Tnfemaffonale ^ammter^eifunj Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 10. Jahrgang. Wien, 15. Juli 1918. Nr. 14. Eine Liebesamulettmedaille aus dem XVII. Jahrhundert. Mitgeteilt vom Hofrate Pachinger (Linz a. d. Donau). Über Wesen und Bedeutung der sogenannten astrologischen Amulcttmedaillen herrschen in der Regel unklare oder falsche Vorstellungen. Wir wollen daher, bevor wir zur Erklärung der abgebildeten Medaille schreiten, den Begriff eines astrologischen Amulettes feststellen. Um Amulette, die aus dem, der wahren Astrologie entsprungenen Aberglauben mit Charakterzeichen und mystischen Worten versehen- sind, zu verstehen, soll ein kurzer Auszug aus den Lehrbüchern der mittel alterlichen magisch-astrologischen Thcurgie voraus gehen: „Alle Sterne haben ihre eigentümliche Natur und Beschaffenheit, deren Zeichen und Merkmale sie durch ihre Strahlen auch in unserer Welt den Elementen, Steinen, Pflanzen, dc-n_ Tieren und deren Gliedern mitteil cn. Fig 1. Fig. 2. Jede Sache erhält daher, gemäß der harmonischen Ordnung und von ihrem sie bestrahlenden Sterne, ein besonderes Zeichen oder Merkmal eingedrückt, das den betreffenden Gestirneinfluß genau charakterisiert und eine besondere, entweder nach der Gattung oder der Zahl des Gegenstandes von anderen verschiedene Kraft in sich enthält. Es entnimmt daher jedes Ding zum Zwecke seiner bestimmten Wirkung seinen eigen tümlichen Charakter von den Sternen, besonders von jenem, der vor den übrigen eine Herrschaft über das selbe ausübt. Solche Charaktere besitzen die Eigenschaften und Kräfte ihrer Sterne und bringen ähnliche Wirkungen auf andere Dinge, mit denen sie in Verbindung gebracht werden, hervor. Sie erwecken und fördern den Einfluß ihrer Sterne, mögen dies nun Planeten oder Fixsterne, Sternbilder oder Himmelszeichen sein, sobald sic nämlich auf der rechten Materie zu gehöriger Zeit und unter Beobachtung der nötigen Förmlichkeiten hergestellt worden sind.“ Daß auch in Europa durch viele Jahrhunderte der Glaube bei den Menschen festwurzelte, daß die Sterne nebst Sonne und Mond einen leitenden Einfluß auf alles Irdische, also auch auf den Menschen und sein Geschick hätten, ist wohl bekannt. Mit dieser astralen Wissenschaft gaben sich die gelehrten Astrologen und Theurgen noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein ab. Dieser feste Glaube an die lenkenden Himmels lichter zeitigte auch eine eigene Gattung von Medaillen, die man mit dem allgemeinen Namen „Glücks- oder Schutzmedaillen“ zusammenfaßt. Die meisten Stücke dieser Gattung von Amuletten sind im Gußverfahren hergestellt, und zwar aus einer angeblichen Verbindung der sieben damals bekannten Metalle. In der Wirklichkeit bestehen sie aber in der Regel aus einer Legierung dreier Metalle, aus Zinn, Blei und „Spiauter“ (das heißt Zink). Medaillen, die den Einfluß eines gewissen Planeten festlegen sollen, sind dann aus dem reinen, diesem Planeten zugehörigen Metalle gefertigt, nämlich aus Gold, Silber, Kupfer usw. Die vorliegende Medaille, deren Abbildung in Origi nalgröße (Fig. 1 und 2) wir sehen, ist ein Kupferguß aus der Mitte des XVII. Jahrhunderts und eine be stimmt deutsche Arbeit. Auf der Vorderseite sehen wir als Hauptstück ein Mädchen mit der Laute, neben dem sich ein kleiner Engel mit Pfeil und Bogen befindet. Dies ist das magisch-astrologische Bildnis der Venus. Eine solche Darstellung am Freitag in der ersten Stunde nach Sonnenaufgang — w r enn die Venus im Himmels Zeichen der Fische steht — gefertigt, soll nach den Angaben der mittelalterlichen Theurgen die Erlangung „von Huld, Wohl wollen und Liebe bei den Frauenzimmern“ bewirken sowie den männlichen Eigner des Amulettes selbst „angenehm und fröhlich machen und ihm Schön heit verleihen". Das oberste, über der Figur sichtbare Wort „Hagiel“ ist der Name einer Geisterintelligenz der Venus, und zwar derjenigen, die im,,Planetensiegel der Venus“ der Zahl 49 entspricht. Das darunter stehende Sechseck mit der Zahl 6 in der Mitte gibt die dem Venusstern geheiligte Zahl an. Die darunter befindlichen Namen Rachiel und Sachiel sind zwei untergeordnete Engel des „Venustages“ (Freitag), während Sarabotes der Name des Königs