Internationale $<mimler2eif uitjj Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 11. Jahrgang. Wien, 1. Februar 1919. Nr. 3. Die Zukunft der Heraldik. Von kaiserlichem Rat Ernst Krahl, Maler und Heraldiker (Wien). Unter den zahllosen Fragen, deren Beantwortung durch die Regierung Deutschösterreichs teils mit freudigem Hoffen, teils mit Bangen erwartet wird, befindet sich eine besonders inhaltsschwere, die Frage: „Wird der Adel aufgehoben und die Führung der Titel, Wappen und Familienzeichen verboten werden ?“ Es ist dies keine Frage, die, wie man vielfach meint, nur den Adel angeht, sie schwebt auf den. Lippen Tausender von Bürgerlichen, denn sie berührt weite Kreise der Kunst — Kunstgewerbe — und Gewerbe treibenden, denen die heraldische Kunst und Wissen schaft seit Jahrhunderten Nährmutter in jedem Sinne des Wortes gewesen ist. Tief wurzelt im Volke der Sinn für das Familien zeichen. Schon bei den alten Germanen war es Brauch, Familienzcichen zu führen; ihr stark ausgeprägter Familiensinn ließ sie mit Argusaugen darüber wachen, daß das einmal erworbene oder angenommene Zeichen hochgehalten und mit Sorgfalt von Generation zu Generation übertragen -werde. Ganz besonders geschah dies dort, wo das betreffende Familienzeichen durch eine hervorragende Tat erworben wurde. In diesem Falle wurde es einem Kleinod gleich bis zum Aus sterben des Stammes gehalten und verehrt. Selbstredend entwickelte sich in inniger Verbindung damit der Sinn für familiengeschichtliche Forschung, und zwar nicht bloß bei den adeligen, sondern auch bei den bürgerlichen Familien; man hatte den Wunsch, außer demFamilienzeichen auch eine Familiengeschichte zu besitzen, man wollte und will noch heute wissen, wer die Vorfahren waren, warum sie das Zeichen oder Wappen erhalten hatten, man wollte es seinen Kindern weiter vererben sowie an der Hand dieser Geschichte sie aneifern, ihren Vorfahren nachzustreben. Durch dieses Studium, das den Sinn für Familiengeschichte tief in die Herzen senkt, wird die Liebe zur Geschichte überhaupt und jene zum Vaterlande insbesondere ge weckt und gefestigt. Es ist eine bekannte Tatsache, daß in der bürger lichen, besonders aber in der Land- und Gebirgsbevöl- kerung, der Familiensinn und der Wunsch, ein Wappen zeichen zu besitzen, ungemein verbreitet ist. Einer der besten Beweise dafür ist, daß, als Kaiserin Maria Theresia das Palatinat, das zahllose bürgerlicheWappen- briefe ausgab, aufhob, ein Wappensclrwindel einsetzte, der sich in unerhörter Weise ausbreitete, als im Jahre 1818 die Ausgabe bürgerlicher Wappen gänzlich sistiert wurde. Das Volk wollte eben Wappen haben, und die Wappenschwindler hatten durch Jahrzehnte ein weites und reiches Feld, bis ihre Tätigkeit in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts endlich eingestellt werden konnte. Wenn man die Sammlungen altehrwürdiger Zimmer, Küchen oder sonstiger Einrichtungen studiert, so findet man, jedoch keinesfalls beiAdeligen allein, sondern vorzugsweise bei bürgerlichen Bauernfamilien, daß nahezu jedes Stück, jeder Schrank, jeder Sessel, jede Truhe, ja ganze Kücheneinrichtungen mit Wappen versehen sind. Es resultiert daraus nicht nur der an geführte Sinn der Bevölkerung für Wappenzeichen, sondern, daß auch der Kunst und dem Kunstgewerbe durch die früher zitierten Sistierungen schon viel zu viel an Erwerb entzogen wurde. Wiederholt wurde der Versuch gemacht, das bürger liche Wappen wieder einzuführen, es dadurch zu de mokratisieren und einen regen kunstgewerblichen Umsatz zu schaffen, doch scheiterte dies an dem Wider stande der maßgebenden Stellen. Wenn nun gar noch das Gegenteil geschehen und der Adel und mit ihm die Führung der Wappenzeichen abgeschafft werden sollte, so geht uns neben der Pflege der Familienge schichte ein weite Kreise umfassender Erwerbszweig verloren. Wenn wir nur einigermaßen die ungezählten tausende von Diplomen und heraldischen Kunst blättern ins Auge fassen, die im Laufe der Jahr hunderte von Wappenmalern verfertigt wurden, so sind die Umsatzwerte für die Bevölkerung und Steuerbehörden kaum zu ermessen. Diese Summen würden in Zukunft entfallen und der bezügliche Kunst zweig zugrunde gehen. Doch ist dies vielleicht noch das geringste, weit mehr sind die Wappen- und . Siegelstecher in Mit leidenschaft gezogen, denn sämtliche Graveure der früheren Jahrhunderte und gut zwei Drittel von jenen der Neuzeit haben ihren Erwerb aus der Wappen kunst geschöpft. Was fängt dieser kunstgewerbliche Zweig an, wenn keine Wappen mehr zu stechen sind ? Es ist unendlich leicht gesagt: ,,Nun, die müssen eben umlernen“, ja, was denn? Wenn der Hauptquell ver siegt ist, wo und was für einen Ersatz gibt es ? Außer den Graveuren hängen an den Wappen Emailleure, Holz- und Steinbildhauer, Bronzearbeiter und Glasmaler. Endlich noch ein ganz bedeutender und gerade in den letzten Jahrzehnten wieder auf geblühter