vortragende die verschiedentlichen
Gründe dar, die zur Einführung von Ersatzgeld führten.
Einmal waren es Hartgeldhamster, die sich nicht scheuten,
nicht nur Gold und Silber, sondern auch die kleinsten Kupfer
nominale aufzuhäufen, um für alle Eventualitäten gedeckt
zu sein, ohne sich der unabsehbaren Folgen und der Nutz
losigkeit ihres Vorgehens bewußt zu sein. Anderseits war es
der enorm gesteigerte Kleingeldverkehr, der zu Beginn des
Krieges einsetzte. Hier und dort hat der Soldat nur für den
nächsten Bedarf gesorgt, um seinen Tornister nicht zu sehr
zu füllen und zu beschweren und zu diesem Zweck hat er
nur kleine Münzen benötigt. Diese Kleingeldnot bei ausbre
chenden Kriegen hat sich auch in früheren Kriegen einge
stellt. So gab der Kommandant der im Jahre 1573 belagerten
Stadt Leyden ein den Metallmünzen nachgebildetes Papier
geld als Ersatz für Hartgeld aus. In der Zeit des Siebenjährigen
Krieges traten an Stelle des vermindert auftretenden Metall
geldes Geldersatzstücke in Form von Leder- und Tuch
stückchen mit aufgeprägtem und aufgedrucktem Wappen
und Nominal. Wenn wir von Notpapiergeld hören, denken
wir unwillkürlich an die berüchtigten französischen Assignaten
aus der Zeit der Revolution und wissen nicht, daß es auch
in Preußen um diese Zeit — Talerscheine von Erfurt aus dem
Jahre 1813, Groschenzettcl aus der Belagerung von Kol-
berg u. a. — Papiernotgeld im Umlauf war. In böhmischen Orten
aus den Jahren 1848/49 und in Lodz aus den sechziger Jahren
kennen wir Notgeldscheine aus baumwollartigem Stoff.
In dem währenden Weltkriege ist in Deutschland,
Österreich, Frankreich, Rußland, Holland, Bel
gien, Dänemark, Schweden, Italien, in der Schweiz
und in Tsingtau Notgeld ausgegeben worden. Von Frank
reich ist bekannt, daß es in den von uns in den ersten Kriegs
wochen besetzten Gebieten an französischem Hartgeld völlig
mangelte. Die französische Regierung hatte nach dieser
Richtung hin den Krieg schon sorgfältig vorbereitet. Durch
große Bankinstitute wurde noch rechtzeitig alles Geld aus
den östlichen Gebietsteilen nach Paris geschafft. Die Spar
kassenguthaben wurden in der Weise gesperrt, daß ohne
Rücksicht auf die Höhe der Einlage nur eine Auszahlung
von höchstens Fr 50-— für den einzelnen und von Fr 250
für eine Familie gestattet wurde. Das planmäßige Vorgehen
der französischen Regierung kennzeichnet das Vorgehen der
Stadtverwaltung von St. Quentin, die schon am 3. August
1914 eine Millionenanleihe aufnahm, um den Abschub des
Bargeldes nach Paris möglich machen zu könxren.
Als der Deutsche siegreich in Belgien einzog und das
wenige Hartgeld, das sich noch einbringen ließ, in Form von
Kontributionen eingezogen hatte, erfuhr die planlose Aus
gabe von Stadtbons ein jähes Ende. Die Zahl der Ausgabe
stellen wurde beschränkt und gelegentlich ganze Arrondisse
ments zur Bürgschaftleistung für die edierten Bons ver
pflichtet, So haben sich nicht weniger als 70 Gemeinden als
Bürgen einer Anleihe von Fr 2,300.000 verpflichtet. Auf
der Note sind diese 70 Gemeinden namentlich aufgeführt.
Für die Anleihe eines anderen Bons haften gar 221 Gemeinden
der Aisne und der Ardennen. Die Gemeinden zahlen laut Ver
ordnung der deutschen Gouvernements die ihnen äuferlegten
Strafen und Steuern in solchen Bons. Anderseits bezahlt
unsere Heeresverwaltung mit diesem Papiergeld auch die
Arbeitslöhne an die französischen Zivilarbeiter usw. Außerdem
ist es auch jedem Heeresangehörigen zur Pflicht gemacht,
seine eigenen Bedürfnisse, die er von den französischen Ein
wohnern deckt, mit diesen französischen Gemeindescheinen
zu bezahlen. Zu diesem Zweck sind an jedem mit Truppen
belegten Ort besondere Wechselstuben eingerichtet, die den
Soldaten ein Umwechseln des deutschen Geldes in französische
Bons ermöglichen.
Aus der russischen Gegend sind uns bis heute nur sieben
Ausgabestellen bekannt geworden: Bendzin, Wlochawek,
Czenstochau, Lodz, Sosnovice, Libau und Mitau.
Daran schloß der Redner eine ausführliche Betrachtung
über das deutsche Notgeld. Die papierenen Ein- und
Zwei-Markscheine und die eisernen Fünf- und Zehn-Pfennig
stücke sind Kinder unserer schweren Zeit und sind als vor
übergehendes Kreditgeld unter dem Begriff Notgeld einzu-
reihen. Im Deutschen Reiche mußten mehr als 300 Stellen,
Städte, Gemeinden, Sparkassen, Banken, Industrieunter
nehmungen, Gutsverwaltungen usw. einen Kleingeldersatz in
Papiergutscheinen suchen. Um einer Stockung in der Lohn
auszahlung zu steuern, war man besonders in den Industrie
gebieten, im Rheinland und Westfalen sowie in den Berg-
■werkszechcn und Spinnereien Sachsens darauf angewiesen,
Werte von 5 Pf. bis zu M 20-— in Papier auszugeben. Die
Nominalunterschiede wurden meist durch die Farbe des
gewählten Papiers kenntlich gemacht. Die Gutscheine, die
meistenteils in der Buchdruckerpresse - nur vereinzelt wurden
sie auf lithographischem Wege hergestellt — gedruckt wurden,
tragen Aufschriften, die außer der Ausgabestelle und dem
Wert des Stückes den Garantievermerk trugen, daß sie bis
zu einem bestimmten Termin, bisweilen erst sechs Monate
nach dem Friedensschlüsse, Gültigkeit hätten. Auf manchen
Scheinen wird demjenigen, der die Annahme verweigert,
Strafe angedroht. Eine Reihe von diesen Bons wurden auch
hektographiert oder nur mit der Hand geschrieben. Die Stadt
Lopischewo benützte zerschnittene Spielkartenblätter, die
mit dem Magistratssiegel und der Wertangabe versehen
wurden. Besonders primitiv sind die Scheine der ostpreußischen
Städte, die weder Muße noch Zeit hatten, schönes Notgeld
herzustellen. Die Schere hat den Wert der Scheine gekenn
zeichnet, es waren kreisrunde, rechteckige und achteckige
Stücke in Umlauf, auf denen außer dem Siegel des Stadt
magistrats keine Wertangabe angebracht war. Während der
Einlösungstermin auf den deutschen Scheinen größtenteils
ziemlich kurzfristig ist — das in den Gefangenenlagern ein
geführte Papiergeld ausgenommen —, wird die Einlösung der
französischen und belgischen Papiere mit ganz wenigen Aus
nahmen bis nach dem Frieden garantiert.
Der Vortragende schloß seine interessanten Ausführungen,
denen er seine reiche Sammlung von Papiergeld aus früherer
Zeit und Notgeldscheinen des gegenwärtigen Krieges als
Anschauungsmaterial zugrunde legte, wie folgt:
Was wird nun aus all diesem Notgeld, wenn es seinen
Zweck erfüllt hat ? Der größte Teil wird wohl von den Ausgabe
stellen wieder eingelöst werden, ein anderer wird sich derartig
abgreifen, daß er als Geldwert von selbst aus dem Verkehr
verschwindet, ein dritter Teil wird gesammelt. Es ist geradezu
merkwürdig, mit welchem Eifer sich eine stattliche Reihe von
Sammlern auf dieses neue Gebiet geworfen haben. Gerade
die Schwierigkeiten, die sich den Sammlern bei der Beibringung
der Gutscheine in den Weg stellten, scheinen besonders gereizt
und die Besitzer dann glücklich gemacht zu haben.
Mancher dieser Sammler hat dabei natürlich keinen andern
Zweck verfolgt, als eine möglichst große Anzahl dieser bunten
Papiere gleich dem Briefmarkensammler aufzukaufen. Aber
wie die Literatur über dieses Sammelgebict zeigt, gibt es nicht
nur solche, die sich mit dem Besitz der Scheine zufrieden
geben, sondern auch solche, die sich das Material als Grund
lage zu volks- und geldwirtschaftlichen Erörterungen ver
schafft haben und dieser Zweck vermag den Sammler wirklich
zu befriedigen. Dr. M. B e r n h a r t.