Internationale Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 9. Jahrgang. Wien, 1. Dezember 1917. Nr. 23. Kostbare Bücher und Dokumente. Paul Graupe sagt nicht zu viel, wenn er die Bücher und Dokumente, die er am 10. Dezember zur Ver steigerung bringt, als kostbare bezeichnet: was in den 334 Nummern des Katalogs vereinigt ist, sind wirklich Kostbarkeiten, die Bibliophile gewiß als solche werten werden. Tn erster Linie möchten wir ein Manuskript von Paul Gauguin herausgreifen. Auf 200 Großquartseiten mit einer schönen klaren Handschrift geschrieben, hat der Künstler dem Text 30 ganzseitige üriginal- handzeichnungen eingefügt. Auf Tahiti im Jänner und Februar 1903, seinem Todesjahre verfaßt, als eine Sturmflut ihn in seinem Hause abgeschlossen hatte, gab er diesem merkwürdigen Werke den Titel „Avant et apres“, will sagen vor und nach Tahiti, nach einer Welt bitterer Erlebnisse und harten Ringens und vor einer Welt freudiger Erlebnisse, reifen Glückes und innerer Sicherheit. Das Leitmotiv spricht dann auch deutlich der Untertitel aus, der im Gegensatz zu „pour pleurer, pour souffrir, pour mourir“ das „pour rire, pour vivre, pour jouir“ stellt. Die Freiheit seiner lite rarischen Diktion rechtfertigt er mit der Lust am Schreiben, die ihm eine notwendige und harmonische Ergänzung zu seiner anderen Kunst scheint. Und mit dieser Lust schleift er die Kürze seiner Gedanken und kräftigt den Ausdruck der Sprache. Bedeutsame Schilderungen seines eigenen Lebens, seines Charakters - le sau vage nennt er sich —, seiner Kunst wechseln mit tiefen Einsichten in das Wesen der Zeichnung und der Farbe. Die Schilderung des Zusammenlebens mit Vincent van Gogh in Arles und das tragische Ende der großen Freundschaft ist ein menschliches Dokument. Und die vielen Beziehungen zu der Kunst der Impressionisten, zu Degas, machen das Werk zu einem reichen Quellen material. Eine weise Einsicht in Schaffenslust und Gestaltungskraft lassen Gauguin auch über Literatur, über das Theater — besonders über das Verhältnis von Autor und Akteur — gehalt voll urteilen. Und in den Schilderungen des ozeanischen Lebens der Marquesasinseln im Verhältnis zur „zivi lisierten“ Kultur umfängt die reine Güte eines tiefen Charakters den Leser. Hier sind gerade die Zeichnungen vertraute Mittler dieses Lebens, das mit unbe kümmertem Glauben an die reine Natur des Menschen gesehen ist. Ihm folgt in der einfachen Logik seiner Formensprache die Linie seiner Zeichnungen. Äußerst interessant ist die Sammlung der Kabi nettsorders Friedrichs des Größen. In ihrer Gesamtheit geben sie ein Bild von der umfangreichen Tätigkeit des Königs auf den verschiedensten Gebieten. Nichts entgeht ihm., die kleinsten Übelstände werden bemerkt und Abhilfe geschaffen. Geradezu rührend ist Friedrichs liebevolle Fürsorge für den gemeinen Soldaten, dessen Wohlergehen ihm i sehr am Herzen liegt. Unter Androhung der schärfsten Verweise und Strafen glaubt er immer wieder seine Offiziere und besonders Kapitains darauf verweisen zu müssen, daß es dem gemeinen Mann an nichts gebricht. Über Behandlung der Einwohner in Feindesland, Werbung von Rekruten, taktische Euizelheiten, Fragen zivil rechtlicher Natur, Invalidenversorgung usw. läßt er sich in vorbildlicher Weise aus. Goethe ist mit einer Reihe seltener Ausgaben vertreten; u. a. ist da ein Exemplar von den „Leiden des jungen Werthei “ (Leipzig, Weygandsche Buch handlung 1775), aus dem Besitze der Bäbe Schul t- heß mit vier handschriftlichen Namenseintragungen des Altmeisters. Von Luther findet sich der Urdruck seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ (Witten berg, Melchior Lotter 1520), von Hölderlin die erste Ausgabe seiner Gedichte, von Wieland ein Prachtexemplar der ersten in Antiqua gedruckten Gesamtausgabe und vieles andere. Hcbraicasammler wird ein sehr schönes Manus kript der Bibel mit vereinzelten massoretischen Be merkungen am Rande interessieren, das ein ungenannter italienischer Schreiber im Jahre 1489 fertiggestellt hat. Die Anfangsworte sämtlicher biblischer Bücher (mit Ausnahme der Chronik) sind in herrlichen, um rahmten und ornamentierten Majuskeln in Gold aus geführt, jedes einzelne geschmackvoll in verschiedenen Farben und Formen*gehalten. An die Bücher und Dokumente, unter welche auch Stammbücher und Silhouettcnsammlungen ge mischt sind, schließt sich eine Sammlung von Ra dierungen Zorns an. Unter den hundert Blättern, die in guten und oft interessanten Zustandsdrucken Vorkommen, befinden sich zahlreiche frühe Drucke, die in kleiner Auflage erschienen sind und deren Platte zerstört ist. Von den frühesten sind vorhanden „Die beiden Cousinen“ (D. 6) und „Mary oder Repos“